Münchner Alt-OB Christian Ude wird 70 - und zeigt der AZ Bilder seines Lebens

Am Donnerstag wird Christian Ude 70 Jahre alt. Auf diesen Seiten erzählt der Alt-OB mit Fotos aus seinem privaten Archiv von Begegnungen, die ihn geprägt haben – und davon, was ihn heute als Rentner bewegt.
von  Felix Müller
"Helmut Fischer war anders, als die Leute dachten. Ganz anders. Kein Hallodri, sondern ein preußischer Pflichtmensch. Manche dachten, er sei zu ängstlich, um politische Statements abzugeben. Dabei war er viel sozialdemokratischer als die SPD selbst – und hat mich unterstützt wie auf dem Bild aus dem Wahlkampf 1993. Eine tiefe Bindung!"
"Helmut Fischer war anders, als die Leute dachten. Ganz anders. Kein Hallodri, sondern ein preußischer Pflichtmensch. Manche dachten, er sei zu ängstlich, um politische Statements abzugeben. Dabei war er viel sozialdemokratischer als die SPD selbst – und hat mich unterstützt wie auf dem Bild aus dem Wahlkampf 1993. Eine tiefe Bindung!" © ho

Am Donnerstag wird Christian Ude 70 Jahre alt. Hier erzählt der Alt-OB mit Fotos aus seinem privaten Archiv von Begegnungen, die ihn geprägt haben – und davon, was ihn heute als Rentner bewegt.

"Da bin ich als Kind bei Schulkameraden gewesen", sagt Christian Ude und zeigt auf ein Haus. "Da war ich als Student bei Kommilitonen" und zeigt auf ein anderes. Und dort drüben habe er als Mieteranwalt gegen gierige Hausbesitzer gekämpft.

Und heute? Schlendert ein gut gelaunter Alt-OB Christian Ude entspannt über den Kaiserplatz. Durch sein Schwabing. Ude wird an diesem Donnerstag 70. Wie ist das, in Schwabing, als 70-Jähriger? "Immer noch fantastisch!", ruft Ude, der Rentner, dem hier jeder zweite Spaziergänger grüßend zunickt. "Die kurzen Wege zu Kinos und Kabarettbühnen, die Restaurants aller Nationalitäten. Es ist traumhaft!" Ein echtes Privileg sei es, hier wohnen zu dürfen.

Ude sitzt jetzt auf dem Bänkchen gleich vor seinem Haus – wie er es häufig tut. "Wenn wir nach Hause kommen, sage ich oft: Es ist doch zu schön, um gleich in die Wohnung zu gehen", sagt Ude. Der Mann genießt das Rentnerleben – und doch ist es bestimmt nicht so, dass ein Christian Ude jetzt keine Termine mehr hat – oder gar aufhört, sich einzumischen.

Der Geburtstag bedeutet Ude nicht so viel

Der Geburtstag am Donnerstag werde ein typischer Tag, sagt Ude. Das heißt: Ein bisschen Öffentlichkeit, zwei, drei Termine – aber auch Zeit für seine Frau, Edith Welser-Ude. Mit ihr werde er morgens zu zweit bei einem Glas Sekt frühstücken. Nachmittags spricht er bei einer Demonstration Münchner Taxler, am Abend eröffnet er eine Veranstaltung in den Kammerspielen. Der Geburtstag bedeute ihm eben nicht viel, sagt Ude. "Ich bin kein kalendergläubiger Mensch."

Ude wird also 70, hat aber nicht vor, sich zu verhalten wie ein ganz normaler 70-Jähriger. Dreieinhalb Jahre ist er jetzt in Rente. Seitdem lehrt er an der Volkshochschule, berät in Istanbul, ist Kuratoriumsvorsitzender des Münchner Forums für Islam (MFI). Und: Buchautor.

Ude mischt sich oft und gerne ein – nur nicht zur Münchner Politik

Dass ihn wegen seiner kritischen Töne zur deutschen Flüchtlingspolitik mancher gar in eine rechte Ecke stellen wollte, hat Ude wahnsinnig geärgert. Er, der München in den rot-grünen Jahren geöffnet hat für die schwul-lesbische Szene, dem die Begegnung mit alten Gastarbeitern und neu Zugezogenen so wichtig war, der sich für die Opfer rechter Gewalt einsetzt. Ude hat die Angriffe auf seine Art genommen. Mit Humor. Er witzelt in seinen Veranstaltungen darüber.

In der SPD ist mancher unglücklich über Tipps vom Rentnerbänkchen. Ude gibt Ratschläge, auch öffentlich – nur nicht zur Münchner Kommunalpolitik, das hält er wie sein Vor-Vor-Vorgänger Hans-Jochen Vogel. Ob Ude mehr Grund hat, sich zu sorgen um seine SPD als früher – oder einfach nur mehr Zeit? Er leide jetzt tatsächlich mehr an seiner Partei als zu seiner OB-Zeit sagt Ude. "Auf die Entwicklung der europäischen Sozialdemokratie mache ich schon seit fünf Jahren immer wieder aufmerksam. Nur hat das in der SPD kaum jemand ernstgenommen." Viele hätten geglaubt, wenn man an Sigmar Gabriel herummeckere, komme die Welt wieder in Ordnung, "In Wahrheit ist die Sozialdemokratie in Italien, Griechenland, Holland restlos zerfallen. Es sind nur noch Splitterparteien – das ist doch kein Thema, das man an Einzelpersonen festmachen kann!"

Froh ist Ude, der zu seiner Rathaus-Zeit schon mal Gespräche mit den Ökos türenknallend verließ, über die Grünen. Vor der Bundestagswahl hatte er vehement vor einer schwarz-gelben Koalition gewarnt. "Das wäre für die Großstadt München, die Mieterstadt, die Stadt sozialer Probleme, unerträglich gewesen", sagt Ude. "Jamaika mit den Grünen ist etwas anders. Das wird kein neoliberales Modell wie damals Merkel-Westerwelle."

Diese Töne wird mancher in seiner SPD nicht gerne hören. Wie Ude ohnehin weiter zu seinen ganz eigenen Thesen neigt. Er kann sich bei einem Glas Wasser in seinem Schwabinger Wohnzimmer zum Beispiel ausführlich aufregen über Menschen seiner Generation, die sagen, die Jungen hätten es heute leicht. "Unsere Generation ist vom Schicksal gepampert und verwöhnt worden, dass es nicht mehr feierlich ist!", sagt Ude, Jahrgang 1947. "Nur ein Jahrzehnt früher hat man doch Kriegsende und Bombenalarm, die Zerstörung der Städte erlebt. Aber bei uns ging es immer nur aufwärts. Die Berufschancen der Eltern, das Einkommen der Familie, die Chancen, eine Universität zu besuchen: alles. Man kam unabhängig von der Note nach der Uni einen Job."

Zum Feiern ist Ude jeder Anlass recht

Klingt fast, als würden die jungen Leute dem Alt-OB manchmal leid tun. Ude widerspricht nicht. "Sie haben natürlich schneller eine eigene Studentenbude – oder elektronische Kommunikationsmittel, von denen wir nicht zu träumen gewagt hätten." Aber die Ängste!

"Heute gibt es die Risiken einer multipolaren Welt. Die Jungen haben doch Sorgen eines ganz anderen Kalibers als wir damals: die immer schwierigere Finanzierung der Renten, den Verbrauch der Ressourcen, die Umweltkatastrophen." Wenn es um die jungen Leute geht, klingt Ude fast altersmilde.


Mit seiner Frau Edith Welser-Ude in der Schwabinger Wohnung. Foto: Daniel von Loeper

Sein jüngerer Amtsnachfolger, Dieter Reiter (59), würdigt Ude zum Geburtstag. "Mehr als 20 Jahre lang hat er die Stadtpolitik an oberster Stelle mit geprägt, mit Geschick, Verstand und Humor", sagte Reiter der AZ. Christian Ude habe sich "am Anfang desneuen Jahrtausends dem neoliberalen Zeitgeist" erfolgreich entgegengestellt: "Lieber Christian, ich wünsche dir zum 70. Geburtstag viel Glück und Gesundheit und Katzen, die nicht beißen." Genau das nämlich ist Ude, dem Katzenliebhaber, zuletzt auf Mykonos passiert.

Es wird ihn nicht vom Reisen abhalten. Heuer soll es noch nach Niederbayern und Venedig gehen.

Und, natürlich, auf die ein oder andere Party. "Ich bin ein Mensch, der seit seiner Schulzeit wahnsinnig gerne feiert, und da ist mir jeder Anlass recht", sagt Ude. Natürlich auch seinen Geburtstag. Den feiert er nach. Am Freitag ist er mit seinem Programm im Prinzregententheater. Danach habe er 100 Leute ins Prinzipal nebenan eingeladen. "Da wird es rundgehen!", sagt Ude, der Alt-OB, der zwar altersmilde wirkt. Aber wenn es ihm wichtig ist, auch immer noch ziemlich angriffslustig sein kann.

Die Bilder aus Christian Udes Leben gibt's oben in der Bildergalerie zum Durchklicken!

Lesen Sie hier: Wahlergebnis - Ude rechnet mit Münchner SPD ab

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