Münchens Zukunft in der Architektur

München - Langweilig, bieder, provinziell: Viele granteln erstmal, wenn es um Münchens Neubauten geht. Doch es sind durchaus auch spannende Projekte in Arbeit. Zumindest Projekte, über die man vortrefflich streiten kann. Die AZ zeigt eine kleine Auswahl.
Candid-Tor: Untergiesing streitet über die Häuserwürfel
Der Candidplatz gilt den meisten Münchnern nicht gerade als Schönheit. Eher als ein grauer Verkehrsknotenpunkt, ein Relikt aus Zeiten der autogerechten Stadt, als man hier eine Auto-Schneise durchs Viertel geschlagen hat. Doch wie das so ist mit den Münchnern und ihrem eigenen Viertel: In Giesing sieht man mit Sorge, dass ein spektakulärer Neubau-Entwurf für den Platz direkt am Ring unterhalb des Sechzgerstadions geplant ist.
Der Bezirksausschuss ist kritisch eingestellt
Das Candid-Tor von Investor Michael Ehret (Ehret+Klein) sieht Büros und Ärzte vor - wie in dem grauen Klotz, der heute an dem Standort steht. Doch der Bezirksausschuss sieht die Pläne kritisch, hätte gerne eine "filigranere, nach oben optisch eher verjüngende Form". Außerdem fordert man, ein Kulturzentrum zu integrieren.

Macht der Neubau das Viertel interessanter?
Abseits der ästhetischen Fragen aber treibt die Kritiker im Viertel vor allem die Frage um, ob ein so spektakulärer Neubau das Viertel nicht noch interessanter machen – und so zu noch weiter steigenden Mieten beitragen könnte. Diese Stimmung bildete schon ein Bürgerworkshop ab, es gibt eine Initiative "Candidplatz für alle" - und bei Heimspielen des TSV 1860 immer wieder Protest-Plakate von Fans im Stadion.

Richard-Strauss-Straße: Abendessen mit Aussicht
Die heilige 99-Meter-Grenze: Hier traut sich zumindest mal wer, haarscharf dran zu kratzen. Bis zu 96 Meter hoch haben David Chipperfield Architekten bei den Häusern an der Richard-Strauss-Straße geplant. Dem Anspruch nach sind die Pläne modern-zeitgeistig.
Man wirbt mit einem "nachhaltigen Büro- und Verwaltungskomplex in Holz-Hybrid-Bauweise" in den bis zu 25 Geschossen am alten Siemens-Standort. Den Ausblick sollen nicht nur Mitarbeiter der Bayerischen Versorgungskammer, die hier einzieht, genießen. Im obersten Stock soll eine öffentliche Gastro untergebracht sein.
Paketposthalle: Riesen-Krach um diesen Neubau
Es ist das mit Abstand umstrittenste Bauprojekt der Stadt. Und derzeit scheint völlig offen, ob es je gebaut wird. Die Rede ist von den beiden 155-Meter-Türmen an der alten Paketposthalle. Sie sind zu einem symbolischen Streitpunkt geworden, an dem sich viele Münchner Hochhaus-Gegner abarbeiten. Gut möglich, dass sie erfolgreich sind und einen Bürgerentscheid dazu erzwingen können.

Große Pläne am Großmarkt
Der Investor Ralf Büschl, der auf dem Areal der Paketposthalle gerade die höchsten Türme der Stadt plant, will München noch an einem weiteren Ort prägen: Er wird auch den Bau der neuen Großmarkthalle in Sendling übernehmen. Kürzlich hat er von der Stadt den Zuschlag für den Neubau am traditionellen Standort in Sendling erhalten. Entstehen sollen dort auch Wohnungen über der Markthalle. "Hier kann richtig urbanes Leben entstehen", sagt Büschl.
Pappenheimstraße: Die Telekom macht Platz
Der Fernmeldeturm an der Blutenburgstraße ist immer noch weit zu sehen, etwa von der Wiesn aus. Auf dem Areal hin zur Pappenheim- und Marsstraße hat die Telekom bis heute große Flächen. Die sie aber verkleinert. So entsteht viel Platz. Laut Stadt sind Neubauten mit 170 Wohnungen geplant, Büros sowie eine Kita. Man verspricht: Der wertvolle Baumbestand soll dabei erhalten bleiben.
Karstadt am Hauptbahnhof: Ein Warenhaus für die Zukunft
Kaufhaus-Kultur stirbt. Auch an vielen Stellen in München geht die Einzelhandelstradition zu Ende. Umso beachtlicher, dass der Karstadt am Hauptbahnhof, traditionell das zweitgrößte Kaufhaus Deutschlands nach dem Berliner Kadewe, eine große Zukunft haben soll. Die Signa des Österreichers René Benko baut hier um.
Der finstere Anbau soll weg
Für mehrere hundert Millionen Euro soll zwischen Schützen- und Prielmayerstraße ganz neu gebaut werden – anstelle des alten, recht finsteren Anbaus von 1972. Architekt Sir David Chipperfield gewann den Architektenwettbewerb – mit einem glasigen Neubau. Viele Fenster, grünliche Fassade, Terrassen. Der Altbau von 1904 direkt gegenüber vom Hauptbahnhof bleibt dagegen erhalten – und wird saniert für knapp 100 Millionen Euro.
Galeria Karstadt Kaufhof soll dort weiter auf allen Stockwerken bleiben. Im Neubau kommen zum Beispiel auch Büros unter, auf der Terrasse auf dem Dach soll auch Gastronomie entstehen. Der historische Altbau wird sich von außen kaum verändern, so verschwindet das Vordach. Drinnen soll es dafür künftig umso moderner zugehen. Fertigstellung: in vier bis fünf Jahren.
Optineo: Wahrzeichen des Werksviertels
Beinahe 100 Jahre und vier Generationen ist es her, dass die Familie Maltz an der Friedenstraße 10 das Optimol-Ölwerk errichtet hat. Wo erfolgreich Schmierstoffe für Formel-1-Wagen entwickelt wurden, entsteht gerade ein markantes Gebäude aus Stein, Stahl und Glas, dessen fließende Formen an die Dynamik der einstigen Ölwerk-Erzeugnisse erinnern: das Optineo. Heuer war Richtfest.

Entworfen hat es das international renommierte Architekturbüro Nieto Sobejano Arquitectos, von dem auch die Türme am Vogelweideplatz und der Königshof stammen. 2.500 Mitarbeiter der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sollen im 17-geschossigen Turm und dem fünfgeschossigen Bau daneben einziehen, der einen zum Knödelplatz offenen Innenhof umrahmt. 32.000 Quadratmeter Bürofläche – und nicht nur das. 1.148 Quadratmeter Terrassen sind geplant!