Münchens Wunderwerkstätten: Die Kultmechaniker
München - Wer es nicht kennt, bleibt erst mal irritiert, dann schmunzelnd, stehen vor diesem Schaufenster in der Lüneburger Straße 2 in Milbertshofen, gleich hinterm BMW-Werk.
"Dieser Laden bringt zwar nichts, aber er macht Spaß"
Sind das elektrische Schreibmaschinen, die da hochkant aneinander lehnen, auf den drei durchhängenden Brettern? Könnten auch elektronische sein. Jedenfalls ganz schön retro, mit diesem grünlich-eierschalfarbenen Farbton aus den 1980er und 1990er Jahren.
Im Glas der Eingangstür hängt ein Zettel, da steht in schwungvoller alter Schreibschrift geschrieben: "Dieser Laden hier bringt zwar nichts, aber er macht Spaß".
Drinnen klärt sich das Rätsel: Willkommen, nämlich, in der Werkstatt der letzten zwei Büromaschinenmechanikermeister der Stadt.
Die letzten beiden Büromaschinenmechanikermeister Münchens
Ladenchef Josef Bajfus (67) ist das, mit seinem Kollegen Karl-Heinz Schulze (77). Ersterer saugt gerade per Staubsauger einen Haufen Flusen aus einem Drucker, "erst amoi saubamacha, des is Regel Nummer oans", brummelt er freundlich zur Begrüßung. Der Kollege schraubt derweil am Farbbandhalter einer Schreibmaschine.
Das sind sie alle: Adler, Triumph und Olivetti
Es ist nämlich so. In jedem vierten Haushalt der Stadt, schätzt Bajfus, schlummert noch eine alte Schreibmaschine im Keller oder auf dem Dachboden. Viele elektrische sind das noch, aber auch alte mechanische. Adler, Triumph, Olivetti. Wunderbar, weil kein Plastik drin ist, sondern nur Metall, pure Mechanik.
In der Werkstatt herrscht kreatives Chaos
Und wo man ja jetzt nicht weiß, wie das alles mal werden wird mit der Energiekrise, holen viele die Geräte wieder heraus.

Wie gerade der Neubiberger Wilhelm Engels, der eine schwere Smith Premier von 1910 hereinschleppt. "Des is alloa scho fürs Auge schön", sagt er, "und wenn der Strom amoi weg is, braucht mas wieder."
Jeden Mittwoch ist Schreibmaschinen-Sprechstunde
Also ab zum Zerlegen, Reinigen, Ölen und ein frisches Farbband einlegen, in die Werkstatt. Dort herrscht sowas wie kreatives Chaos. Ein drei Meter hoher und noch viel breiterer gelblicher Werkstattschrank mit zig kleinen Schubladen steht im Raum, umringt von an die 300 elektrischen Schreibmaschinen plus Rechenmaschinen, Diktiergeräten, Kopierern, Faxgeräten und Aktenvernichtern.

Das meiste ist zum Ausschlachten da, "mein Ersatzteillager", sagt Bajfus, weil man so alte Kleinteile ja nicht mehr bestellen kann. Auch eine mechanische Perkins-Brailler Blindenschreibmaschine glänzt aus einer Kiste heraus. Und die schwarze Reiseschreibmaschine Erika der sächsischen Firma Seidel & Naumann, die ab 1910 gebaut worden ist.
Immer mittwochs, wenn der Kollege Schulze da ist, ist Schreibmaschinen-Sprechstunde. Bis zu zehn Geräte kommen da herein. Manche werden auch von Jugendlichen gebracht, die Retro wieder cool finden. Oder von Senioren, die neuerdings lieber tippen als handschreiben, weil die Hände nicht mehr so stillhalten. Übrigens nicht nur aus München komme die Kundschaft, sie reise auch aus der Schweiz oder Spanien an.
"Eine lustige Liebhaberei"
25 Jahre tüfteln die Büromaschinenmechanikermeister nun schon hier - aber wie lange noch? "Solang's Spaß macht", sagt Josef Bajfus, es sei halt schon eine lustige Liebhaberei.
Eigentlich könne nur eins sie bremsen, dass es nämlich irgendwann keine frischen Retro-Farbbänder mehr gibt. Dann werden sie den Zettel an der Tür umschreiben müssen: Dieser Laden macht zwar Spaß, aber das bringt nichts mehr.
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