Münchens neuester Konsul: Sein Staat hat 600 Bürger
Der Frauenarzt Bernd Lesoine (51) vertritt das „Fürstentum Seborga“. Am Samstag eröffnet in Bogenhausen die erste deutsche Vertretung. Wir erklären das Fürstentum in Bildern.
München - Der Gärtner nippt am Espresso, zieht an seiner Zigarette, blickt von der Terrasse aufs ligurische Meer und fragt dann einfach. Konsul, Bernd – wie wär’s?
Der Mann darf das. Er rupft nicht nur Unkraut und schneidet Hecken, er ist auch Sportminister seines Landes. In Seborga hat jedes Regierungsmitglied einen Job, bei 600 Einwohnern geht’s nicht anders. Und Ermes Fogliarino ist eben Gärtner.
Bernd Lesoine sagt an diesem Sommertag 2009 auf der Terrasse seiner Villa nicht sofort zu, geht aber später doch darauf ein. Am Samstag eröffnet der Münchner Frauenarzt mit Pomp und Prominenz die erste diplomatische Vertretung des Principato di Seborga in Deutschland. Die Adresse des Honorakonsulats: Cuvilliésstraße 1a, Bogenhausen.
Die Büros im Keller des Mehrfamilienhauses sind klein und eng, doch für das 14 Quadratkilometer große Fleckerl an der italienisch-französischen Grenze ist es ein großer Schritt auf dem weiteren Weg in die Unabhängigkeit.
In den 60er Jahren begann sich der Mimosen-Pflanzer Giorgio Carbone für die Geschichte seines kleines Dorfes in den Bergen Liguriens zu interessieren. Dabei kam er zu der Ansicht, dass Seborga nie wirklich zu Italien geschlagen wurde – weder beim Wiener Kongress 1815 nach den Kriegen gegen Napoleon noch bei der Gründung der Italienischen Republik nach dem Zweiten Weltkrieg.
Carbone folgerte daraus: Seborga, einst ein mittelalterliches Fürstentum, hatte seinen Status völkerrechtlich gesehen nie verändert. Das 954 gegründete Dörfchen musste also auch heute noch unabhängig sein. 1993 rief der bullige Mann offiziell das Fürstentum Seborga aus und ließ sich zum Fürsten Giorgio I. wählen. Es folgten Minister, eine eigene Währung, Briefmarken, Ausweise und eine Hymne.
Die Italiener finden das so lächerlich, dass sie bis heute nicht einmal widersprochen haben. Sie lassen Seborga mal machen. Besser kein Aufsehen erregen.
2009 stirbt Giorgio I. Die rund 600 stimmberechtigten Bürger wählen Marcello Menegatto (34) zu seinem Nachfolger. Fürst Marcello I. ist laut Lesoine ein „ultrareicher“ italienischer Unternehmer, Ex-Rennboot-Pilot und angeblich enger Bekannter der Queen und des Milliardärs Flavio Briatore.
„Der Fürst ist kein Spinner“, sagt der Honorakonsul
Des Fürsten Frau Nina ist schön, studiert, und stammt aus Bayern, genauer gesagt Kempten. Mit 14 lernte sie Marcello im Schweizer Internat kennen. Nach ihrer Hochzeit (in bayerischer Tracht) zogen sie nach Seborga, um einen Bauernhof zu eröffnen. Weil Nina Menegatto vier Sprachen spricht, wurde sie zur Außenministerin ernannt.
Gemeinsam führen sie den Kampf ihres Vorgängers fort. Am 10. Dezember reichte Seborga beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg offiziell Feststellungsklage ein. „Wir wollen, dass unsere Unabhängigkeit endlich festgeschrieben wird“, sagt Lesoine.
Zur Eröffnung des Konsulats hat er 38 Gäste zum Galadinner in einem Bogenhauser Restaurant eingeladen – unter anderen Leslie Mandoki, Scorpions-Gitarrist Matthias Jabs, TV-Kommentator Marcel Reif und dessen Frau Marion Kiechle sowie einige „Bankdirektoren und Aufsichtsräte“.
Auch die Konsule von Luxemburg, Ungarn und Serbien wollen kommen. Auch wenn das völkerrechtlich nichts heißt (siehe Kasten) – eine Ehre ist es doch.
Bernd Lesoine, der ein Kinderwunschzentrum in Bogenhausen leitet, war sich zuerst nicht sicher, ob er das alles wirklich will. Schließlich sei er ein seriöser Geschäftsmann. „Als mich der Gärtner fragte, hat meine Frau auch gesagt: Mach’ dich doch nicht lächerlich mit dieser Bananerepublik!“
Dann ließ er sich überzeugen. „Der Fürst ist kein Spinner“, sagt Lesoine, „das Ganze ist kein Quatsch.“ Außerdem liebe er Seborga. „Mein Vater hat mich schon in den 70er Jahren hierher gebracht, ich kenne es gut.“ 2009 legte er sich Lesoine ein Haus mit drei Schlafzimmern und 2500 Quadratmetern Grundstück in Seborga zu. Von seiner Terrasse sieht er das Mittelmeer und rechts Monaco, an guten Tagen bis nach St. Tropez.
„Mein Herz gehört Seborga“, sagt Lesoine heute. Deshalb sei er Konsul geworden. Die Menschen seien ursprünglich, die Natur wunderschön, das Dorf ruhig. „Kein Staat ist perfekt“,sagt Lesoine, „aber Seborga kommt der Perfektion am nächsten.“