Münchens neues Nachtleben: Endlich wieder zusammensitzen

München - Die Münchner waren sehnsüchtig. Endlich wieder ausgehen, im Stammlokal Freunde treffen und den Abend ohne Zeitdruck und vor allem zusammen ausklingen lassen. Obwohl der Montag kein klassischer Ausgehtag ist, waren die Kneipen der Stadt an diesem lauen Frühsommerabend voller Menschen.
Kurz vor acht in der Neuhauser Straße. Die Fußgängerzone leert sich langsam, im Augustiner-Stammhaus lassen sich die Leute ihren Schweinsbraten im Außenbereich schmecken. Aber Josef Durchdenwald, Erika Kosch, Ingrid Müller und Sebastian Mayer haben sich ganz bewusst für den Innenbereich entschieden. Denn hier halten sie schon seit 1972 drei Mal pro Woche ihren Stammtisch ab. In den letzten Monaten haben sich die vier Freunde nicht gesehen. "Wir haben nur geträumt, dass wir wieder reindürfen und ab und zu telefoniert", sagt Durchdenwald. Am Montag haben sie dann zufrieden festgestellt, dass sich keiner verändert hat.

Endlich wieder: Spontaner Abstecher zum Augustiner
Draußen im Biergarten ist Familie Brumm glücklich, nach dem Einkaufen endlich wieder ihren regelmäßigen "Abstecher zum Augustiner" machen zu können. Die achtjährige Alisa kann sich gar nicht entscheiden, ob sie jetzt Weißwürste oder doch lieber einen Obatzden bestellen soll.

Eine Stunde später auf dem Wedekindplatz herrscht leichte Urlaubsstimmung. Musiker und Lebenskünstler Chris setzt sich mit seiner Gitarre auf eine Bank und philosophiert über das Leben und was die Beschränkungen der Corona-Zeit mit der Atmosphäre und den Menschen gemacht haben.
Gegenüber im "Trumpf oder kritisch" sitzen Mert und Asli, beide 24. Sie sind aus der Türkei und kamen vor einem halben Jahr fürs Studium nach München. Sie finden es super, heute zum ersten Mal in eine Bar gehen zu dürfen und bemerken: "Wir sind gar nicht mehr gewohnt, wie laut so eine Geräuschkulisse sein kann. Aber wir genießen es!"

Ansonsten ist das Lokal gut mit Stammgästen gefüllt. "Ich kenne heute 90 Prozent der Gäste" sagt Wirt Simon Bierbichler und freut sich über die Reservierungen, die für die nächsten Tage schon da sind. Zwei seiner Stammgäste sind Michael Reithmeir und Franz Reim. Sie genießen draußen "a Stückerl Normalität" und eine Halbe Bier. Die beiden kommen schon seit es das Lokal gibt zwei Mal die Woche zum Karteln hier her.
Im Hintergrund sprudelt Betriebsleiterin Anna Schmidt vor Tatendrang. Trotz Muskelkater freut sie sich, ihre Gäste wieder zu sehen. Dafür nimmt sie den erhöhten Organisationsaufwand und das Maskentragen auch gerne in Kauf.

"Es ist wie der erste Sex nach sieben Monaten Pause"
Um sein Personal schrittweise wieder einzugewöhnen, lässt es Wirt Konstantinos Angelopoulos in seinem griechischen "Souxe mezé" in der Feilitzschstraße erst einmal langsam angehen. Er sagt zur AZ: "Viele haben schon angerufen und wollten reservieren, aber wir haben abgelehnt. Weil wir es entspannt haben wollen." Außerdem sollen die Leute am Anfang auch spontan vorbeischauen können und einen Platz bei ihm finden.

Natürlich freut er sich trotzdem über die vielen Anrufe: "Dass Leute am Montag um 22 Uhr anrufen und fragen, ob sie noch vorbeikommen können – das gab's noch nie. Alle sind ausgehungert. Das ist, als ob sie sieben Monate keinen Sex haben durften, und plötzlich ist es wieder erlaubt."
Und trotzdem spürt er auch ein bisschen Bitterkeit. Die Lokale mussten sechs Monate schließen und dürfen jetzt wieder arbeiten. "Soll man sich jetzt bedanken?", fragt der Grieche nachdenklich.
Eine gute halbe Stunde vor Mitternacht ist die Atmosphäre in der Bar Salon Irkutsk in der Isabellastraße familiär. Stammgast Raphael sitzt mit seinen Freunden Michael und Anna gemütlich am Tisch und sagt: "Wir haben eineinhalb Jahre gewartet und jetzt sind wir wieder da. Auch um die Barkeeper zu unterstützen, feiern wir jetzt die Barkultur." Schon tagsüber war er das erste Mal wieder Essen und schwärmt: "Es war so schön, mal wieder das Leben zu spüren!"

Die Barmänner mixen Drinks und lassen gemeinsam mit ihren Gästen diesen aufregenden, aber auch nostalgischen Tag ihres Neustarts ausklingen.
Auf einen Blick: Die neuen Regeln für München
Die 7-Tage-Inzidenz liegt derzeit stabil unter 50. Die Innengastronomie darf seit Montag geöffnet werden und Gastwirtschaften dürfen bei einer Inzidenz unter 100 bis 24 Uhr öffnen. Eine Testpflicht gibt es bei der aktuellen Inzidenz unter 50 nicht mehr. Reine Schankbetriebe müssen ihre Innenräume weiterhin geschlossen lassen. Auch Geburtstags-, Hochzeitsfeiern, Vereinssitzungen etc. sind wieder erlaubt. Bei einer Inzidenz unter 50 sind Veranstaltungen draußen mit bis zu 100 und drinnen bis 50 Personen erlaubt. Bei einer Inzidenzeinstufung zwischen 50 und 100: draußen bis 50 und drinnen bis zu 25 Personen, wenn die Teilnehmer einen negativen Test vorweisen.