Interview

Münchens neue Sterneköchin Sigi Schelling: "Die Wahnsinnsbestätigung sind meine Gäste"

Sigi Schelling hat sich selbstständig gemacht und gleich einen Stern erkocht. Statt zur Michelin-Gala zu fliegen, stand sie am Herd. Ein Gespräch mit einer, die trotz Höhenflug am Boden bleibt.
von  Annette Baronikians
Sigi Schelling in ihrer Küche: "Ohne ein Team, das Gas gibt, geht es nicht."
Sigi Schelling in ihrer Küche: "Ohne ein Team, das Gas gibt, geht es nicht." © ho

München - Von der Feinschmeckerbibel Guide Michelin wurde sie jetzt mit einem begehrten Stern ausgezeichnet: die Münchner Spitzenköchin Sigi Schelling, eine wahre Meisterin am Herd, und seit Sommer 2021 auch Restaurant-Inhaberin des Werneckhofs in Schwabing. Die AZ sprach mit der frisch gekürten Sterneköchin.

AZ: Liebe Frau Schelling, herzlichen Glückwunsch zum Stern!
SIGI SCHELLING: Vielen Dank. Ich freue mich sehr über diese Auszeichnung.

Haben Sie damit gerechnet? Schließlich wurden Sie ja als heiße Anwärterin gehandelt.
Ich habe es natürlich gehofft, und nun ist die Freude umso größer - im ganzen Team, denn ohne ein Team, das an einem Strang zieht und Tag für Tag richtig Gas gibt, geht es nicht.

Sie haben sich ja offensichtlich nicht mal ein paar freie Stunden gegönnt …
(lacht) Sie meinen: Um nach Hamburg zu fliegen?

Sigi Schelling: "Ich bin mittags und abends ausreserviert"

Ja, genau.
Was soll ich sagen: Ich kann doch meinen Betrieb nicht alleine lassen, um ab 12 Uhr bei der Sterne-Verleihung in Hamburg dabeizusein. Ich habe mittags mein Lokal voll.

Ist es nicht schade, diesen Moment der Würdigung Ihrer Arbeit zu verpassen? Bei der Sterne-Verleihung strahlten die Köche vor Glück und Stolz um die Wette.
Klar ist die Freude riesig, doch ich bleibe auf dem Boden. Der Stern ist eine große Sache. Doch die Wahnsinnsbestätigung ist, dass die Gäste kommen, immer wieder kommen und mein Lokal läuft. Das gibt es ja erst seit einem halben Jahr, und ich bin mittags und abends ausreserviert. Das ist wirklich Wahnsinn.

Und Ihre Sterne-Insignien wie die berühmte Kochjacke mit dem roten gestickten Stern vorne drauf bekommen Sie sowieso.
(lacht) Genau! Das werde ich bestimmt per Post bekommen.

Eine alteingesessene Adresse in München: der Werneckhof.
Eine alteingesessene Adresse in München: der Werneckhof. © imago images/imagebroker/bail

"Die Wertschätzung ist schon sehr schön"

In Ihrer Bescheidenheit und Konzentration auf das Wesentliche ähneln Sie schon sehr Ihrem ehemaligen Tantris-Chef, Großmeister Hans Haas, dem jegliches Tamtam fremd ist.
Hans Haas, bei dem ich ja 14 Jahre lang Sous-Chefin im Tantris war, ist mein wichtigster beruflicher Wegbegleiter und Mentor. Ihn habe ich auch als Ersten angerufen, als ich von der Auszeichnung erfahren habe.

Wer kam danach?
Meine Schwester in Österreich. Das war alles ganz kurz und mitten im Mittagsservice, der ja funktionieren muss. Mir haben auch viele Gäste gratuliert, dauernd klingelte das Telefon. Diese Wertschätzung ist schon sehr schön.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie in Ihrem Werneckhof inzwischen?
Insgesamt 15, davon sind fünf Köche. Man braucht jede Hand.

Ohne Frage, Sie bekochen ja auch viele Gäste mit Menü-Kreationen der Spitzenklasse.
In der Regel 40 Gäste mittags und 40 abends.

"Wenn man etwas wirklich will, dann schafft man das auch"

Da gibt es in München Sternelokale, die viel mehr Personal und zugleich viel weniger Plätze haben. Deren Spitzenköche und Co. sind in der Regel allerdings angestellt, beispielsweise in luxuriösen Hotel-Restaurants.
Stimmt, und ich habe mich ja selbstständig gemacht. Ich bin Inhaberin meines Lokals und zugleich Küchenchefin. Ich liebe, was ich mache. Ich bin in der Früh die Erste und am Abend meist die Letzte. Das ist normal.

Aber auch nicht immer leicht, wie ich mir fraglos vorstellen kann.
Sicher muss man auch stark sein. Doch wenn man etwas wirklich will, muss man es durchziehen, geradlinig sein, und dann schafft man's auch. 

Und bekommt schließlich sogar einen Michelin-Stern geradezu punktgenau zum Geburtstag!
(lacht) Ja, das war fast unglaublich. Einen Tag vor meinem Geburtstag habe ich den Michelin-Brief zur Einladung nach Hamburg bekommen.

"Es ist noch Luft nach oben. Ich kann mich entwickeln"

Fahren Sie nächstes Mal hin? Nicht wenige meinen ja, dass Sie sogar schon jetzt einen zweiten Stern verdient hätten.
Es ist noch Luft nach oben. Ich bin aber froh, dass ich mit einem Stern anfange, so kann ich mich entwickeln.

Wird der Stern, heuer wohl Ihr tollstes Geburtstagsgeschenk, noch gefeiert?
Selbstverständlich! Am Samstagabend gibt's eine Feier mit dem ganzen Team. Sonntag ist ja auch frei, und wir können alle ausschlafen.

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