Münchens neue KVR-Chefin Hanna Sammüller-Gradl: Grüne übernimmt Gauweilers altes Haus

München - Vergangenes Jahr demonstrierte Hanna Sammüller-Gradl mit "Fridays For Future" in Freising. In München wird die 38-Jährige wohl in den nächsten Jahren mit keinem Banner in den Händen zu sehen sein. Denn ab dem Sommer müssen Umweltschützer bei ihr nachfragen, wenn sie gegen Kohlestrom demonstrieren oder während der nächsten IAA ein Protestcamp aufbauen wollen.
"Innenministerin" Hanna Sammüller-Gradl gewinnt Wahl zur Kreisverwaltungsreferentin
Am Mittwoch wählte der Stadtrat die 38-Jährige mehrheitlich zur neuen Kreisverwaltungsreferentin, zur Innenministerin der Stadt, wie es Grünen-Fraktionschef Florian Roth ausdrückte. Wenn der jetzige KVR-Chef Thomas Böhle (SPD) Ende Juni in Rente geht, wird sie die erste Frau und die erste Grüne auf dem Posten sein. Auf jenem Posten also, den lange Jahre CSU-Hardliner geprägt haben: Peter Gauweiler und Hans-Peter Uhl.
Sammüller-Gradl entscheidet über Freischrankflächen und Demos
Das Amt des Kreisverwaltungsreferenten ist eine Schlüsselposition. In keiner Behörde ist der Kontakt zu den Münchnern größer: Sie kommen ins KVR, um einen Pass zu verlängern, um zu heiraten, um eine Arbeitserlaubnis zu beantragen. Gleichzeitig ist Sammüller-Gradl für die öffentliche Sicherheit zuständig. Sie entscheidet über Sperrstunden, Alkoholverbote, Freischankflächen und über Versammlungen.
Hanna Sammüller-Gradl ist verheiratet, hat zwei Kinder
Ob sie auch ein wenig traurig ist, dass sie sich wohl in den nächsten Jahren keiner Demo in München anschließen wird? Darüber habe sie sich noch gar keine Gedanken gemacht, sagt Sammüller-Gradl. Vielleicht werde sie kurz wehmütig sein, wenn ihr Mann und die beiden Kinder, vier und acht Jahre alt, mal zu einer Demo losziehen. Aber unterm Strich überwiegt die Freude. "Für mich geht ein absoluter Traum in Erfüllung", sagt Sammüller-Gradl.
Sie wurde Kreisverwaltungsreferentin in Freising
Es ist ein Treffen in ihrer Mittagspause, es gibt Ziegenkäse-Salat und Saftschorle in einem Café am Marienplatz. In einem kleineren Maßstab ist sie schon heute Kreisverwaltungsreferentin, nämlich in Freising. Sie ist dort für fast 150 Mitarbeiter zuständig. In München wird sie Chefin von etwa 3.800 Menschen sein. Ob sie der neuen Aufgabe gewachsen ist? Sammüller-Gradl zögert nicht, diese Frage mit ja zu beantworten. "Ich habe Respekt, aber keine Angst."
Bevor sie 2019 ins Freisinger Rathaus kam, leitete Sammüller-Gradl zwei Jahre lang stellvertretend die Enteignungsbehörde. Als die Planungen für die Zweite S-Bahn-Stammstrecke begannen, habe sie mit den Grundstücksbesitzern verhandelt, zu welchem Preis sie Flächen abgeben. "Wenn sich die Enteignungsbehörde meldet, zucken die meisten erst einmal zusammen", sagt Sammüller-Gradl. Dabei sei das oberste Ziel gewesen, nicht zu enteignen, sondern einig zu werden.
Ausländerbehörde: "Will, dass eine Willkommenskultur herrscht"
Auch in ihrer neuen Position will Sammüller-Gradl Ängste abbauen. Zum Beispiel würde sie in der Ausländerbehörde gerne mehr Mitarbeiter einstellen, die Fremdsprachen beherrschen. Auch die Information, welche Dokumente die Antragsteller mitbringen müssen, würde sie gerne in deren Muttersprache verschicken.
"Ich will, dass eine Willkommenskultur herrscht", sagt Sammüller-Gradl. "Niemand soll sich wie bei einem Verhör fühlen." Außerdem sollen die Bürger möglichst viel digital erledigen können.
Dass weniger Menschen aus München abgeschoben werden oder dass mehr Ausländer eine Arbeitserlaubnis erhalten, kann trotzdem niemand hoffen (oder fürchten) - auch wenn an der Spitze der Ordnungsbehörde nun eine Grüne sitzt.
Wird das Alkoholverbot am Hauptbahnhof abgeschafft?
Denn die Vorgaben, wie bestimmte Gesetze auszulegen sind, seien deutlich, sagt sie. Einen Ermessensspielraum gebe es in vielen Fällen nicht. Gleichzeitig betont die 38-Jährige, dass München eine liberale Großstadt ist. Sie kündigt an, zu überprüfen, ob die Sperrbezirksverordnung und das Alkoholverbot am Hauptbahnhof noch zeitgemäß sind.
Sammüller-Gradl ist eine, die das Für und Wider abwägt, die sich selbst einen "Verwaltungsnerd" nennt. Seit sie als Jugendliche in ihrer Heimatstadt Landsberg in ein Jugendparlament gewählt wurde, sei sie von Kommunalpolitik begeistert, sagt sie.
Walposter im Kinderzimmer, Jura-Studium und Promotion im Umweltstrafrecht
Es habe sich damals für sie wie ein kleines Wunder angefühlt, als die Skate-Anlage, die sich die Jugendlichen wünschten, plötzlich tatsächlich stand. Zu den Grünen kam Sammüller-Gradl, weil sie sich für Naturschutz interessiert habe. Ihr Zimmer sei von oben bis unten voll mit Walpostern beklebt gewesen, erzählt sie.
Später studierte sie Jura in München, promovierte in Umweltstrafrecht und wäre beinahe zu einer Politikerin geworden. Von 2007 bis 2010 war Sammüller-Gradl Mitglied des Münchner Grünen-Parteivorstands.
Damals lebte sie mit Katharina Schulze in einer WG. Schulze schaffte es von der Spitze der Grünen Jugend in München zur Chefin der Grünen-Fraktion im Landtag.
Warum Sammüller-Gradl heute dort nicht sitzt? Während ihrer Promotion habe sie erkannt, dass sie nie beides sein kann, sagt Sammüller-Gradl: Eine Spitzenpolitikerin und eine Spitzenjuristin. Sie entschied sich für letzteres.
Neuer Personalchef ist Andreas Mickisch
Schon sein Großvater arbeitete als Trambahnfahrer, sein Vater war in München Lehrer und auch er selbst steht seit mehr als 20 Jahren im Dienste der Stadt: Andreas Mickisch (SPD) begann 2001 für die Verwaltung zu arbeiten, zunächst in Bau-, Personalreferat und in der Stadtkämmerei.

OB Dieter Reiter kennt Mickisch gut: Von 2014 bis 2017 war er sein Büroleiter. Zuletzt war Mickisch Stellvertreter im KVR. Ab Juli wird er das Personal- und Organisationsreferat leiten. Diese Behörde ist quasi die Personalabteilung der fast 44.000 Beschäftigten der Stadt. Sie kümmert sich zum Beispiel um Einstellungen, Elternzeit und Fortbildungen. Mickisch übernimmt die Stelle des CSUlers Alexander Dietrich. Den Reformprozess, den sein Vorgänger anstieß, wolle er fortsetzen, kündigte Mickisch an. Er will Homeoffice weiterhin ermöglichen und die Digitalisierung vorantreiben. "Ich freue mich auf den Tag, an dem ich die Stempelkarten ins Stadtmuseum bringe", sagte der 49-jährige Jurist.