Münchens neue Hillary

Die 61-jährige Johanna Rumschöttel regiert künftig den Landkreis München. Als ihr Mann mit der Politik aufhörte, dachte sie: »Ich kann das auch«.
von  Abendzeitung
Die neue Überraschungs-Landrätin: Johanna Rumschöttel (61).
Die neue Überraschungs-Landrätin: Johanna Rumschöttel (61). © Mike Schmalz

Die 61-jährige Johanna Rumschöttel regiert künftig den Landkreis München. Als ihr Mann mit der Politik aufhörte, dachte sie: »Ich kann das auch«.

MÜNCHEN/NEUBIBERG Ja, sicher, denkt man sich: Skorpion-Frau, Großfamilien-Matrone, sechs Kinder, knapp 1,80 Meter und eine Stimme wie Motörhead-Rockröhre Lemmy – eine Frau, wie gemacht zum mächtig sein. Dann tritt man in ihr Amtszimmer im Neubiberger Rathaus am Morgen nach der Landrats-Stichwahl und findet Johanna Rumschöttel wundersam ratlos. „Ja, ich weiß auch nicht, wie das jetzt gegangen ist“, rutscht es ihr von den Lippen. „Das war doch schon unerwartet.“

Johanna Rumschöttel (61), Ex-Kulturamtschefin aus Oberhaching und seit sieben Jahren rote Bürgermeisterin in der Landkreis-Gemeinde Neubiberg (die ihr Mann Hermann Rumschöttel zuvor schon jahrelang als Vize-Bürgermeister führte) hat am Sonntag in einem überraschenden Wahlsieg den Dauer-CSU-Landrat Heiner Janik aus dem Amt gehebelt. 54,1 Prozent der Wählerstimmen im Landkreis München holte sie rein und ließ ihn abgeschlagen mit 45,9 Prozent auf der Strecke. Beim ersten Wahlgang vor zwei Wochen war sie noch auf magere 29,1 gekommen.

Dabei war sie als Kandidatin gegen den Landkreis-Monarchen zunächst nur aufgestellt worden, weil sich kein anderer aus der Kreis-SPD aufgedrängt hat. Wieder einmal just zu dem Zeitpunkt als ihr Mann – inzwischen mächtiger Generaldirektor und Chef des Münchner Staatsarchivs – sich aus den Amtsgeschäften verabschiedet. Er geht heim, sie packt an. Was ihn wiederum weniger begeistert.

Johanna Rumschöttel – die neue Münchner Hillary? „Ach du je“, sagt sie – und braucht ein bisschen Zeit für eine Antwort. „Solang mein Mann in der Politik war, dachte ich, da halte ich mich besser raus. Erst als er aufhörte, merkte ich, ich kann das auch.“

Und so kniet sie sich auch diesmal rein: Armut bekämpfen will sie, von der es immer mehr gibt in Münchens reichem Speckgürtel. „Ich sehe auf der Straße und an Schulen bei uns so viele Kinder, die vernachlässigt und schlecht ernährt aussehen. Es hat sie nur noch keiner gezählt, warum eigentlich?“ Sie will Betreuungsplätze ausbauen und den Nahverkehr im Landkreis revolutionieren. Dafür sorgen, dass, wer die zehn Kilometer Luftlinie von Neubiberg nach Taufkirchen will, „nicht erst mit der S-Bahn ewig rein- und dann wieder rausfahren muss“. Und sie will das Landratsamt, das „hierarchisch verknöchert“ sei nach zwölf Jahren Janik-Alleinherrschaft, zu einem Ort machen, „an dem Kritik geübt werden darf, ich möchte, dass die Mitarbeiter auch mal sagen: Das ist aber ein Schmarrn, was Sie da machen“.

80 Arbeitsstunden hat ihre Woche jetzt schon. Weniger wird es bei den Plänen kaum werden. Wie sie das alles schaffen will mit einem Ehemann im Ruhestand, sechs Kindern, drei Enkeln und gefühlten 1000 Mitgliedschaften in Vereinen, Organisationen und Ausschüssen?

„Ich fühle mich gar nicht hyperaktiv“, sagt sie da lächelnd. „Und ich kann noch viel mehr.“

Irene Kleber

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