Münchens Luxus-Immobilie: Das Palais an der Oper
Von der Residenzpost zum „Palais an der Oper“: Auf der Groß-Baustelle in 1A-Lage laufen die Restarbeiten auf Hochtouren. Die ersten Mieter ziehen gerade ein, Louis Vuitton, Kuffler und Bucherer kommen erst noch. Die AZ hat sich in dem Schmuckstück gegenüber der Oper mal umgesehen.
München - Das neue „Palais an der Oper“: Das ist ganz große Oper an der Oper. Die Gerüste sind bereits verschwunden, der Um- und Neubau der ehemaligen Residenzpost fast gelaufen. Innen freilich wird noch gewerkelt. Höchste Zeit also, sich mal umzusehen. Rein geht’s durch ein Tor (genau in der Mitte der denkmalgeschützten Arkaden) hinein in den Innenhof. Erster Eindruck: Viel weiß, viele Fenster, viele Austritte. Ein bisserl schaut’s aus wie in den Nymphenburger Höfen oder den Lenbachgärten an der Karlstraße. Klassisch modern, nennt man das wohl. Es könnte schlimmer sein.
Ein Lichtblick: Gleich links erstrahlt das alte Barock-Portal. Früher befand es sich am Haupteingang in der Residenzstraße, nach dem Krieg wurde es ins Innere der alten Postschalterhalle verbannt. Jetzt steht's wieder draußen – als neuer Haupteingang zu den Wohnungen und Büros im Palais. Operation gelungen.
Die Baustelle
Die Dimensionen: gigantisch. Die abgestützten denkmalgeschützten Fassaden hat ja noch jeder vor Augen. Und dahinter? 50000 Kubikmeter Bauschutt wurden seit 2010 zur Seite geräumt und 40000 Kubikmeter Erdreich ausgehoben. Kein Wunder, dass bis zu 100 voll beladene Lkw die Prachtmeile stadtauswärts gedüst sind. Pro Tag.
Gerd Scheide, Projektleiter der Accumulata Immobilien Development GmbH, muss bei der Frage, was das Schwierigste gewesen sei an dieser Monster-Baustelle, nicht lange überlegen: „Die Baustellen-Logistik in der City-Lage.“ Immer wieder waren Maximilianstraße oder Hofgraben gesperrt, weil ein Schwerlastkran auf- oder abgebaut wurde. Oder eine Stahlbetonplatte, an der die Fassaden-Stützkonstruktion verankert war, entfernt werden musste. Vom laster-haften Stoßverkehr, wie oben erwähnt, mal ganz zu schweigen. 16000 Kubikmeter Beton sind vergossen und 2800 Tonnen Baustahl verbaut worden. Klingt stabil, und ist es auch. Ein Palais für die Ewigkeit?
Das Wohnen
Es ist kein Geheimnis mehr, dass hier Münchens teuerste Mietwohnungen entstehen. Über 52 Euro pro Quadratmeter – ein Preis, den weder Accumulata noch LBBW kommentieren wollen, der auf einschlägigen Immobilienportalen freilich nachzulesen ist.
Also rauf in den 5./6. Stock, rein in so eine besagte Edel-Behausung, in der Trockenbauer gerade damit beschäftigt sind, Zwischenwände einzuziehen.
Erster Eindruck hier: Viel Rigips, viel Dachschräge, viel Treppe (rauf zur Galerie), viel Raumhöhe. Aber Loggia? Balkon? Terrasse? Kamin? Fehlanzeige. 52 Euro pro Quadratmeter? Immerhin, der Blick auf die Altstadt ist gigantisch. Der Blick schweift hier auf den Alten Hof direkt gegenüber und rüber zum Luxushotel „Mandarin Oriental“. Im Gegensatz zum Opern-Palais hat dieses eine Wahnsinns-Dach-Terrasse. Eine Skihütte haben sie dort droben aufgepflanzt. Witzig.
Auch komisch: Es sind offenbar nicht, wie man annehmen könnte, reiche Russen oder Araber, die sich hier einmieten. „Es handelt sich um eine Münchner oder süddeutsche Klientel“, heißt's bei der LBBW. Leute, die oft in München sind, aber keine Lust aufs Hotel haben. Sondern auf eine Logis und Catering-Service, auf einen Concierge, der Posteingang, Auskünfte, Reservierungen, Ticket-Service, Kurier-, Einkaufs- und Wäscheservice oder IT-Support erledigt. Gut die Hälfte der 27 Wohnungen (80 bis 120 Quadratmeter) sind bereits weg...
Die Büros
11.128 Quadratmeter Büroflächen verteilen sich auf den Etagen 1 bis 4. Auf dem Weg dorthin latschen wir über frisch verfugte Steinfliesen - was den werkelnden Bodenlegern ein entnervtes Augenrollen entlockt. Sorry dafür.
Steuerberater, Rechtsanwälte und eine Hamburger Privatbank haben sich hier bereits eingemietet. „Denen ist vor allem die Adresse wichtig“, sagt Gerd Scheide. „Maximilianstraße 2 – klingt ned so ganz schlecht.
Der Denkmalschutz
Vorne die Klenze-Arkaden, dahinter der Klenze-Trakt, im Osten und im Süden am Hofgraben die Bürklein-Fassaden, das alte Barock-Portal im Hof – alles mustergültig hergerichtet. Das haben auch die Denkmalschützer, die in der Alten Münze gleich nebenan residieren, dankbar registriert. Gut 8Millionen Euro haben die denkmalschutzrechtlichen Aufwendungen gekostet.
Das Sahnestück der ehemaligen Residenzpost befindet sich genau über den Arkaden: Der ehemalige Fernmeldesaal, bei seiner Eröffnung 1954 der größte in ganz Deutschland, der baulich noch auf Klenze zurückgeht. Hier saßen früher die Fräuleins vom Amt. Verkabeln und umstöpseln tun hier jetzt nur noch die Handwerker. Und der tonnengewölbte Raum heißt jetzt „Opern-Saal“.
Erster Eindruck: Ein absoluter Traum! Ein Traum, der sich aber nur ein paar wenigen Büro-Angestellten erschließen wird: Alle Fenster gewähren den opulenten Blick auf Residenzstraße, Residenz und Oper. Prädikat: Ganz große Oper.
Der Stollen
Ein mysteriöses Geheimnis hat das Palais lange umwoben: ein geheimnisumwitterter unterirdischer, gewölbter und mittelalterlich anmutender Gang, der das Gebäude in Nord-Süd-Richtung durchzieht. Ein alter Fluchtstollen der Franziskaner-Mönche aus ihrem 1803 abgebrochenen Kloster, wie noch bis 2010 gemutmaßt worden ist? Tja, auch dieses Rätsel ist inzwischen gelöst. Leider.
Die Wahrheit ist wie so oft ernüchternd: Der verwunschene „Fluchtstollen“ ist nichts anderes als ein profaner Kabelschacht aus dem 19. Jahrhundert. Und im übrigen auch schon Geschichte: Bis auf ein kleines Teilstück unter den Arkaden ist er abgebrochen – er war der Tiefgarage im Weg.
Der Großmieter
Gegenüber vom „Franziskaner“, wo’s früher ins Postamt reinging, zieht das französische Luxuslabel Louis Vuitton ein. Nicht mit einem simplen Laden. Nein, nein. Die komplette Hauptverwaltung zieht von Düsseldorf hierher. Und einen Flagship-Store gibt's auch. Weil aber selbst das zu banal wäre, wird hier – nach Paris und London – das dritte „Louis Vuitton Maison“ Europas eröffnet.
Ein Luxus-Flagship-Laden auf drei Etagen also, mit 1300 Quadratmetern, mit VIP- und Presse-Räumen sowie noch mehr Schnickschnack. Kleiner Vorgeschmack: Das Untergeschoss des Ladens. Die Betonpfeiler in dem vier (!) Meter hohen Keller stehen nicht aufrecht, sondern seltsam abgeschrägt. Warum? Damit sie den Kunden künftig nicht im Wege stehen. Louis Vuitton wollte das so. Auch irgendwie schräg.
Was noch kommt: Ein „Espace Culturel“: Espa-was? Ein Museum-in-Shop, in dem zeitgenössische Kunst präsentiert wird, in Anlehnung an das Pariser Stammhaus an den Champs-Élysées. Wer ko, der ko. Mitte April wird eröffnet.
Das Café
Es ist nicht irgendein Lokal, das Wiesn-Wirt Roland Kuffler im Opern-Palais bald eröffnet: „Das Kuffler“ – für eine satte fünfstellige Monatsmiete auf 20 Jahre gepachtet. Was einiges erahnen lässt, was den Cappuccino-Preis anbelangt, der hier ab Februar aufgerufen wird.
Trotzdem. Es wird das Gastro-Gusto-Stückerl der ganzen Stadt: „Das Kuffler“ bespielt mit seinen 400 Plätzen drinnen nicht nur den Ostflügel (durchs Fenster sieht man den Haupteingang zur Alten Münze), sondern draußen auch die ganze Bühne unter den Klenze-Arkaden. Besser geht’s nicht. Unser Tipp: Für „Oper für alle“ unbedingt schon mal ein Tischerl vorreservieren. Prognose: Ganz, ganz große Oper.
Der Besitzer
Für rund 300 Millionen Euro sollen Accumulata und LBBW das Opern-Palais im Oktober an die Lenhart Global Investment verkauft haben. Weder zum Preis noch zum Käufer freilich wollen Accumulata und LBBW was sagen. „Es ist strikte Diskretion vereinbart“, heißt es dazu nur, „dazu sagen wir nichts.“ Umso trefflicher wird dafür spekuliert.
Russische Medien haben den Moskauer Magnaten Arkadij Rotenberg als wichtigsten Eigentümer von Lenhart ausgemacht. Rotenberg? Ein bunter Vogel in Russland. Und, wie der „Spiegel“ berichtet, offenbar ein Spezl und Boxpartner von Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Der Kreml grüßt, der Rubel rollt – der Münchner staunt.
Das Fazit
Die Mutation von der Residenzpost zum Palais? Unterm Strich gelungen. Wobei bis auf drei Fassaden (die vierte in der Residenzstraße ist wirklich greislig!), das verpflanzte Barock-Portal, die Arkaden und ein paar Raumfluchten dahinter das Palais alles andere als altehrwürdig ist.
Oder, wie Projektleiter Gerd Scheide sagt: „Da denkt man: Tolles, altes Gebäude – derweil ist es der modernste Büro-Bau Münchens.“ Alles in allem also der typisch Münchner Kulissen-Zauber: Außen hui, innen - nun ja: wenig original. Aber originell.
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1747-1834: Das Adelspalais. Das größte Barock- Palais der Stadt
Das Geviert Max-Joseph-Platz, Hofgraben und Residenzstraße grenzte einst an den Friedhof des (1803 aufgehobenen) Franziskanerklosters. Genau hier lässt sich Graf Ignaz von Toerring Jettenbach (†1763) ab 1747 ein Stadtpalais erbauen. Nicht irgendeines: Das größte und prächtigste Adelspalais des 18. Jahrhunderts in München.
Die bedeutendsten Architekten dieser Zeit sind an dem Bau beteiligt: Lukas von Hildebrand, Emanuel von Erlach, Ignaz Gunetzrhainer, Matthias Gießl (Innenausbau), Johann Baptist Zimmermann (Stuck) und Johann Baptist Straub (neun überlebensgroße Holzfiguren im Vestibül und Treppenhaus).
Diese barocke Pracht, von der es nur wenig Fotos gibt, ist im Bombenhagel des Weltkriegs und durch die Zerstörung beim Wiederaufbau für immer untergegangen. Einzig sieben der Straubschen Groß-Figuren haben sich erhalten – sie stehen im Nationalmuseum.
1834-2004: Der Post-Palast. Die Klenze-Arkaden – ein Debakel
Der bauwütige König Ludwig I. kauft dem Grafen Toerring das Palais für 180000 Gulden ab, 1834 beginnt Leo von Klenze dann mit dem Umbau. Das Innere des Palais belässt er im Original. An die Nordfront setzt er die berühmte 13-jochige Arkadenhalle nach Vorbild des Findelhauses in Florenz. Die (erhaltenen) Hiltensperger-Fresken werden zur Wiesn 1839 enthüllt. Ach ja: Der von LudwigI. als „unüberschreitbar“ gedeckelte Kostenvoranschlag von 85000 Gulden wird zum Schluss um das dreieinhalbfache gesprengt. Wahrhaft elbphilharmonische Dimensionen, die an der Isar damals für grelle Misstöne gesorgt haben. Heute erfreuen wir uns daran.
Zerstörung und Wiederaufbau
1838 zieht ins von Klenze umgebaute Palais das erste Postamt Bayerns ein. Friedrich von Bürklein errichtet 1858/60 den Trakt am Hofgraben (Fassaden erhalten). Und im Inneren der Hauptpost wird 1899 eine neobarocke Schalterhalle eingebaut, die im Krieg vernichtet wird. Beim Wiederaufbau entsteht die Schalterhalle vereinfacht wieder, 1953 wird hier das Postamt München I eröffnet. Das erhaltene Barock-Portal wird dabei ins Innere der Schalterhalle verfrachtet. Und schon damals sorgt die Wiederaufbau-Fassade gegenüber vom Franziskaner für erregte Diskussionen. Von „Baubeamten-Architektur“ ist die Rede. Vor allem die bullaugenartigen Rundfenster – „Einschusslöcher“ genannt – stoßen sauer auf. Angesichts der neuen Westfassade des Opern-Palais ist man fast geneigt, für derlei Schmähungen der Nachkriegs-Fassade Abbitte zu leisten. Wie man sieht, geht’s noch schlimmer.