Münchens letzter Bier-Baron ist tot

Die graue Augustiner-Eminenz und Chef der Haberland-Wagner-Stiftung hat die Brauerei groß gemacht. Wie geht es jetzt ohne ihn weiter?
München - Bescheiden und verschwiegen – aber sehr, sehr umtriebig. Nein, Ferdinand Schmid war keiner, der das Rampenlicht gesucht hat. Der „Herr Direktor“, wie der langjährige Geschäftsführer von Augustiner bis zuletzt in der Brauerei, bei der Stadt, den Wirten und Brauern respektvoll angesprochen wurde, ist am Dienstag im Alter von 88 Jahren gestorben. Münchens letzter Bier-Baron ist tot.
Das größte Lob: "Er hat den Zeitgeist verschlafen"
Ferdinand Schmid liebte es, im Verborgenen zu wirken: Wirtshäuser originalgetreu zu sanieren, Kirchen zu restaurieren oder denkmalgeschützte Gebäude wieder herzurichten – und damit ein schönes Stück Altmünchen den Münchnern zu erhalten.
Der gebürtige Berchtesgadener, studierter Jurist, war von 1957 an Chef des Vereins Münchner Brauereien. 1970 wechselte er dann als Geschäftsführer zu Augustiner, wo er bis 1991 als persönlich haftender Gesellschafter tätig war. Dass er dabei „den Zeitgeist verschlafen“ hat, wie OB Christian Ude bei der Überreichung der Goldenen Ehrenmünze der Stadt 1996 süffisant anmerkte, war ein dickes Lob. Und sollte sich als Segen erweisen – für München. Und natürlich die Brauerei.
A guads Bier is de beste Werbung
„A guads Bier is de beste Werbung“, hat hat er immer gesagt. Und ganz konsequent auf jegliche Reklame verzichtet: Keine Anzeigen, keine Plakate, keine Funk- oder TV-Spots. Nichts. Stur hielt er an den alten bauchigen Bierflaschen fest, die längst retro sind, während (fast) alle anderen Brauereien ihr Gebinde auf das neue, schlankere NRW-Modell umstellten.
Und expandiert hat Augustiner auch nicht – nicht nach Übersee, nicht in den Osten. Höchstens ins Münchner Umland, zuletzt aber auch nach Berlin. Ein Rezept, das in der Landsberger Straße heute noch aufgeht: Von 600000 Hektoliter ist der jährliche Absatz inzwischen auf 1,3 Millionen gestiegen. Tendenz weiter steigend.
Der Coup auf der Hackerbrücke
Seinen größten Coup aber hat er Mitte der 90er Jahre eingefädelt, als er mit Edith Haberland-Wagner, der Letzten der Augustiner-Dynastie, mit dem Taxi über die Hackerbrücke fuhr. Und ihn die alte Dame fragte, was denn das für eine riesige Baugrube sei. „Der Rest der Hackerbrauerei“, soll Schmid gesagt haben. Die werde abgerissen, um Platz für das neue Patentamt zu machen. Ein Schicksal, das auch Augustiner drohen könnte, wie er der kinderlosen Brau-Erbin zu verstehen gab.
Die über 90-Jährige war tief beeindruckt. Und ging auf seinen Vorschlag ein, ihre Brauerei-Anteile in eine Stiftung zu überführen – die „Edith Haberland-Wagner-Stiftung“, wie sie seit dem Tod der alten Dame ab 1996 hieß. Und dessen Vorstand Schmid bis zuletzt gewesen ist.
Die Stiftung hält knapp 51 Prozent an Augustiner
Die Stiftung hält knapp 51 Prozent an Augustiner und ist letztlich die Garantie dafür, dass Augustiner die letzte Privatbrauerei Münchens bleibt. Mit den Millionen aus den Stiftungs-Erlösen hat der große „Bewahrer“ sich dann ganz aufs Gestalten verlegt. Hat die Alte Kongresshalle gekauft und 2007 sanieren lassen. Das Resultat ist eine Ikone der 50er-Jahre-Architektur, die seither für Kongresse, Firmenveranstaltungen und als Party-Location zur Verfügung steht. Nicht zu vergessen der angrenzende Biergarten am Alten Messe-Park, der immer noch als Geheimtipp fungiert.
Münchens ältestes Haus: Dank Schmid erstrahlt es wieder
Ein echter Knüller war auch der Erwerb des ältesten Bürgerhauses der Stadt in der Sterneckerstraße hinterm Tal, dessen Geschichte bis 1340 zurückreicht. Das mustergültig sanierte denkmalgeschützte Gebäude beherbergt heute eine Dauerausstellung zum Bier und zum Oktoberfest.
Mit der Sanierung des Gebäudes und dem Museum hat Schmid einen langgehegten Traum verwirklicht. „Wenn ich darüber nachdenke“, sagte er mal der AZ, „was mich in besonderer Weise an München erinnert, dann ist es das Thema Biermuseum. Das Thema hat mich während der gesamten bislang 50 Jahre begleitet, in denen ich dem Braugewerbe verbunden bin. Und ich kenne kein Problem in meinem Berufsleben, das hartnäckiger zu lösen gewesen ist. Heute sehe ich dieses Haus mit seiner einmaligen Atmosphäre als gute Fügung.“
Seine Vorliebe: Altmünchner Wirtshaus-Kultur
Schmids Wirken in München erstreckt sich jedoch auch auf die Gastronomie. Viele in die Jahre gekommene Gaststätten hat er saniert.
„Wenn München nicht mehr gemütlich ist, dann ist es nicht mehr München“, brach er eine Lanze für die Altmünchner Wirtshaus-Kultur. Zu sehen im Gasthaus Isarthor, Burg Pappenheim, Görreshof, Bratwurstglöckl, Asam Schlößl, Haidhauser oder Sendlinger Augustiner oder im Zwingereck (wo er selber gerne saß), um nur einige zu nennen. Andere Lokale hat er gleich ganz neu bauen lassen: So das Bräustüberl in der Landsberger Straße, den Augustiner am Dom oder das wirklich sehenswerte Flaggschiff der Münchner Innenstadt-Gastronomie: den Klosterwirt am Dom.
Requiem im Alten Peter
Noch seinen 85. Geburtstag hat „Mr. Augustiner“ groß gefeiert – unter anderem mit einem Pontifikalamt und Schuberts Deutscher Messe im Alten Peter. Kommenden Mittwoch findet dort um 11 Uhr das Requiem für ihn statt.
Der ältesten Pfarrkirche Münchens war er eng verbunden. Und sorgte mit Stiftungsgeldern unter anderem dafür, dass der kriegszerstörte Deckenstuck in den Seitenschiffen und das Deckenfresko im Mittelschiff (auch viele Münchner haben dafür gespendet) wieder rekonstruiert werden konnten.
Sein Konterfei im Deckenfresko
Im farbigen Deckenfresko prangt der Stifter und Bewahrer übrigens höchstselbst: Mit schlohweißem Haar und himmelblauem Mantel hat ihn der Künstler Hermenegild Peiker dort verewigt. Kein Zweifel: Ferdinand Schmid, der letzte Bier-Baron und Bewahrer des alten München, ist längst im Himmel.