Serie

Münchens Kampf gegen die Hitze

Die Sommer könnten in Zukunft rund 32 Tage länger dauern, vor allem die extrem heißen Tage werden zunehmen. Was die Stadt gegen den Klimawandel tut - und ob das reicht.
von  Christina Hertel
Drückend heiß können die Nächte in der Stadt sein. Dagegen müssen Konzepte her.
Drückend heiß können die Nächte in der Stadt sein. Dagegen müssen Konzepte her. © Peter Kneffel/dpa

München - August 2020, in mehreren Schlafzimmern hat es 37,5 Grad. "Die Hitze staut sich", sagt eine 29-Jährige, die im Bahnhofsviertel lebt. "Es ist einfach nichts Grünes da, keine Bäume auf der Straße."

Sie ist nicht die Einzige, die das so empfindet. Die 29-Jährige nahm damals an einer Befragung der Technischen Uni München teil. In dieser gaben mehr als zwei Drittel der Befragten an, sich im Münchner Straßenraum "eher" oder "sehr stark" von Hitze belastet zu fühlen.

Ein Baum hat dieselbe Kühlleistung wie eine Klimaanlage

Und schon jetzt ist klar: Die Temperaturen werden weiter steigen, wahrscheinlich auch in diesem Sommer. Die Tage, an denen es mehr als 25 Grad hat, könnten sich in den nächsten 20 bis 30 Jahren verdoppeln. Das hieße, der Sommer verlängert sich um bis zu 32 Tage.

Die Anzahl der heißen Tage (Tage mit mindestens 30 Grad), seit 1955.
Die Anzahl der heißen Tage (Tage mit mindestens 30 Grad), seit 1955. © DWD, Grafik: anf

Das prognostizierte der Deutsche Wetterdienst vor zwei Jahren für München. Heute sagen die Experten, dass die Erwärmung eher noch weiter zunehmen werde. In einer Serie beleuchtet die AZ, wo sich der Klimawandel in München schon heute zeigt, was die Stadt tut, damit München trotz der Hitze lebenswert bleibt und wo sie von anderen lernen kann.

Eine Lösung im Kampf gegen die Erwärmung: Mehr Grün. Wo Bäume wachsen, ist es im Schnitt zehn Grad kühler als auf einer bebauten Fläche. Ein Baum hat Wissenschaftlern der TU zufolge die gleiche Kühlleistung wie eine Klimaanlage.

München verliert  jedes Jahr an die 2.500 Bäume

Allerdings wird München eher immer grauer statt grüner: Die Stadt verliert laut Bund Naturschutz jedes Jahr an die 2.500 Bäume, vor allem, weil Gärten und Hinterhöfe zugebaut werden. 20.000 Bäume stehen deshalb heute in München weniger als noch 2011.

Seit zwei Jahren haben die Grünen in München eine Mehrheit im Stadtrat. Hat sich seitdem etwas verändert? Wenn man bei der neuen Grünen-Fraktionschefin Mona Fuchs nachfragt, kann die einem gleich eine lange Liste an Fördertöpfen nennen, die die Münchner anzapfen können, wenn sie ihre Fassaden begrünen, ihre Hinterhöfe entsiegeln oder ihre Vorgärten und Dächer bepflanzen wollen. Voll ausgeschöpft hätten die Münchner diese Töpfe in der Vergangenheit nicht, sagt Fuchs. Womöglich, weil kaum jemand weiß, dass es Geld von der Stadt für Bepflanzung gibt.

Mona Fuchs
Mona Fuchs © Grüne

Was laut Mona Fuchs auch noch viel zu unbekannt ist: Jeder kann vor seiner Haustüre ein Hochbeet beantragen. Auch, sich über den Sommer hinweg auf öffentlichen Plätzen seine eigene kleine Terrasse aufzubauen, ist möglich. Münchner können außerdem auf Parkplätzen Palettenmöbel und Pflanzkübel aufstellen. Allerdings müssen sie für all das erst einen Antrag stellen - und wie das genau funktioniert, sei für viele, die nicht jeden Tag mit der Verwaltung zu tun haben, schwer zu durchschauen. Das gibt auch Mona Fuchs zu.

In dem guten Wahlergebnis bei der letzten Kommunalwahl steckt für sie der Auftrag, die Flächen in der Stadt neu zu verteilen. "Und das nehme ich sehr ernst", sagt sie. Gleichzeitig sei der Erhalt der Natur das Wichtigste. Heuer hat der Stadtrat deshalb beschlossen, dass mehr Gebiete vor Bebauung geschützt werden sollen. Für große Gebiete von mehr als zehn Hektar Fläche ist die Regierung von Oberbayern zuständig, die klagt aber über Personalmangel. Doch die Stadt habe, so schildert es Fuchs, viel Vorarbeit geleistet.

Die Grafik zeigt die Jahresmitteltemperatur seit 1955.
Die Grafik zeigt die Jahresmitteltemperatur seit 1955. © DWD, Grafik: anf

Sie hofft, dass es nun schnell geht, fünf größere neue Gebiete unter Schutz zu stellen. Auf der Liste steht zum Beispiel das Gleislager in Neuaubing oder die Magerstandorte am Gleisdreieck in Pasing. Außerdem erarbeitet die Verwaltung gerade ein Konzept für einen Landschaftspark West, der sich über die Stadtviertel Pasing und Hadern erstreckt.

Die Stadt testet Grünstreifen, an denen kaum gemäht wird

Um die Stadt natürlicher zu gestalten, testet die Stadt außerdem gerade in zwei Bezirken (in Schwabing-Freimann und in Bogenhausen), ein neues Konzept für ihre Grünstreifen. Nur noch zweimal im Jahr wird dort gemäht, damit sich Insekten und Blumen mehr ausbreiten können. Die Pflege dieser Flächen sei zwar wesentlich teurer, unter anderem weil man für einen Mähgang mehr Personal braucht, schildert Fuchs. Doch aus ihrer Sicht lohnt es sich trotzdem: "Ich bekomme viele Fotos von begeisterten Bürgern."

Doch reicht das alles aus? Volker Oppermanns Antwort ist eindeutig: "Der Mut fehlt." Der 53-Jährige engagiert sich bei Greenpeace. Zwar hält er jede dieser Maßnahmen für richtig, allerdings ist er sich sicher, dass sie nicht genug sind.

Vor allem kritisiert er scharf, dass die Stadt trotz allem zulässt, dass weitere Bäume gefällt und Natur bebaut wird.

Die Politik sei nicht ehrlich, kritisiert ein Aktivist. Und mutlos

Zum Beispiel am Eggarten, wo eine neue Wohnsiedlung entsteht und wo früher wilde Pflanzen und Bäume wucherten. Oder in Forst Kasten im Süd-Westen, wo ein Unternehmer seine Kiesgrube erweitern darf. Der Wald transportiert die kühle Luft in die Stadt hinein, erklärt Oppermann. Wenn er immer weiter von der Stadt wegrückt, führe das zu einer immer stärkeren Erhitzung.

Hier wird nur zweimal im Jahr gemäht: die Blühwiese an der Schleißheimer Straße.
Hier wird nur zweimal im Jahr gemäht: die Blühwiese an der Schleißheimer Straße. © Sigi Müller

Aus seiner Sicht müssten die Politiker ehrlicher mit den Menschen sein und ihnen klar machen, dass sie ihr Leben radikal umstellen müssen. Dazu gehört für den Umweltaktivisten, dass die Stadt Radwege und den öffentlichen Nahverkehr massiv ausbaut, dafür sorgt, dass auf jedem Münchner Dach Solarplatten liegen und dass Geothermie-Anlagen schnellstmöglich errichtet werden. "Jeden Cent, den die Stadt in andere Ziele steckt, als den Klimawandel aufzuhalten, muss sie hinterfragen", findet er.


Lesen Sie am Montag: Wie eine Forscherin CO2 aus der Luft holen will.

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