Münchens Brennpunkt: So lief die Groß-Razzia im Bahnhofsviertel
München - Eine junge Frau stützt sich auf ihre Gehhilfe. Ihre Beine sind merkwürdig verdreht. Der Anblick rührt jeden, der vorbeigeht. Aus Mitleid werfen Passanten ein paar Münzen in den Pappbecher, den die Frau in der Hand hält. Sie gehört zu den Elendsbettlern, die jeden Tag im Bahnhofsviertel unterwegs sind.
Doch etwas ist anders. Auffallend viele Polizisten sind am Donnerstagmorgen auf der Straße. Vor C&A kontrollieren vier Beamten ein paar junge Männer.
Zoll, Gewerbeaufsciht und Bundespolizei beteiligen sich an der Razzia
Das gefällt der Frau überhaupt nicht. Eilig räumt sie ihren Platz in der Nähe des Mathäser-Kinos. Wenig später sind auch die anderen Bettler verschwunden. Sie sind die Ersten, die begriffen haben, dass es kein guter Tag für sie wird.
Mehrere Hundert Beamte sind im Einsatz, Polizisten, Bundespolizisten, Zoll und Gewerbeaufsicht beteiligen sich an der Großrazzia. Von sieben Uhr morgens bis tief in die Nacht krempeln sie das komplette Viertel um – den Hauptbahnhof bis zum Königsplatz und auf der anderen Seite bis zum Nußbaumpark.
Restaurants, Cafés und Imbissbuden will die Gewerbeaufsicht prüfen. In der Landwehrstraße nimmt der Zoll Männer unter die Lupe, die früh am Arbeiterstrich stehen und auf einen Job hoffen.
Die Kontrolle spricht sich herum
Die groß angelegte Kontrolle spricht sich im Viertel schnell herum. Einige Obdachlose packen ihre Sachen und verkrümeln sich in den Alten Botanischen Garten. Kaum haben sie es sich auf einer Bank gemütlich gemacht, tauchen auch hier Polizisten auf, die die Papiere der Männer sehen wollen.
Auch die Junkies verschwinden blitzschnell. "Die haben mich erst gestern gefilzt", sagt Jakob (25), "aber nix bei mir gefunden." In der Schützenstraße, der Paul-Heyse-Straße, der Arnulfstraße – überall rund um den südlichen Teil des Hautpbahnhofs finden den ganzen Tag über Kontrollen statt.
Reisende und Pendler bekommen davon kaum etwas mit. "Mir sind nur die vielen Polizeiautos um den Bahnhof aufgefallen", sagt ein Ingenieur (35) aus Miesbach auf dem Weg in die Arbeit. "Wird Zeit, dass endlich mal etwas passiert", meint Ali (19). Er jobbt in einer der Dönerbuden und findet die Aktion klasse. Auch viele Geschäftsleute verfolgen mit einer Mischung aus Neugier und einer gewissen Befriedigung die Arbeit der Sicherheitskräfte.
Die Szene ist unruhig - viel passiert aber nicht
Mario ist Wachmann bei C&A. Er kennt sich aus mit den Problemen in der Gegend. "In den letzten fünf Jahren ist es immer schlimmer geworden", sagt er. Ein Kollege pflichtet ihm bei: "Die Kriminalität steigt, ich kann verstehen, dass sich viele Leute gerade abends nicht mehr sicher fühlen."
Die Szene reagiert auf den Kontrollmarathon verunsichert. Einige Männer, die am Bahnhofsplatz in Gruppen beieinanderstehen, ihr Bier trinken und sich unterhalten, ist es zu ungemütlich. "Ich hab nichts getan", mault einer. "Warum lassen die uns nicht einfach in Ruhe", beklagt sich Manuel (42).
Am Abend ist es ungewohnt ruhig. Die Kripo macht weiter. Beamte der Sitte kontrollieren Rotlicht-Bars. Etliche Damen, die am illegalen Straßenstrich auf Kunden warten, sind gar nicht erst zur Arbeit erschienen. "Die Razzia ist gut", sagt ein Kioskbetreiber, "doch der Effekt wird nicht lange anhalten. In ein paar Tagen ist alles wieder beim Alten."
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