München: Wolfgang Heckl über die Mobilität der Zukunft in der Stadt
München - Mehr autonomes Fahren, Grüne Welle für Fahrradfahrer: Experten erklären, wie München in Zukunft mobil gemacht werden kann. Heute spricht Wolfang Heckl, der Generaldirektor des Deutschen Museums.
Sein Abitur machte er mit dem Notendurchschnitt 0,8 und auch heute denkt Wolfgang Heckl noch gerne nach. Zum Beispiel über die Fragen, wie sich die Menschen in Zukunft durch München bewegen werden. Im AZ-Interview spricht er über Elektroautos, die Frage, ob München eine Citymaut braucht – und die Probleme des Anzugträgers bei der Verkehrsmittelwahl.
AZ: Herr Heckl, wie kommen Sie morgens zur Arbeit?
WOLFGANG HECKL: Ich muss zugeben – meistens mit dem Auto. In Anzug und Krawatte auf dem Radl strampeln ist einfach schwierig. In die Innenstadt fahre ich aber nur mit U-Bahn oder Tram.
Beides eine Frage der Mobilität. Was sind aus Ihrer Sicht wichtige Verkehrsthemen der nächsten Jahre?
Die Auseinandersetzungen um die Quadratmeter der öffentlichen Verkehrsfläche werden wohl noch zunehmen. Die Planungen gehen langsam voran, aber das ist nur Ausdruck davon, dass wir immer weniger Platz und immer mehr Zugriff haben. Natürlich kann nicht jeder mit dem Radl von Freising herfahren, aber weniger Platz braucht ein Fahrrad schon. Ein Riesenproblem ist auch der Durchfahrtsverkehr – Pendler die gar nicht nach München reinwollen.
Brauchen wir eine Citymaut wie London?
Das kann ich nicht beurteilen, aber man kann erwägen, ob das Teil einer Lösung ist. Wir brauchen intelligente Gesamtkonzepte und müssen uns anstrengen um Probeläufe zu machen und bei verschiedenen Ideen zu sehen: Bringt’s was? Wir müssen ein kostenloses ÖPNV-Ticket in Erwägung ziehen. Und dann ist da noch mein Lieblingsthema, das autonome Fahren.
Das wäre wohl zuerst für Schienenfahrzeuge denkbar.
Wir müssen an allen Stellschrauben drehen und auch über autonom befahrene Bus- und Autostrecken nachdenken. In München haben wir die entsprechenden Technologiefirmen, die Teststrecke auf der A9, wo die notwendige Sensorik getestet wird und Institute in den Unis.
Susanne Klatten hat gerade 30 Millionen Euro Investition für UnternehmerTUM zugesagt.
UnternehmerTUM ist ein Beispiel, wie wir das Problem von der universitären Seite behandeln und wo Start-ups entstehen können. Schön wäre es aber auch, wenn wir die Teststrecke ausweiten könnten über den Mittleren Ring bis hin zum Verkehrszentrum. Da steht übrigens das erste autonom fahrende Auto – ein vor 20 Jahren entwickelter Mercedes.
Die technologische Seite ist das eine – aber wie entlastet es den Verkehr, wenn die Autos alle selbst fahren?
Schon dadurch, dass es weniger Unfälle geben wird – da entstehen Riesenstaus. Ein autonom fahrender Lkw fährt im Gegensatz zu einem übermüdeten Fahrer nicht auf ein Stauende auf. Außerdem kann ich den Verkehr mit autonomen Fahrzeugen flüssiger machen und damit auch enger. Es ist mathematisch und mit Computersimulation nachgewiesen, dass ein einzelnes Bremsmanöver drei Kilometer weiter hinten ziehharmonikaartig einen Stau auslösen kann. Auch das autonome Fahren ist nicht die Antwort auf alle Fragen, aber ein nächster Schritt, den wir als Hightech-Stadt machen sollten.
Hightech-Stadt, Radlhauptstadt...
München ist wohl nicht die Radlhauptstadt. Aber ich rege die Studenten auch immer an, Sensoren für Fahrräder zu entwickeln, dass die zum Beispiel mit abbiegenden Lkw kommunizieren.
Fahrräder, die sich mit Lkw austauschen – klingt sehr futuristisch.
Das ist technisch machbar, es muss halt politisch gewollt sein. Klar kostet das Geld. Aber das Leid aus diesen Unfällen, wie zuletzt bei dem kleinen Kind an der Moosacher Straße wiegt das doch allemal auf.
Im Verkehrszentrum Ihres Museums gibt es je eine Abteilung zum Verkehr und ÖPNV in der Stadt und zur Mobilität der Zukunft. Ist für die Münchner nicht die Schnittmenge das Spannende?
Wenn man es vernünftig angeht, verbessert man das, was man hat. Eine Hilfe kann es sein zu schauen, was in der Science Fiction vorkommt. Da wurde schon vor bald 100 Jahren der Luftraum als Raum für den ÖPNV gesehen. Man muss es ausprobieren – im Tun merkt man, ob’s Schmarrn ist oder ob man etwas weiterverfolgen soll. Und dann kommt die Diskussion in der Gesellschaft über die Mobilität der Zukunft, da setzen wir ja auch mit dem Deutschen Museum an.
Ein anderes großes Thema ist die Elektromobilität.
Es gibt eine große Chance, die Umweltaspekte besser zu gestalten, indem man in den Innenstädten den Verbrennungsmotor durch E-Autos mit Brennstoffzellen ersetzt – nicht batteriebetriebene. Das sind Insellösungen, wenn es da nicht einen Durchbruch in der Leistung gibt. Der Verbrennungsmotor ist halt verdammt gut, was die Effizienz und die PS angeht. Aber wir haben jetzt die Umweltproblematik erkannt und da sind die Brennstoffzellen eine gute Lösung.
Allerdings stehe ich mit dem E-Auto genauso im Stau und muss einen Parkplatz suchen.
Natürlich, das muss man dann mit dem autonomen Fahren kombinieren und der beste Verkehr ist natürlich der, den ich vermeide – da sind wir wieder bei den Durchfahrern.
In München wird es in den nächsten Jahren eine massive Baustellensituation geben, hinzu kommt der Zuzug. Sollte man da nicht über eine Umverteilung der Verkehrsflächen nachdenken?
Natürlich sind autonome E-Autos keine Antwort auf die Verkehrsdichte. Da muss ich Verkehrsströme verändern. Aber auch U-Bahnen muss ich erstmal bauen. Darum sag ich ja auch: Kommt’s mit dem Rad ins Verkehrszentrum.
Dann muss man erstmal die Radwege bauen.
Klar und auch dafür braucht es Platz, die Fahrbahnen werden ja in der Regel nicht breiter. Langfristig dürfen wir den Verkehr nicht weiter ansteigen lassen – und sollten ihn vielleicht sogar reduzieren. Ein anderes Thema ist für mich noch der Hyperloop.
Zum Flughafen raus?
Oder nach Garmisch. Der Hyperloop ist eine unterirdische Rohrpost des ÖPNV. Ich kenne die Probleme damit, wie das der Evakuierung. Aber eine technische Revolution beginnt immer damit, dass alle sagen: "Das ist doch verrückt". Wir sollten das nicht immer alles den Amerikanern überlassen und mehr träumen.
Mit dem Stichwort träumen zurück zur Science Fiction: Welches Konzept würden sie daraus denn noch gerne sehen?
So wie wir uns nie vorstellen konnten, dass ich mit jemandem auf der anderen Seite des Atlantik kommunizieren kann, bis die Telekommunikation kam und ich inzwischen in Echtzeit ein Bild an meinen Kollegen in Neuseeland schicken kann, so könnten wir uns auch erhoffen, dass wir auch materielle Güter anders austauschen können als sie hin und herzu schleppen. Wenn man zum Beispiel nur den Bauplan an einen 3D-Drucker schicken muss. Das Bauteil muss dann auch nicht mehr im Verkehr transportieren.
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