München weiht sechs neue Erinnerungszeichen für NS-Opfer ein

In Ramersdorf werden vier neue Gedenkstätten für Opfer der Nazis eingeweiht, zwei weitere Gedenkveranstaltungen finden am Donnerstag statt.
von  Jan Krattiger
So sehen die Erinnerungszeichen aus, die seit 2018 gesetzt werden. Im Bild jenes für Lilli Rosenthal in der Theatinerstraße 7.
So sehen die Erinnerungszeichen aus, die seit 2018 gesetzt werden. Im Bild jenes für Lilli Rosenthal in der Theatinerstraße 7. © Imago/Wolfgang Maria Weber

München – Auf Initiative des Bezirksausschusses Ramersdorf-Perlach setzt die Stadt am Dienstagnachmittag vier neue Erinnerungszeichen an Münchnerinnen und Münchner, die von den Nazis ermordet wurden. An der Gedenkveranstaltung werden unter anderem Stadtrat Marian Offman (SPD) in Vertretung des Oberbürgermeisters und Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), teilnehmen.

Ella Stadler wurde im Herbst 1943 im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von den Nazis ermordet. Ihr Erinnerungszeichen wird in der Rimsinger Straße 15 gesetzt.
Ella Stadler wurde im Herbst 1943 im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von den Nazis ermordet. Ihr Erinnerungszeichen wird in der Rimsinger Straße 15 gesetzt. © Stadtarchiv

Vier neue Erinnerungszeichen für NS-Opfer in Ramersdorf

Die in Szczecin, Polen, geborene Ella Stadler wurde im Herbst 1943 im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet. Nachdem ihr Ehemann sich 1939 von ihr scheiden ließ, war sie der antisemitischen Verfolgung ausgeliefert und musste Zwangsarbeit leisten.

1942 lud sie die Gestapo vor, als sie ihre Kennkarte vorzeigen wollte, fiel ihr eine Fahrkarte für die Straßenbahn aus der Tasche – die Nazis haben Juden die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel verboten. Stadler wurde sofort verhaftet.

Ellen Selbiger wurde im November 1941 von SS-Einsatzgruppen erschossen. Ihr Erinnerungszeichen wird an der Rosenheimer Straße 126 gesetzt.
Ellen Selbiger wurde im November 1941 von SS-Einsatzgruppen erschossen. Ihr Erinnerungszeichen wird an der Rosenheimer Straße 126 gesetzt. © Stadtarchiv

Seit 1918 lebte die Berlinerin Ellen Selbiger in München. 1938 zwangen die Nazis sie wegen ihrer jüdischen Herkunft, in einer sogenannten "Judenwohnung" zu leben. Ende November 1941 hat die Gestapo sie nach Kaunas in Litauen deportiert, fünf Tage später haben SS-Einsatzgruppen sie erschossen.

Der Schwabinger Heinz Herszdörfer zog 1928 mit seiner Familie nach Berlin, 1932 konvertierte er zum protestantischen Glauben. 1933 ging er zurück nach München, 1936 wieder nach Berlin. Im September 1939 ermordete ihn die SS im KZ Sachsenhausen.

Elisabeth Stulpe, Tochter eines jüdischen Kaufmanns, heiratete 1924 einen evangelischen Diplomlandwirt und konvertierte 1934 zur evangelischen Religion. Sie starb im November 1936 in München.

Heinz Eschen und Walter Häbich: Zwei NS-Gegner erhalten Erinnerungszeichen

Für zwei NS-Gegner und Kommunisten setzt die Stadt am kommenden Donnerstag Erinnerungszeichen.

Der in Filehne im heutigen Polen geborene Heinz Eschen engagierte sich im Kommunistischen Jugendverband Deutschland (KJVD). Bei einer Demonstration gegen die NS-Regierung am 1. Februar 1933 schoss ihm ein Polizist in den Hals. Nach seiner Rede bei einer Demonstration am 12. Februar 1933 wurde er festgenommen, im Gefängnis von Wärtern fast zu Tode geprügelt und schließlich im November 1933 in das KZ Dachau gebracht. Ende Januar 1938 hat ihn die SS ermordet.

Walter Häbich war im Jahr 1928 KJVD-Vorsitzender, 1929 Mitglied des Zentralkomitees der KPD und ab Dezember 1930 Schriftleiter der "Neuen Zeitung" in München. Nach dem Verbot durch die Nazis betrieb er mit Gleichgesinnten ab Mai 1933 eine Untergrundredaktion im Priesterhaus der Asamkirche. Am 2. September 1933 wurde er verhaftet und in das KZ Dachau gebracht. Ein knappes Jahr später hat die SS ihn erschossen.

Die Gedenkveranstaltung für die vier Erinnerungszeichen in Ramersdorf findet am Dienstag um 14.30 Uhr in der Grundschule an der Führichstraße 53 statt.

Die Gedenkveranstaltung für Heinz Eschen und Walter Häbich findet am Donnerstag, 24. Oktober, um 13 Uhr im Stadtarchiv in der Winzererstraße 68 statt.

Das sind die Erinnerungszeichen

Seit 2018 werden in München Erinnerungszeichen in Form von Tafeln und Stelen an Orten angebracht, an denen Münchnerinnen und Münchner lebten, die zwischen 1933 und 1945 Opfer der Verfolgung durch die Nationalsozialisten wurden.

Darunter sind auch Erinnerungszeichen für Menschen, die fern ihrer Heimat in München ermordet wurden. Mit den Erinnerungszeichen will die Stadt den heute meist vergessenen Opfern des Nationalsozialismus einen Platz in der Stadtgesellschaft zurückgeben.

Die Zeichen hat der Münchner Designer Kilian Strauß entworfen. Sie sind aus gebürstetem Edelstahl gefertigt und vergoldet, entweder als Wandtafel an Fassaden oder als Stelen auf öffentlichem Grund.

Auf den Erinnerungszeichen sind per Laser Texte und – falls vorhanden – Bilder eingeschnitten. Die Oberfläche ist gelocht, so können die Informationen auch ertastet werden. Jeder kann ein Erinnerungszeichen beantragen. Mehr Informationen und eine Karte mit allen bisherigen Standorten finden Sie auf erinnerungszeichen.de.

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