München: Verfolgungsjagd am Isarring - Polizei gibt Warnschuss auf Mann ab

Großer Polizeieinsatz am Isarring: Ein Autofahrer widersetzt sich einer Kontrolle, baut einen Unfall und geht danach auf Beamte los. Später kommt raus, der Mann wurde bereits wegen Fahrlässiger Tötung verurteilt.
München - Mit halb herausgerissener Vorderachse steht der Dacia Duster quer auf der Straße. Der Mittlere Ring ist auf Höhe Tucherpark am Mittwochmorgen komplett gesperrt. Es wimmelt vor Polizisten. Minuten vorher ist ein Schuss gefallen. Die Beamten führen einen 66-Jährigen ab. Es ist das Ende einer dramatischen Verfolgungsjagd quer durch die halbe Stadt.
Mit einem ordentlichen Rausch im Gesicht kracht Herbert W. mit einem Dacia Duster am Mittwoch gegen 1.40 Uhr nachts in Haidhausen in einen Bauzaun. Nachbarn hören Lärm, rufen die Polizei.
Bis eine Streife in der Preysingstraße eintrifft, ist der dunkelblaue SUV verschwunden. Dafür liegt das Kennzeichen am Boden. Die Beamten machen eine Halterabfrage. Dabei kommt heraus, dass der Geländewagen einer Münchnerin gehört, die nicht weit weg vom Max-Weber-Platz wohnt.
Gegen 4 Uhr fährt eine Streife zu der Adresse. Zur Verwunderung der Polizisten steht der gesuchte Wagen vor dem Haus. Der Fahrer sitzt hinter dem Lenkrad. Er schläft friedlich.
Die Polizisten klopfen, bitten ihn, die Scheibe herunterzufahren. Herbert W. denkt gar nicht daran. Er startet den Motor und gibt Gas. Mit quietschenden Reifen jagt er davon durch die Orleans- in die Rosenheimer Straße. Doch dort steht bereits die Polizei. Die Fahrbahn ist gesperrt.
Der Rentner (66) reißt das Lenkrad herum. Er rast die Strecke zurück, fährt durch die Grillparzer- und Mühlbauerstraße, den Richard-Strauss-Tunnel über die Isar auf dem Mittleren Ring bis zum Tucherpark. Mehrere Polizeiautos sind dem Flüchtigen dicht auf den Fersen. Die Polizisten probieren nicht, den SUV mit Gewalt zu stoppen. "Wir versuchen in solchen Fällen, vor den Wagen zu kommen, ihn abzubremsen und schließlich den Fahrer dazu zu zwingen anzuhalten", erklärt Polizeisprecher Thomas Baumann die Taktik.
Gezielt rammt er ein Polizeiauto, um es von der Straße zu drängen
Doch Herbert W. lässt sich nicht ausbremsen. Er zieht rüber, versucht, einen der Streifenwagen nach links abzudrängen. Zweimal kracht er in die Seite des 3er BMW.
Der Dacia gerät dabei außer Kontrolle. Der SUV kracht gegen die Bordsteinkante. Die Wucht ist so groß, dass die Vorderachse des Wagens teilweise herausgerissen wird. Das Auto bleibt völlig demoliert liegen.
Weitere Streifen treffen ein. Sechs Beamte umstellen das Fahrzeug. "Steigen Sie aus!", fordert ein Polizist. Doch Herbert W. greift zum Handschuhfach. Er holt ein Taschenmesser heraus und bedroht damit die Beamten. "Lassen Sie das Messer fallen", schreit einer.
Ein Polizeiobermeister von der PI 25 zieht seine Waffe und schießt zur Warnung in die Luft. Kollegen zerschlagen Seitenscheiben und sprühen Pfefferspray ins Innere des Autos.
Herbert W. ist wie paralysiert, sieht nichts mehr, hustet, ringt nach Luft. Er steckt das Messer in den Gürtel. Die Polizisten zerren ihn aus dem Auto. Er wird zu Boden gebracht, gefesselt und abgeführt. Bei dem Einsatz werden drei Polizisten leicht verletzt.
Der 66-Jährige ist seit kurzem Rentner. Im August 2016 hat Herbert W. einen Unfall verursacht. Eine Radlerin kommt ums Leben (siehe Bericht unten). Sein Leben gerät völlig aus den Fugen. Er verliert seinen Job und immer mehr den Boden unter den Füßen.
Schuld sind der Alkohol und sein Temperament. Mehrmals zeigt ihn seine Frau wegen häuslicher Gewalt an. Wegen Fahrens unter Alkohol bekommt er Ärger mit der Polizei.
Schließlich verlässt ihn auch noch die Ehefrau. Sie erwirkt ein gerichtliches Kontaktverbot. Es gilt seit einer Woche. Er hat kein Zuhause. Damit er nicht auf der Straße schlafen muss, hat ihm seine Frau den Dacia Duster geliehen.
Er hat schon eine Frau totgefahren
Der gebürtige Münchner ist Berufskraftfahrer und viel unterwegs. Am 4. August 2016 fährt er in einem Laster durch Ebersberg. An der Kreuzung Münchner- und Josef-Brendle-Straße muss er anhalten. Er will abbiegen. Die Frau auf ihrem Rad rechts neben dem Lkw sieht er nicht. Sie steht im toten Winkel. Die Radlerin wird umgestoßen. Die Hinterräder des Lastwagens überrollen die 59-Jährige. Sie stirbt noch an der Unfallstelle.
Herbert W. muss sich wegen fahrlässiger Tötung vor dem Amtsgericht in Ebersberg verantworten. Der Richter verurteilt ihn zu einer Geldstrafe in Höhe von 3.000 Euro und zusätzlich einem Monat Fahrverbot.
Haftbefehl am Donnerstag erlassen
Mittlerweile sitzt der Rentner in der JVA in Stadelheim. Ein Ermittlungsrichter erließ gegen ihn am Donnerstag Haftbefehl. Nach der Amokfahrt vom Mittwoch droht Herbert W. Gefängnis. Der Vorwurf: Fahren unter Alkohol, Unfallflucht, Widerstand, Bedrohung und Körperverletzung.
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