München: Verdacht der Geldwäsche gegen René Benko – es geht um dreistellige Millionenbeträge

Millionengewinne, dubiose Geldflüsse, Steueroasen - Münchner Staatsanwälte und eine Soko in Wien ermitteln wegen Geldwäsche, Untreue und Betrugs gegen René Benko.
von  Nina Job
Zuerst hieß er Hertie, dann Karstadt: Der denkmalgeschützte Hermann-Tietz-Kaufhausbau am Bahnhofplatz steht zum Verkauf.
Zuerst hieß er Hertie, dann Karstadt: Der denkmalgeschützte Hermann-Tietz-Kaufhausbau am Bahnhofplatz steht zum Verkauf. © abz

München - Vom hofierten Immobilien-Guru zum mutmaßlichen Großbetrüger: Nun jagen Ermittler aus München und Wien René Benko. In Österreich ermittelt eine zehnköpfige Sonderkommission des Landeskriminalamts, die Beamten gehen Anzeigen wegen Untreue und Betrugs nach. Und auch in München haben sich Ermittler an die Arbeit gemacht, um Licht ins Dunkle zu bringen, inwieweit seine milliardenschweren Immobiliendeals alle legal waren. Am Mittwoch (13. März) bestätigte die Münchner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen, über die die AZ und andere Medien bereits berichtet hatten.

Die Tippgeber spüren sonst Geldflüssen von Terroristen nach

 Die Münchner Oberstaatsanwältin Anne Leiding teilte mit, dass Ende 2023 Geldwäscheverdachtsanzeigen bei der Staatsanwaltschaft München I eingegangen seien. "Wie üblich" hätten diese zur Eintragung eines Verfahrens geführt. "Dabei wird selbstverständlich der Sachverhalt umfassend in rechtlicher Hinsicht, also auch im Hinblick auf mögliche sonstige Straftaten geprüft", so Leiding weiter. Zuerst müssten die örtlichen Zuständigkeiten geklärt werden.

Zuerst hatte die "Bild am Sonntag" über den Verdacht der Geldwäsche gegen Benko berichtet. Demnach geht es um dreistellige Millionenbeträge aus mutmaßlichen Kreditbetrügereien in Deutschland. Über Benkos Firmenverflechtungen könnte Geld ins Ausland geschafft worden sein. Laut "Bams" hatte das deutsche Financial Intelligence Unit (FIU), eine Behörde des deutschen Bundesfinanzministeriums, Hinweise gegeben. Die FIU geht auffälligen Finanztransaktionen nach, die im Zusammenhang mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung stehen könnten.

Die AZ hat recherchiert, bei wem Benko und seine Signa Hunderte Millionen für Münchner Immobilien und Projekte locker machte. Auch die Bayerische Landesbank (BayernLB) ließ sich von René Benko einwickeln. Sie lieh dem "Wunderwuzzi" aus Tirol mindestens 426 Millionen Euro für Münchner Immobilien und Projekte. Das Geschäftsprinzip der Signa war: Immobilienwerte in die Höhe treiben –  unter anderem durch überhöhte Mieten. Dadurch gelang es ihr, höhere Kreditsummen zu besseren Konditionen bei den Banken und anderen Geldgebern auszuhandeln. Gleichzeitig sparte die Signa Steuern und Kosten, indem Immobilien teils über Gesellschaften im Steuerparadies Luxemburg verwaltet wurden oder dort gegründete Firmen Anteile hielten. Die Münchner Projekte im Einzelnen:

Karstadt Schützenstraße: Im Juni 2023 war Schluss

Ende Juni 2023 war für den Karstadt zwischen Hauptbahnhof und Stachus Schluss: Er musste  schließen  – die Folge der zweiten Insolvenz (es folgte später noch eine dritte). Bis dahin hatte Benkos Signa als Vermieter rund eine Million Euro Miete pro Monat von Galeria Karstadt Kaufhof für diese Filiale verlangt.
Seit 24. Februar 2022 war sowohl das Karstadt-Gebäude als auch der denkmalgeschützte Hertie am Bahnhofplatz – mitsamt der Gebäude dazwischen – Eigentum einer Signa-Tochter. Zuvor hatte sich die Signa noch das letzte fehlende Gebäude einverleibt: Das Haus, in dem die Familie Schröder jahrzehntelang als Mieter ihr Hotel Luitpold betrieben hatte. Vermieter und Eigentümer des Gebäudes  war die Immobiliengesellschaft von Hut Breiter. Sie verkaufte für einen zweistelligen Millionenbetrag an die "München Schützenstraße Immobilien GmbH & Co. KG.". Danach wurde die Signa-Gesellschaft umbenannt in die "Bahnhofplatz 7 Immobilien GmbH & Co. KG". Nur vier Monate nach dem Kauf des Gebäudes wechselte der Eigentümer innerhalb des verschachtelten Signa-Konzerns für das ganze Areal. 

Der frühere Karstadt zwischen Schützen- und Prielmayerstraße. Seit Juli 2023 steht er leer.
Der frühere Karstadt zwischen Schützen- und Prielmayerstraße. Seit Juli 2023 steht er leer. © Bernd Wackerbauer

Karstadt am Bahnhofplatz: 2018 und 2019 sind mehr als 25 Millionen Euro ins Fürstentum geflossen

Die Spuren von mehreren Firmen aus dem Benko-Imperium führen ins Steuerparadies Luxemburg. Aus Bilanzen geht hervor, dass allein 2018 und 2019 insgesamt mehr als 25 Millionen Euro durch Miete und Nebenkostenzahlungen vom Karstadt am Bahnhofplatz in München ins Fürstentum geflossen sind. Die Namen der Immobiliengesellschaften änderten sich mehrmals.

Im November 2021 hatte die "München, Bahnhofsplatz 7 Beteiligung S.à.r.l." laut Grundbucheintrag das denkmalgeschützte frühere Hermann-Tietz-Haus sowie weite Teile des 70er-Jahre-Baus für insgesamt 124,3 Millionen Euro gekauft. Die Gesellschaft erstellt ihre Jahresabschlüsse als "kleine Personenhandelsgesellschaft". Im Grundbuch sind folgende Grundschulden eingetragen: 450 Millionen für die Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale, 120 Millionen Euro für die Raiffeisen Bank International AG in Wien und 300 Millionen für die Landesbank Hessen-Thüringen. Wie viel von den Krediten in der Zwischenzeit zurückgezahlt wurde, geht aus den Zahlen nicht hervor. Am 30. Juni 2022 gehen die Immobilien offenbar an die beiden Gesellschaften "München Bahnhofsplatz Immobilien" und "München, Schützenstaße Immobilien" über – laut Grundbuch ohne Gegenleistung. Den Ermittlern könnte sich nun unter anderem die Frage stellen, wohin das Geld aus den Krediten geflossen ist.

Die Sanierungsmaßnahmen am denkmalgeschützten, früheren Hertie-/Karstadt-Gebäude wurden vergangenes Jahr gestoppt.
Die Sanierungsmaßnahmen am denkmalgeschützten, früheren Hertie-/Karstadt-Gebäude wurden vergangenes Jahr gestoppt. © Bernd Wackerbauer

Alte Akademie: Signa nutzt einen Share deal – BayernLB gibt einen Kredit von 371 Millionen Euro

Die Alte Akademie, das denkmalgeschützte Jesuitenkolleg aus dem 16. Jahrhundert ging vor reichlich zehn Jahren an die Signa: Mit notariellem Vertrag vom 17. Dezember 2013 erwarb die Signa-Tochter "München, Alte Akademie Immobilien GmbH & Co. KG" ein Erbbaurecht für 65 Jahre vom Freistaat. Der einmalige Kaufpreis damals: 230 Millionen Euro. Die Grunderwerbssteuer von 3,5 Prozent entging dem Freistaat, denn die Signa nutzte einen sogenannten Share deal: Rechtzeitig vor Abschluss des Erbpachtvertrags gründete sie noch eine Beteiligungsgesellschaft in Luxemburg. Die BayernLB gab den Signa-Gesellschaften auch noch einen satten Kredit über 371 Millionen Euro.

Ruht seit über einem Jahr: die Großbaustelle Alte Akademie.
Ruht seit über einem Jahr: die Großbaustelle Alte Akademie. © Daniel von Loeper

Galeria Rotkreuzplatz: Signa bietet das Gebäude zum Verkauf für 100 Millionen Euro an

2019 verkaufte die Kaufhof München Rotkreuzplatz GmbH (gehört zum Signa-Imperium) das Kaufhausgebäude am Rotkreuzplatz an die Signa-Tochter "München, Rotkreuzplatz Immobilien GmbH & Co. KG." Preis:  88,3 Millionen Euro. Auch für diesen Deal gab die BayernLB einen großzügigen Kredit: 55 Millionen Euro. Im Sommer 2023 versuchte die Signa die Immobilie am Rotkreuzplatz zu Geld zu machen und bot sie im Juli 2023 über einen Makler auf dem freien Markt zum Verkauf an. Preisvorstellung: 100 Millionen Euro. In einem Verkaufsexposé wurde die Immobilie mit 3,6 Millionen Euro garantierten Mieteinnahmen angepriesen. So viel musste die Galeria-Filiale zu diesem Zeitpunkt demnach an die Signa Miete zahlen.

Die Galeria-Filiale am Rotkreuzplatz gehört ebenfalls zum Signa-Portfolio und soll verkauft werden.
Die Galeria-Filiale am Rotkreuzplatz gehört ebenfalls zum Signa-Portfolio und soll verkauft werden. © Bernd Wackerbauer

Neuer Vermieter presst Oberpollinger aus: Mehr als zwei Millionen Euro Miete pro Monat

2011 wird die neu gegründete Münchner Signa-Tochter "KHM OP Neuhauser Straße"  Eigentümerin von Oberpollinger in der Neuhauser Straße. Sie zahlt 193,5 Millionen Euro. Die Kredite fließen reichlich: Die Iduna Vereinigte Lebensversicherung für Handwerk, Handel und Gewerbe macht 295 Millionen Euro locker, die Signal Iduna Lebensversicherung 100 Millionen Euro. Der neue Vermieter presst Oberpollinger aus: Mehr als zwei Millionen Euro Miete pro Monat muss er zahlen, das geht aus Jahresabschlüssen hervor.

Der Oberpollinger in der Neuhauser Straße ist insolvent. Über zwei Millionen Euro Miete verlangt die Signa - pro Monat.
Der Oberpollinger in der Neuhauser Straße ist insolvent. Über zwei Millionen Euro Miete verlangt die Signa - pro Monat. © Peter Kneffel/dpa

Ehemaliges Kaut-Bullinger-Haus: Seit Frühsommer 2023 zum Verkauf für 100 Millionen Euro

Im Mai 2021 kauft die Signa-Tochter "München, Rosenstraße 8 Immobilien GmbH" (Kommanditistin) das frühere Kaut-Bullinger-Gebäude in der Rosenstraße. Bis auf die Übernahme eines Bankdarlehens ist keine Gegenleistung vereinbart – im Grundbuch sind 70 Millionen Euro für die Deutsche Pfandbriefbank vermerkt. Zwei Jahre später, ab Juli 2023, bietet die Signa die Immobilie zusammen mit der Kaufhaus-Immobilie am Rotkreuzplatz für jeweils 100 Millionen Euro zum Verkauf an. Im März 2024 schnappt sich ein Münchner Rechtsanwalt und Projektentwickler das frühere Stammhaus von Kaut-Bullinger. 85 Millionen Euro soll er dafür gezahlt haben.   

Die Rosenstraße 8 in München gehörte ebenfalls zum Signa-Portfolio: In dem Gebäude hatte Kaut Bullinger jahrzehntelang einst seinen Flagshipstore hatte,
Die Rosenstraße 8 in München gehörte ebenfalls zum Signa-Portfolio: In dem Gebäude hatte Kaut Bullinger jahrzehntelang einst seinen Flagshipstore hatte, © Daniel von Loeper

Benkos Vermögen steckt in privaten Stiftungen

Wohin die Summen aus Benkos Immobiliendeals geflossen sind, werden nun also Ermittler prüfen. Er selbst hat in der zweiten Märzwoche einen Eigenantrag über sein gesamtes Privatvermögen und sein Beratungsunternehmen gestellt. Das Landesgericht Innsbruck hat ein Konkursverfahren eröffnet.

Doch viele gehen davon aus, dass Benko sein privates Vermögen längst in Sicherheit gebracht hat – indem er private Stiftungen gegründet hatte: für seine Frau, seine Mutter und seine Tochter.

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