München: U-Bahn-Krise scheucht das Rathaus auf

Stadt-Politiker fordern schonungslose Aufklärung und schnelle Konsequenzen. Die MVG kündigt "zahlreiche Baustellen" an. Nötig sei ein "finanzieller Kraftakt".
von  Emily Engels
So leer wie hier am U-Bahnhof Silberhornstraße ist es oft nicht auf den Bahnsteigen der MVG.
So leer wie hier am U-Bahnhof Silberhornstraße ist es oft nicht auf den Bahnsteigen der MVG. © Tobias Hase/dpa

München - Der AZ-Bericht über die bittere Bestandsaufnahme der MVG zum Zustand des U-Bahn-Systems hat am Freitag im Rathaus fraktionsübergreifend für Unruhe gesorgt.

Wie berichtet, hatte MVG-Chef Ingo Wortmann bei einer Aufsichtsratssitzung von großen Problemen in den Werkstätten, bei der Instandhaltung der Züge, beim Personalstand, den Gleisen und U-Bahn-Stationen berichtet. Im Aufsichtsrat fürchtet man, dass Investitionen von mehreren hundert Millionen Euro nötig werden.

MVG reagiert mit Stellungnahme auf AZ-Bericht

Die MVG bestätigte den AZ-Bericht am Freitag in den wesentlichen Punkten auch offiziell. Alle Schienen müssten aber sicher nicht ausgetauscht werden, betonte das Verkehrsunternehmen. Zudem widersprach man der Lesart vieler Aufsichtsräte, dass Wortmanns Kritik als eine Generalabrechnung mit seinem Vorgänger Herbert König zu verstehen sei. Wortmann habe "auf die Erfordernisse der Zukunft hinweisen wollen, nicht Entscheidungen seiner Vorgänger bewerten", hieß es.

Zugleich betonte die MVG selbst das Ausmaß der Probleme. "Nun geht es um die Grunderneuerung des Systems", hieß es explizit. Das werde "ein finanzieller Kraftakt – und mit zahlreichen Baustellen verbunden sein".

Pretzl von U-Bahn-Krise überrascht

Im Rathaus reagierten auf allen Ebenen Viele entsetzt. Er sei "sehr überrascht" vom Ausmaß der Probleme, sagte etwa Bürgermeister Manuel Pretzl (CSU) zur AZ. "Wir müssen das jetzt intensiv analysieren und mit der Geschäftsführung reden; ob sie das alleine stemmen kann, in welchem Zeitraum was hinzubekommen ist." Die Stadtwerke und auch die Stadt selbst stünden nun vor einer "erheblichen Herausforderung".

Pretzl sagte, die Stadtwerke hätten dem damaligen OB Christian Ude 2008 satte 500 Millionen Euro gegeben, "als Wahlkampfgeschenk, damit er seinen Haushalt in Ordnung bringen kann". Das Geld hätte man "in die U-Bahn stecken müssen!", sagte Pretzl. Er betont, dass die geplanten neuen Linien trotz der plötzlichen Investitionen in den Bestand notwendig seien.

In dieselbe Kerbe schlug am Freitag Michael Mattar, der Chef der Rathaus-FDP. Wortmanns Vorgänger Herbert König sei doch selbst Sozialdemokrat, sagte er. "Entsprechend eng verbunden war er mit der Rathaus-SPD." Dass Wortmann nun die Probleme offenlege, sei ein erster Schritt in Richtung Problemlösung. Jetzt müsse man aufpassen, dass man, während man den veralteten Bestand in den Griff bekomme, auf keinen Fall den weiteren Ausbau verschlafe.

Die Grünen-OB-Kandidatin Katrin Habenschaden äußerte sich "überrascht" über das Ausmaß der Probleme. Jetzt gehe es um eine "schonungslose Bestandsaufnahme und schnellstmögliche Beratung der Misere in den zuständigen Stadtratsgremien".

Aktion Münchner Fahrgäste spricht von "Sanierungsstau"

Etwas weniger dramatisch will das Ganze die SPD sehen. Hier betont man, wie viel Geld in den Amtsjahren von Dieter Reiter für den Ausbau des ÖPNV beschlossen wurde – etwa mit der "Ausbau-Offensive" von 5,5 Milliarden Euro, dem größten Programm dieser Art, das es je gab. SPD-Fraktionschef Alexander Reissl will keinen größeren Investitionsstau im U-Bahn-Netz sehen. "Es gibt ein paar Problemstellen", sagte er. "Aber man braucht jetzt nicht so zu tun, als sei die komplette U-Bahn Schrott und kaputt." Eine Ursache für die Probleme sei, dass die U-Bahn heute viel stärker beansprucht werde als früher. Die Züge würden schließlich inzwischen in viel engerem Takt fahren.

Die parteiunabhängige Aktion Münchner Fahrgäste hingegen spricht explizit von einem "Sanierungsstau" bei der U-Bahn. Sprecher Stefan Hofmeir fürchtet, dass sich die Situation noch verschärft. "Wenn ab Dezember die MVV-Tarifreform mit den verbilligten Zeitkarten kommt, wird es bei vielen Linien noch zusätzlich zu Überlastungen kommen", glaubt er.

Ingo Wortmann hatte auch betont, wie wichtig der zweite U-Bahn-Betriebshof in Neuperlach sei. Auch diese Planungen würden aber viel zu langsam laufen, sagte Hofmeir. Der MVG-Chef hat offenbar eine Debatte ausgelöst, die noch lange nicht zu Ende ist.

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