München trauert: Die Opfer von Todesflug AF 447

MÜNCHEN - Der Münchner Nikolaus B. trauert um seine große Liebe Valnizia B. (44). Die Eltern von Ines G. (31) warteten vergeblich am Flughafen. Beide Frauen kehrt von ihrer Brasilienreise nicht nach Hause zurück. Sie saß in der Unglücksmaschine der Air France.
Nikolaus B. (44) ist allein mit seiner Trauer. Er will es so. Der Münchner IT-Berater hat seine Frau Valnizia (44) verloren. Sie war an Bord der Air France 447, die im Atlantik versank. Freunde rufen in seiner Bogenhausener Wohnung an, sie wollen ihm beistehen – er weist sie sanft ab. „Ich muss mich jetzt sammeln“, sagt er der AZ.
So geht es auch den Eltern von Ines G. Die 31-Jährige flog vor zwei Wochen nach Rio, wo ihr Bruder lebt. Die Verkaufsmanagerin vom Hotel „Bayerischer Hof“ feierte noch am Samstag ihren 31. Geburtstag. „Wir haben sie noch angerufen und ihr gratuliert“, sagt Ines’ Mutter. „Sie war so glücklich. Am Pfingstmontag standen wir dann am Flughafen, um sie abzuholen...“
„Meine Frau würde nicht ankommen. Das wusste ich.“
Zum Terminal fuhr Nikolaus B. nicht mehr, um seine Valnizia abzuholen: Gegen 11.30 Uhr suchte er im Teletext die Ankunftszeit des Flugzeugs. 14.25 Uhr steht da. Dann sieht er die Meldung: Die Air France-Maschine von Rio de Janeiro nach Paris wird vermisst. Nikolaus B. ruft am Flughafen an, hinterlässt seine Daten. Danach wählt er eine Notrufnummer, gibt Namen und Rückrufnummer an. Und wartet. Zehn Stunden lang. „Meine Frau würde nicht ankommen. Das wusste ich.“ Um 22 Uhr klingelt das Telefon, Nikolaus B. hört, was er nicht zu hören hoffte: Seine Frau war an Bord der AF 447.
Valnizia B. lernte er vor neun Jahren in München kennen. Ein Jahr später heirateten sie. „Es war der 17. August 2001“, sagt Nikolaus B. Vor drei Wochen flog „Vania“, wie er seine Frau liebevoll nennt, nach Rio. Dort lebt ihr Sohn (21) aus erster Ehe bei der Großmutter im Stadtteil Tijuaca. Valnizia verbrachte endlich wieder Zeit mit ihrer Familie, ihren Freunden. Es sollte das letzte Mal sein. Ihr Bruder Valdemilson Silva de Oliveira (42) sagte brasilianischen Zeitungen: „Ich fühle mich sehr schlecht. Ich habe sie am Samstag das letzte Mal in meinem Leben gesehen. Sie hat sich auf ihre Familie gefreut.“ Nikolaus B. telefoniert so oft es geht mit Vanias Sohn in Brasilien. Sie sprechen über Vania. „Sie war eine wunderbare, überaus hübsche, ehrliche und liebe Frau. Sie hat die letzten neun Jahre zu den schönsten meines Lebens gemacht.“
Valnizia B. und Ines G. sind nicht die einzigen Passagiere, die vermisst werden: Laut Bayerischem Innenministerium wollten 11 der 26 deutschen Passagiere nach Stuttgart, neun nach Bayern, sechs nach Berlin. Fünf Männer und drei Frauen hatten München als Ziel, davon sind drei allein reisende Münchner, einer wollte weiter nach Sachsen. Auch Ralf K. hatte einen Transfer gebucht – nach Nürnberg. Er soll für Siemens arbeiten.
Nach der Berlinreise wollte Harald W. seine Freundin Helen heiraten
Unter den Opfern ist auch die fünfköpfige Familie E. aus Fellbach in Baden-Württemberg: Rolf und Hannelore, die Töchter Regine und Carmen und die zweijährige Enkelin.
Nach Berlin wollte Harald W. (44). Um Familien-Unterlagen zu besorgen, damit er seine brasilianische Freundin Helen heiraten konnte. Sie brachte ihren Verlobten an den Flughafen – Stunden später rief die brasilianische Luftfahrtbehörde bei Helen an. „Es war schrecklich. Sie wollten wissen, ob mein Zukünftiger in der Maschine war. Ich konnte es nur bestätigen.“ Nach Berlin wollte auch der Potsdamer Star-Architekt Moritz Kock (54). Er hatte Architekten-Legende Oscar Niemeyer (101) in Rio besucht, um einen Entwurf für ein Freizeitbad zu besprechen. Auch an Bord: Ingenieur Claus H. (28) aus Werne und der Hamburger Jurastudent Alex C.
Auch die Stuttgarter Musical-Sängerin Juliana de Aquino saß in der Maschine
Die Stuttgarterin Juliana de Aquino (29) hatte ihre Familie besucht. Ihre Agentin Janet Tyler (55) sagte dem Express: „Ich bin unendlich traurig." Seit sechs Jahren lebt de Aquino in Deutschland, stand aktuell in „Wicked“ in Stuttgart auf der Bühne. Tyler: „Vor ein paar Tagen schrieb sie mir, sie fühle sich fantastisch, doch sie war auch in Sorge. Sie hatte Flugangst.“
In Brasilien trauert der Adel: Prinz Pedro Luis de Orleans e Braganca (26), Nachkomme des letzten brasilianischen Kaisers, war an Bord. Zehn Franzosen hatten die Reise nach Brasilien im Preisausschreiben gewonnen – für neun weitere endete ein Betriebsausflug tödlich: Die Männer zwischen 25 und 35 hatten die Reise vom Chef geschenkt bekommen – für besonders gute Leistungen.
Thomas Gautier/ Anne Kathrin Koophamel