München: Tatort in der Synagoge
Der nächste ARD-Sonntags-Krimi handelt von einem Mord in Münchens jüdischer Gesellschaft. Ein Jude hat ihn geschrieben. Er verdeutlicht darin, wie heikel der Umgang mit so einem Thema ist
MÜNCHEN - Als Schauspieler Udo Wachtveitl bei den Dreharbeiten das erste Mal die Synagoge betrat, sagte er: „Grüß Gott!“ Danach kam sofort das Stutzen: „Ich dachte, oh je, welchen Gott denn? Darf ich das überhaupt sagten?“ Insofern sei auch er befangen gewesen. So wie sein Tatort-Kommissar Franz Leitmayr, der am Sonntag (ARD, 20.15 Uhr) im Münchner Tatort „Ein ganz normaler Fall“ in der jüdischen Gemeinde ermittelt.
Doch dass es eben kein solcher ist, ist schon daran sichtbar, dass der Film am Montagabend in einem ganz besonderen Umfeld vorab gezeigt und diskutiert wurde. Er lief im jüdischen Gemeindezentrum. Es diskutierten – neben den Schauspielern – Charlotte Knobloch (Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde), Michael Brenner, (er lehrt Jüdische Geschichte und Kultur an der LMU) und Andreas Bönte (BR).
Amelie Fried, deren Vater ein zum Christentum konvertierter Jude war und die viele Verwandte im Holocaust verloren hat, hatte sich als Moderatorin gewinnen lassen. Für den Krimi bekam der BR eine Drehgenehmigung in der Synagoge – eine absolute Seltenheit. „Das war eine gute Gelegenheit zu zeigen, dass wir ein offenes Haus sind“, sagt Charlotte Knobloch. Allerdings, so gibt Knobloch zu, „war es mir schon manchmal etwas schummrig, ob das alles so funktioniert. Aber es hat funktioniert, der Film ist gelungen.“
Das Mordopfer ist ein Jude, dem es nicht passte, dass seine Tochter sich in der Gemeinde so wohl gefühlt hat. Zu den Verdächtigen gehört unter anderem der Rabbi. Der eigentliche Kern des Films ist aber der Umgang mit dem Thema bei jenen Deutschen, die alles richtig machen wollen, aber das Wort Jude nicht aussprechen können oder wollen. „Ich bin kein jüdischer Mitbürger, ich bin auch kein Münchner mit jüdischen Wurzeln. Ich bin Jude“, sagt Daniel Wolf, der das Drehbuch zusammen mit dem Nicht-Juden Rochus Hahn geschrieben hat.
Charlotte Knobloch sieht das nicht ganz so: „Dann bin ich auch verkrampft. Ich spreche lieber von jüdischen Menschen. Für mich ist das Wort Jude das, was es früher war: ein Schimpfwort.“ So scheint die Unsicherheit, die viele spüren, nicht unberechtigt. Michael Brenner (LMU) sagt: „Beim Thema Judentum stehen überall Fettnäpfchen.“ Genau das versucht der Film zu karikieren.
So geraten die Ermittlungen für die beiden Kommissare – den gebürtigen Münchner Leitmayr, der beim Schulausflug nach Dachau krank war, und dem Kroaten Batic, der sich in München längst nicht immer daheim gefühlt hat – zu einem Eiertanz der politischen Korrektheit. „Natürlich ist der Film etwas Besonderes“, sagt Andreas Bönte (BR). „Aber er ist auch ein Schritt in Richtung Normalität.“