München: Warum Studenten ihre Tennisplätze am Englischen Garten verlieren
München - Ganz schön sauer sind die Studenten Jonas (20), Katharina (25) und Tom (21), wie sie da am Dienstagmittag zusammen mit Linke-Stadtrat Thomas Lechner auf dem Rathausbalkon über dem Marienplatz stehen. Es hat sich viel Frust angestaut. "Das fühlt sich alles ungerecht an", sagt Katharina, und Tom meint: "Wir haben das Gefühl, dass wir irgendwie abgehängt werden."

Tennis für 50 Euro pro Semester
Es geht um ihre fünf Tennisplätze im Nordteil des Englischen Gartens, die die Studentenstadt-Bewohner bislang als Mitglieder des Sportvereins Studentenstadt Freimann (SVSF) für schmales Geld nutzen dürfen: 50 Euro kostet die Vereinsmitgliedschaft pro Uni-Semester. Je nach Tageszeit zahlt jeder noch 50 Cent bis einen Euro pro Spielstunde auf dem Platz. Die fünf Plätze seien "von früh bis abends geöffnet und bei gutem Wetter oft alle belegt", sagt Katharina. Rund 150 junge Leute würden die Vereinsplätze nutzen. "Vor allem am Wochenende und täglich in den Hauptspielzeiten nach den Vorlesungen spätnachmittags und am frühen Abend."
Studierende verlieren ihre Tennisplätze an den Nachbarn
Aber damit wird es zum Ende dieses Sommers vorbei sein. Der Freistaat hat ihre fünf Plätze ab August dem benachbarten Traditions- und Profi-Tennisclub MTTC Iphitos (1500 Mitglieder, 1760 Euro Aufnahmegebühr) zugeschlagen. Auf dessen Gelände findet alljährlich im Frühling eine Woche lang das internationale Tennisturnier BMW Open statt – wie ab kommenden Samstag wieder. Und weil die Welt-Profispieler-Vereinigung ATP es vom 250er- zum 500er-Turnier aufgewertet hat (wo mehr Weltranglistenpunkte und mehr Preisgeld zu gewinnen sind, mehr Tennis-Stars auflaufen und viel mehr Zuschauer kommen), rüstet der MTTC Iphitos seine Anlage auf.

Übergangs-Tribünen für 6000 Fans
Gerade entsteht für die aktuelle BMW Open vor dem Klubhaus eine temporäre Übergangslösung mit 14 Meter hohen Stahlrohr-Tribünen für 6000 Zuschauer und 40 Logen (der alte Center Court bietet nur Platz für 4000 Fans). Dieser Umbau betrifft die benachbarten Studenten noch nicht, das Interim liegt auf dem eigenen MTTC-Gelände. Aber ab kommendem Jahr wird das anders. Denn bis Anfang 2028 will der Klub für das Weltklasse-Turnier einen ganz neuen Center Court mit variablem Dach bauen, in den dann rund 7500 Zuschauer passen. Und zwar genau auf der angrenzenden Fläche südlich vom bisherigen Hauptstadion, auf der die Freimanner Studierenden bislang Vereinstennis spielen.
8,6 Millionen zahlt die Stadt zum Tennis-Tempel dazu
Was die betroffenen Studentinnen und Studenten und auch die Linke im Stadtrat aufbringt: Von den 25 bis 30 Millionen Euro, die der künftige Münchner Tennis-Tempel kosten soll, zahlt die Hälfte der Freistaat. Aber auch die Stadt München wird 8,6 Millionen Euro in das Prestigeobjekt stecken – der Großteil stammt aus einem Topf, der eigentlich für Wohnungsbau vorgesehen war.
"Der Stadtrat ist überrumpelt worden"
OB Dieter Reiter (SPD) hatte sich für das neue Tennisstadion eingesetzt, damit Spitzentennis in München eine Bühne hat und Fans (auch als Touristen) in die Stadt lockt. Auch die Grünen stimmten zu – allerdings nicht ohne Bauchgrimmen. "Der Stadtrat ist überrumpelt worden", kritisiert Stadtrat Thomas Lechner.
"Sorge, dass unser Verein zerschlagen wird"
Denn die Stadt fördert normalerweise keine Profis, sondern nur Hobby-Sportler. "Dass wir mitten in einer Haushaltskrise als Stadt die künftigen Gewinne eines elitären Tennisclubs mitfinanzieren und dafür Tennisplätze eines benachbarten Vereins vernichten, ist unverständlich", sagt Lechner. "Und das auch noch über die Köpfe der Beteiligten hinweg." Student Jonas sagt, er finde "Profitennis super, aber problematisch, wenn Breitensport dafür weichen muss. Wir haben wirklich die Sorge, dass unser Verein jetzt vollständig zerschlagen wird."
"Könnte mir keine Mitgliedschaft leisten"
Immerhin, der angrenzende Waldkindergarten Kallamatsch mit über 30 Kindern, der ebenfalls sein Gelände räumen muss, bekommt wohl von der Stadt ein Ausweichquartier. Aber was wird aus den Tennis spielenden Studentinnen und Studenten in Freimann? Der MTTC Iphitos hat angekündigt, sie künftig auf dem eigenen Gelände spielen zu lassen. Dass das klappt, glauben Jonas, Katharina und Tom allerdings nicht. "Deren Plätze sind doch ohne uns jetzt schon voll", meint Jonas, "sie wären doch doof, wenn sie uns für 50 Euro im Semester weiterspielen lassen würden." Er jedenfalls, gerade mal im sechsten Semester seines Physikstudiums, habe noch kein hohes Einkommen. "Ich kann mir eine vollwertige Mitgliedschaft dort nicht leisten."
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