München: Schäffler wollen nach Corona-Krise wieder tanzen

Die Schäffler haben einen außerplanmäßigen Auftritt geplant, um das Ende der Krisenzeit zu feiern. "Die Menschen werden dann von ganz alleine aus den Häusern kommen."
Annette Baronikians |
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München - Noch arbeitet Wilhelm Schmid fleißig an der Herstellung neuer Holzfässer – doch am liebsten möchte er tanzen. So schnell wie möglich!

Schließlich ist der 63-jährige Münchner nicht nur Fassmacher, auch Schäffler genannt: Willi Schmid ist auch Erster Vorsitzender im "Fachverein der Schäffler München", und die haben jetzt beschlossen, mit ihrer Tradition zu brechen.

"Eigentlich tanzen wir ja nur alle sieben Jahre, doch das ändern wir", sagt Schmid der AZ: "Sobald es Corona zulässt, werden wir in Abstimmung mit der Stadt ein Zeichen setzen und auf öffentlichen Plätzen wie dem Marienplatz auftreten."

Nach Corona: Schäffler wollen "freudiges Leben" einläuten

Damit wollen die Schäffler "das freudige Leben" wieder einläuten, wie Willi Schmid sagt: "Bis dahin, so fürchte ich, wird es aber noch einige Zeit dauern." Daher sein Appell an die Münchnerinnen und Münchner: "Bitte bleibt derzeit daheim und habt Geduld. Wir versprechen euch, wir kommen und werden tanzen – auch gemeinsam." So wie dereinst, als mutige Schäffler-Burschen die Münchner Bevölkerung nach überstandener Pest-Epidemie mit (Zunft-)Tanz und Musik wieder hinaus ins Freie gelockt haben.

Zurückgehen soll dieses aufmunternde Auftreten der Schäffler bis ins Jahr 1517. So will es die Legende. Fachleute haben ihre Zweifel. "Glaubhafte Belege, dass es 1517 in München überhaupt eine Pest-Epidemie gab, haben wir nicht", sagt Norbert Göttler, Heimatpfleger des Bezirks Oberbayern.

In den Archiven der Stadt München werde der Schäfflertanz als solcher zum ersten Mal 1702 erwähnt. Seit 1760 werde er alle sieben Jahre zur Faschingszeit aufgeführt. Das sei belegt.

Warum der siebenjährige Turnus? Angeblich, weil die Pest alle sieben Jahre zurückkam und die Sieben als Glückszahl gilt.

Keine Nachwuchssorgen im Schäffler-Verein

Fakt ist: Bis heute erfreut sich der Schäfflertanz großer Beliebtheit – und wenngleich Willi Schmid in Laim die letzte noch bestehende Fassfabrik der Region betreibt, so gibt es dennoch keine Nachwuchssorgen im Schäffler-Verein.

Zu jedem Auftritt gehören je 20 Tänzer, zwei Reifenschwinger, ein Fähnrich und zwei Kasperl, die die Zuschauer mit einem Kohlestrich auf Nase oder Stirn bemalen.

"Da sind bei uns in einem hohen einstelligen Bereich immer noch echte Schäffler dabei", erzählt Willi Schmid. Und was machen die anderen, wenn sie nicht in ihrer traditionsreichen Tracht mit grüner Kappe, roter Jacke, Lederschurz und schwarzen Kniebundhosen tanzen? Schmid lacht und sagt: "Bei unseren Mitgliedern ist alles dabei – vom Bänker bis zum Hausmeister."

Schäffler-Auftritt noch nicht planbar

Was die Musik des Schäfflertanzes anbelangt, so habe sich diese dem Zeitgeist und den in der jeweiligen Zeit vorhandenen Instrumenten angepasst, so Volksmusikpfleger Ernst Schusser zur AZ: "Was wir heute hören, ist in der Regel die 1886 vom Königlichen Musikmeister Johann Wilhelm Siebenkäs komponierte Melodie." Der vielleicht bekannteste Text zum Schäfflertanz handelt vom Wetter in der üblichen Aufführungszeit: "Aber heut is kalt, aber heut is kalt, aber heut is sappramentisch kalt!"

Bei welchem Wetter, in welcher Jahreszeit die Schäffler wohl 2020 außerplanmäßig auftreten werden? Das kann noch niemand sagen. "Anders als damals nach der Pest werden wir die Menschen nach Corona aber nicht aus den Häusern locken müssen", prophezeit Schmid: "Die kommen ganz von allein und tanzen mit."

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