München-Peking und zurück

Die Wittelsbacher hatten ein großes Faible für China. Das dabei wesentlich mehr herausgekommen ist als der Chinesische Turm in Englischen Garten, kann man jetzt im Bayerischen Nationalmuseum zu sehen.
Humtata und Dschingderassabum! Hören Sie mal genau hin, klingt das nicht schon nach einer bayerisch-chinesischen Allianz? Tatsächlich bekommt man diese Verbindung an keinem Ort schöner vor Augen und Ohren geführt als im Englischen Garten am Chinesischen Turm. Weshalb? Weil hier, rund um die bajuwarisierte Pagode, mit Bier und Blasmusik eine urbayerische Tradition gepflegt wird. Und sich – quasi als Wiederbelebung des alten Kulturtransfers – neuerdings sogar chinesische Touristen in die weißblaue Gemütlichkeit verirren. Was gut passt: Schon seit über 400 Jahren gibt es zwischen Bayern und China ganz erstaunliche Beziehungen, über die ab Donnerstag eine außergewöhnliche Ausstellung im Bayerischen Nationalmuseum (BNM) informiert.
Auch der Blaue Kurfürst hatte Lust auf Lack
Endlich, möchte man sagen. Denn dass die bayerischen Bande ins Reich der Mitte von echter Kontinuität bestimmt waren und nicht der üblichen Chinoiserien-Mode des 18.Jahrhunderts entsprangen, wissen die wenigsten. Natürlich hatte auch der Blaue Kurfürst Lust auf das eine oder andere Lackkästchen, auf Tapeten aus Fernost und feines Porzellan. Aber Max Emanuel war eben nicht der erste asiatophile Wittelsbacher – auch wenn er München die aufregendsten „China-Kracher“ beschert hat. Man tut also gut daran, auch einen Blick nach Nymphenburg zu werfen – die Schlösser- und Seenverwaltung ist an der BNM-Schau beteiligt –, etwa in die von Joseph Effner erbaute Pagodenburg, wo allerlei „Indianisches“, wie es damals oft noch hieß, zu finden ist.
Den Salon zieren chinesische Malereien auf Papier, Wände und Türen sind außerdem in edlem Lack gehalten, auf dem exotische Motive aufgebracht wurden. Und auch die China-Tapeten-Collage in der nur wenige Schritte entfernten Badenburg bringt mit Alltagsszenen, Pflanzen, Vögeln und Schmetterlingen fernöstliches Flair in das Schlösschen, das – wie der Name schon sagt – kurfürstlichen Säuberungs- und Wellnessfreuden diente.
Bekannt, weil besonders amüsant, sind die Äffchen in menschlicher Kostümierung, im Schlafzimmer geht’s dann mit einem Mandarin auf Falkenjagd. Überhaupt offenbart sich gerade im Detail viel Interessantes – im Rahmenprogramm der China-Schau werden entsprechende Führungen angeboten.
Selbst der Kini träumte noch von einem China-Palast
Natürlich durfte auch in der Residenz Asiatisches nicht fehlen. François Cuvilliés legte sich ab 1730 im Spiegelkabinett der Reichen Zimmer ganz à la mode ins Zeug. Gut hundert Jahre später erwarb LudwigI. die prächtige China-Sammlung des Kaufmanns und Abenteurers Onorato Martucci. Der König wollte damit ein Museum der Weltkulturen errichten, und selbst sein Enkel, der Kini, träumte noch von einem China-Palast. Der jedoch nicht realisiert wurde.
Los ging’s mit dem Wittelsbacher Faible für das Reich der Mitte übrigens schon unter Herzog Albrecht V. im 16. Jahrhundert. Der ließ für seine Kunstkammer „selzame unnd hir Landds frembden Sachen“ zusammen tragen, sprich: Exotika aus aller Herren Länder. Hauptsache kurios lautete das Motto solcher Sammlungen, die letztlich die Vorläufer unserer heutigen Museen sind. Just ein solches Wunderkabinett wurde nach originalem Inventarbuch im Nationalmuseum zusammengestellt. Mit Rhinozeroshorn.
Wie es sich für einen echten Austausch gehört, ging natürlich auch Bayerisches nach China. Nicht ohne Hintergedanken, denn die allseits findigen Jesuiten wollten auch im fernen Osten missionieren, da war es gut, mit blendenden Gastgeschenken am kaiserlichen Hof zu erscheinen. Die Chinesen wiederum waren an den astronomischen Kenntnissen der Europäer interessiert. Nur deshalb konnte der Landsberger Jesuit Ignaz Kögler in höchste Ämter aufsteigen: Er wurde Chef der Sternwarte wie des astronomischen Amtes in Peking und genoss als „Mandarin 2. Klasse“ das Vertrauen von Kaiser Qianlong.
Ganz ohne Überzeugungseifer zog es schließlich Prinz Rupprecht 1902 nach Ostasien. Seine Reiseberichte sind heute noch lesenswert, und man spürt, dass ein geschultes Auge unterwegs war. Denn Rupprecht ließ sich nicht von billigen Exportwaren beeindrucken, er war auf der Suche nach Qualität, nach prächtigen Cloisonné-Vasen oder alten Kultgegenständen.
Was heute im Völkerkundemuseum, unserer letzten Münchner „China-Station“, hängt und steht, ist natürlich auch an die Prinzregentenstraße gewandert. Ach ja, Rupprecht reiste übrigens stilecht, mit tiefroten Visitenkarten, auf die sein Name in chinesischen Schriftzeichen geschrieben war.
Christa Sigg
„Die Wittelsbacher und das Reich der Mitte“, 26.3. bis 26.7. im Bayerischen Nationalmuseum, Prinzregentenstraße 3, Di. bis So. von 10 bis 17, Do. bis 20 Uhr; Pagoden- und Badenburg im Schlosspark Nymphenburg, 1.4. bis 15.10. täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet