München nach der Wahl: Schwer wie nie
Es ist eine Pointe dieser München-Wahl, dass ihr umstrittenster und meistbelächelter Slogan am Ende wohl nur für dessen Absender gilt. „Damit München München bleibt“ – diese scheinbar sinnfreie Parole hat SPD-Kandidat Dieter Reiter hundertfach in der Stadt plakatieren lassen. Dafür wurde er als roter Sachstandsverwalter ohne Mut und Visionen verspottet. Und jetzt?
Wird dieser Dieter Reiter im Stechen in zwei Wochen ziemlich sicher Oberbürgermeister. München bleibt München: regiert von einem Roten. Die aufreibende Extrarunde durch die Stichwahl gibt Reiter schon mal einen Vorgeschmack darauf, wie schwer es ist, einem 20-Jahre-und-60-Prozent-Ude nachzufolgen.
Reiter, ein Verwaltungsexperte ohne angeborenen Stallgeruch, weiß selbst, dass er an Format zulegen muss. Das neue Amt gibt ihm die Chance dazu. Dass er das Potenzial hat, sie zu nutzen und sich zu steigern, hat er in zwei Jahren des Wahlkampfs bewiesen.
Deswegen – nur deswegen! – darf sich Reiter ein kleines bisschen als Sieger fühlen. Denn der künftige Stadt-Regent ist auch ein Wahl-Verlierer. Seine SPD ist nicht mehr die stärkste Partei im Stadtrat – mit dieser Gewissheit sind Reiter und die Roten gestern schon schlafen gegangen. Heute werden sie mit schweißnassen Händen auf die weitere Auszählung schauen müssen. Und darauf, ob und mit wem sie eine Mehrheit bilden können.
Alles ist vage und sicher nur eines: Regieren war für die SPD in München noch nie so schwer wie jetzt. Dafür hat CSU-Kandidat Josef Schmid gesorgt. Er hat in diesem Wahlkampf vieles, wenn nicht alles richtig gemacht. Der Einzug in die Stichwahl und die Stimmenhoheit der CSU im Stadtrat sind seine verdiente Belohnung. Schmid hat die CSU urbanisiert, er hat sie quasi stadtfein und in München (wieder) wählbar gemacht für Menschen, die das jahrelang undenkbar fanden.
Plötzlich sind kaum noch Mehrheiten möglich – dafür aber einige, die niemand so richtig für möglich gehalten hat. Sogar eine Große Koalition der Stichwahl-Kontrahenten gerät zur Option. Im monatelangen Wahlkampf sind sich Reiter und Schmid oft begegnet. Immer freundlich, oft einig in Sachfragen – wirklichen Streit gab es selten. OB Reiter, Bürgermeister Schmid, Schwarz-Rot – undenkbar?
Zumindest diskutieren müssen sie nun darüber. Die Alternative für den roten Regenten ist ja ähnlich anstrengend. Das rot-grüne Bündnis, in dem es in den letzten Monaten ohnehin geknirscht hat, ist angesichts der Zahlen von gestern Abend nicht fortsetzungsfähig.
Selbst wenn sich das Bündnis unter Zuhilfenahme von Rosa Liste, den ungeliebten Linken oder der Wählergruppe Hut fortsetzen ließe: Auf Reiter und die SPD kommen heftige Zeiten zu.
Die grüne Spitzenkandidatin Sabine Nallinger, die Reiter in der Stichwahl auf den OB-Sessel hievt, will sich in einer solchen Koalition gewiss nicht mit einem Monatzeder-Pöstchen als Dritte Bürgermeisterin abspeisen lassen.
München mag zwar München bleiben. Aber einfacher ist es nicht geworden.
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