"Denke nicht, dass es noch ein Zurück gibt": München testet neues Abfall-System – mit Hindernissen

München - Das Chaos, das Gerhard Fenzl an der Wertstoffinsel wenige Meter von seinem Haus entfernt oft beobachten musste, ist weg. Noch vor wenigen Wochen, so erzählt er, stapelten sich hier Säcke voller Plastikmüll neben überfüllten Containern. Anfang Februar wurden die großen Behälter abgebaut, nur die für Glas und Altkleider sind noch zu finden. Ihren Plastikmüll können die Allacher hier nicht mehr entsorgen. Dafür hat Fenzl jetzt in seinem Vorgarten, zwischen Rasen und Blumenbeet, die Gelbe Tonne stehen. Der 65-Jährige lebt in Allach, eines von fünf Testgebieten, in denen in den kommenden drei Jahren verschiedene gelbe Systeme zur Sammlung von Verpackungsmüll erprobt werden sollen.

Der Pilotversuch wurde im Jahr 2022 vom Stadtrat beschlossen. Drei Systeme sind Teil des Tests: der Gelbe Sack, die Gelbe Tonne sowie die Wertstofftonne, in die neben Leichtverpackungen auch sogenannte "stoffgleiche Nichtverpackungen" dürfen, also beispielsweise Pfannen oder Plastikeimer. Neben den Allachern probieren auch die Bewohner in Schwabing Mitte, Westend/Schwanthalerhöhe sowie in zwei Gebieten in Solln jeweils eines der Systeme aus.
Nach Angaben des Abfallwirtschaftsbetriebs München (AWM) wird der Versuch wissenschaftlich begleitet. Dabei soll unter anderem die Ökobilanz der Systeme ermittelt werden. Basierend auf den Ergebnissen soll dann entschieden werden, welches System von 2027 an in ganz München eingesetzt werden soll.
Der Testlauf: München erprobt verschiedene Gelbe Systeme für die Verpackungsmüllsammlung
Ursprünglich sei er nicht gerade begeistert gewesen von der Gelben Tonne, erzählt Gerhard Fenzl. Auf seinem Grundstück gibt es zwei Häuser, die von ihm und vier weiteren Mietparteien bewohnt werden. Für die beiden Gebäude hat Fenzl bereits jeweils drei Tonnen, die dafür vorhandenen Müllhäuschen sind also schon voll. Er habe sich daher gefragt, wo er noch eine Tonne hinstellen soll, berichtet der Münchner. Doch das Chaos an den Wertstoffinseln hat ihn schon lange genervt. "Ich habe mich überzeugen lassen, dass ein Holsystem schon Vorteile hat." Fenzl freut sich, Teil des Pilotversuchs zu sein, wie er sagt. "Wir erwarten uns schon eine gewisse Besserung."

Eines jedoch ärgert ihn: Die Tonne soll nur alle vier Wochen geleert werden - für Fenzl viel zu selten. Seine Tonne fasst 120 Liter, er muss sie sich mit den beiden weiteren Haushalten in seinem Gebäude teilen. Für das weitere Haus auf dem Grundstück gibt es eine zweite Tonne, sie wird von zwei Haushalten genutzt. Fenzls Tonne ist etwa eine Woche nach Beginn des Versuchs zu knapp einem Viertel voll, allerdings lediglich mit seinem eigenen Müll.
Die Mitbewohner, sagt er, haben ihren Abfall bisher noch nicht in die Tonne geleert. Der Allacher befürchtet, dass die Tonne bereits weit vor der Leerung überquellen wird. "Dann schmeißen die Leute alles doch wieder in den Restmüll", vermutet Fenzl. Oder sie weichen aus auf die Container außerhalb des Testgebiets, die dann möglicherweise überlastet sind. Auf ihn mache es den Eindruck, als wolle man den Versuch von vornherein scheitern lassen, sagt er.
Für Fenzls Testgebiet Allach ist die Firma Remondis verantwortlich. Die hatte nach Angaben einer Sprecherin aber keinen Einfluss auf den Turnus und setze nur die Vorgaben um, die zwischen AWM und den Dualen Systemen ausgehandelt worden seien. Der AWM sieht das Duale System Deutschland (DSD) in der Verantwortung. Dieses sei nur bereit gewesen, die großen 1100-Liter-Tonnen zweiwöchentlich zu leeren, die kleineren hingegen nicht. "Der AWM hätte gerne eine häufigere Leerung ermöglicht", teilt eine Sprecherin auf AZ-Anfrage mit. Aber: "Da sämtliche Kosten für die Erfassung von Leichtverpackungen von den DSD getragen werden, hat der AWM keinen Spielraum."
Zukunftsaussichten: Die Potenziale eines Holsystems für Abfallwirtschaft in München
Das Unternehmen "Der Grüne Punkt - Duales System Deutschland" wiederum verweist auf Nachfrage auf den Konkurrenten BellandVision, der die Erfassung momentan steuere. "Aus zahlreichen anderen Gebieten in der Bundesrepublik, in denen die Gelbe Tonne bereits im Einsatz ist, haben wir die Erfahrung gewonnen, dass bei sorgfältigem Trennverhalten der Bürgerinnen und Bürger ein vierwöchentlicher Leerungsrhythmus ausreicht", erläutert dessen Sprecher.

Den Turnus im Laufe des Versuchs noch anzupassen, sei "nur mit großen Hürden" möglich, sagt die Sprecherin des AWM. Der Ausschreibungszeitraum betrage drei Jahre, man befindet sich bereits in diesem Zyklus. Bürger, deren Tonne vor der Leerung überquillt, haben die Möglichkeit, eine größere oder eine zusätzliche kleine zu bestellen, darauf verweisen sowohl Remondis als auch der AWM. Gerhard Fenzl wird das wohl machen, zumindest für die Tonne, die von drei Haushalten genutzt wird. Eine optimale Lösung ist das für ihn nicht: Die größere Tonne nimmt schließlich auch mehr Platz weg.
Trotzdem will Fenzl ergebnisoffen bleiben. Dass es überhaupt eine dreijährige Versuchsphase gibt, kann er allerdings nicht nachvollziehen, wie er sagt. "Ganz Deutschland nutzt die Gelben Systeme, da hätte München nicht erst einen aufwendigen Test machen müssen."
Debatte um Schwächen der Gelben Tonne in München: Welches System hat die meisten Vorteile?
Tatsächlich gibt es bereits Studien, die für eine Umstellung sprechen: Das Umweltbundesamt etwa stuft Bringsysteme wie das bisher in München etablierte als "ineffizient" ein. Holsysteme haben demnach "sowohl ökologisch als auch ökonomisch deutliche Vorteile".

Die höchsten Sammelmengen erreicht man der Studie zufolge mit der Gelben Tonne und der Wertstofftonne. Die gemeinsame Sammlung von Leichtverpackungen mit den stoffgleichen Nichtverpackungen sei "aus Sicht der ökologischen und ökonomischen Effizienz empfehlenswert" – was für die Wertstofftonne spricht. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch der Verband der Bayerischen Entsorgungsunternehmen. "Die Tonne ist unserer Meinung nach besser als der Gelbe Sack", teilt Sprecher Rüdiger Weiß mit. "Der Trend geht auch deutschlandweit zur Tonne."
Viele Städte steigen vom Gelben Sack auf die Tonne um: Berlin etwa führte im vergangenen Sommer eine standardmäßig 240 Liter fassende Wertstofftonne ein, die im zweiwöchigen Turnus geleert wird. Im Landkreis Augsburg wird der Sack 2025 durch die Wertstofftonne ersetzt. Die Stadt Augsburg nutzt diese schon länger: 2020 löste sie die bis dahin genutzte Gelbe Tonne ab. Dort zählt man zu den Spitzenreitern bei der Sammlung von Verpackungsmüll. Nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Umwelt landeten im gesamten Jahr 2022 fast 35 Kilo pro Einwohner in den Tonnen. Zum Vergleich: München ist mit nur 6,5 Kilo eingesammeltem Verpackungsmüll mit Abstand Schlusslicht.
Gerhard Fenzl ist überzeugt, dass ein Holsystem das ändern kann. Trotz der Kritik an der seltenen Leerung glaubt er an die Einführung nach dem Versuch: "Ich denke nicht, dass es ein Zurück gibt. Da müsste schon viel schief gehen."