München: Miet-Skandal um GBW-Wohnungen

Eine "Sozialcharta XXL" versprach Markus Söder einst den GBW-Mietern. Jetzt sollen Wohnungen zum Höchstpreis verkauft werden - und die GBW verspricht, die Mieter rauszukriegen.
von  Felix Müller
Der Wohnblock von 1950 in der Pasinger Nimmerfallstraße.
Der Wohnblock von 1950 in der Pasinger Nimmerfallstraße. © Foto: Petra Schramek

München - Das Telefonat dauerte nur 25 Minuten. Nicht lange, um die Bedingungen einer Seite für ein großes Immobiliengeschäft zu erklären. Doch zwischen 8 Uhr und 8.25 Uhr war am 26. Oktober für die Vertreter der GBW genug Zeit, um der Stadt ihr Angebot zu erläutern. Die 25-minütige Telefonkonferenz reichte aus, um Entsetzen im Rathaus auszulösen.

Als die Bayerische Landesbank 2013 insgesamt 32.000 GBW-Wohnungen an private Investoren verkaufte, waren davon 75 Wohnungen an der Nimmerfallstraße betroffen. Auch für sie galt die "Sozialcharta XXL", die Finanzminister Markus Söder (CSU) den Mietern versprach. Noch heute wirbt die GBW in etwas krummem Deutsch, wer bei ihr wohne, gehöre zu den "bestgeschütztesten Mietern Deutschlands".

Die GBW wollte 25 Millionen Euro, die Stadt "nur" 18 zahlen

Doch was Ende Oktober am Telefon angeboten wurde, klingt für viele im Rathaus anders. Wenn die GBW-Wohnungen (weiter)verkauft, verhandelt sie zunächst mit den Kommunen - das hat der Freistaat beim Verkauf so festgelegt. Doch Stadt und GBW konnten sich in ersten Gesprächen nicht auf einen Preis einigen.

Die GBW wollte 25 Millionen Euro, die Stadt "nur" 18 zahlen. Nun schlug die GBW einen Kompromiss vor: Die Stadt solle sofort 22 Millionen zahlen, weitere drei Millionen, wenn alle Wohnungen frei seien. Alle frei? "Die GBW verpflichtet sich vertraglich, die Wohnungen innerhalb von zwei Jahren zu entmieten", hieß es. Ein weiteres Entgegenkommen schloss man aus.

Die GBW also als Entmieterin - die Stadt könne ja, so die Vorstellung, behilflich sein, indem sie die Mieter bei ihren Wohnungsbaugesellschaften wohnen lasse. Kommunalreferent Axel Markwardt (SPD) teilte den Stadträten mit, dass sich die Stadt fragen müsse, "inwieweit sie sich als soziale Vermieterin tatsächlich der GBW bedienen will, um Wohnungen zu entmieten, auch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sehen dies als grundsätzlich problematisch an".

Undichte, veraltete Holzfenster in der Nimmerfallstraße

Heute zahlen die Mieter in der Nimmerfallstraße durchschnittlich 6,54 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter. Die Wohnungen, Baujahr 1950, verfügen laut Stadt "weitgehend nur über undichte, veraltete Holzfenster". Teilweise hätten sie weder Heizung noch Warmwasser.

"In mehreren Haushalten kommen noch Gas- beziehungsweise Öleinzelöfen, teilweise sogar Kohleeinzelöfen zum Einsatz", schreibt Markwardt, unbewohnte Wohnungen seien "stark verschimmelt".

Die Stadt wollte die Mieter schützen. Wahrscheinlich wären sie - vorübergehend - in günstigen städtischen Wohnungen untergekommen, bis ein Neubau an der Nimmerfallstraße gestanden hätte, der wohl größer geworden wäre, weil dort rechtlich mehr Wohnungen möglich sind. Dazu aber kommt es zumindest vorläufig nicht , nachdem die Verhandlungen gescheitert sind.

GBW will privaten Käufer suchen

Die GBW wollte das am Freitag nicht bestätigen. Die Immobiliengruppe verwies lediglich darauf, dass man "bisher und in Zukunft" mögliche Verkäufe "immer zuerst mit den jeweiligen Städten und Kommunen besprochen" werde, bevor Liegenschaften am freien Markt angeboten würden. Im konkreten Fall hat die GBW nach AZ-Informationen der Stadt mittlerweile offiziell abgesagt und angekündigt, einen privaten Käufer zu suchen.

Im Rathaus halten das viele für katastrophal. Findet die GBW einen Käufer für 25 Millionen Euro oder mehr, muss sie die Wohnungen der Stadt noch mal anbieten. Die hat dann ein Vorkaufsrecht, aber nur zu diesem Preis. "Dieses Vorgehen der GBW zielt darauf ab, der Stadt letztlich auf jeden Fall die politische Verantwortung für die Kündigung der Mieterinnen und Mieter zuzuschieben", klagt Markwardt.

"Kauft die Stadt das Objekt nicht, wird von den privaten Investoren mit allen Mitteln eine Entmietung betrieben werden", schrieb die Kämmerei an den Stadtrat. "Im Anschluss wird ein Neubau erstellt, der voraussichtlich zu Preisen von mindestens 9000 Euro/Quadratmeter verkauft wird." Niedrige Mieten seien "in keinem Fall" zu erwarten.

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