München kriegt kein Bahnsteig-Warnsystem

Was hilft gegen Gleisstürze? Die derzeitige Antwort ist ernüchternd: nichts. Die MVG hat ein Jahr lang verschiedene Techniken getestet – und am Ende alle verworfen. Nun wird über Bahnsteigtüren diskutiert
von  Florian Zick
Münchner müssen an Bahnsteigkanten der U-Bahn weiterhin selber auf sich aufpassen.
Münchner müssen an Bahnsteigkanten der U-Bahn weiterhin selber auf sich aufpassen. © Nina Job

München – Menschen im Gleis – das kommt immer wieder vor. Erst Ende April zum Beispiel: Da schubste eine angetrunkene und offenbar auch psychisch verwirrte Frau einen arglosen Passanten am U-Bahnhof Westfriedhof vor den einfahrenden Zug. Nur dank seiner Geistesgegenwart konnte der Zugführer mit einer Notbremsung die Katastrophe verhindern.

Freilich: Die Geschichte hätte auch anders ausgehen können. Der Zugführer hätte nur kurz mal für einen Moment abgelenkt sein müssen. Schon wäre der Mann wahrscheinlich nicht zu retten gewesen.

Bei einem Gleissturz sollen die Züge automatisch stoppen

Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) testet seit einem Jahr deshalb mehrere Überwachungssysteme für den Gleisraum. Diese sollen Alarm schlagen, sobald jemand am Bahnsteig ins Gleis fällt oder steigt. Auch einfahrende Züge sollen dann automatisch gebremst werden. Allerdings: Richtig überzeugen konnte die MVG bislang keines der Überwachungssysteme.

Getestet wurden bislang drei verschiedene Techniken: Die eine arbeitet mit Radar, die andere mit Lasersensoren, die dritte mit Videoüberwachung. Am Rotkreuzplatz und an der Studentenstadt, einem unter- und einem überirdischen U-Bahnhof, wurden alle drei Techniken mehr als ein Jahr lang parallel getestet. Das Ergebnis: Jedes System hat erhebliche Macken.

Manchmal reichte eine Schneewehe für einen Fehlalarm

"Alle drei getesteten Systeme haben nicht zu einer praktikablen und genehmigungsfähigen Lösung geführt", heißt es in einem Testbericht, der am Dienstag dem Stadtrat vorgestellt werden soll.

Mal erkannten die Systeme nicht, wenn sich jemand im Gleis befand, mal löste die Technik aus, ohne das irgendetwas passiert wäre. Vor allem oberirdisch war die Fehlerquote hoch. Dort reichte teilweise schon eine Schneewehe, um die Überwachungssysteme zu verwirren.

So halbwegs funktioniert hat nur die Radar-Technik – und das auch nur am Rotkreuzplatz. Flächendeckend einführen will die MVG das System aber trotzdem nicht. Die Anschaffungskosten stünden mit fast 63 Millionen Euro nicht im Verhältnis zum Nutzen, heißt es. Zum anderen fürchtet die Verkehrsgesellschaft, dass aufgrund der verhältnismäßig hohen Fehlerquote der Zwei-Minuten-Takt nicht mehr eingehalten werden kann.

So bleibt zur Prävention von Gleisstürzen eigentlich nur eine Alternative: die Einführung von Bahnsteigtüren. In Paris und anderen Städten gibt es solche Systeme schon, die Fahrgäste nur dann an die Bahnsteigkante durchlassen, wenn tatsächlich ein Zug im Bahnhof steht. Aber auch da gibt es in München derzeit noch Probleme.

Um feste Bahnsteigtüren installieren zu können, müssten alle Züge den gleichen Türenabstand haben. Das wird in München aber erst 2030 der Fall sein. Bis dahin fahren noch U-Bahnen aus unterschiedlichen Generationen.

Auch in den nächsten Jahren werden sich die Münchner also darauf verlassen müssen, dass der Zugführer beim Einfahren in die Station wachsam ist – und im Fall des Falles die U-Bahn auch rechtzeitig zum Halten bringt.

Lesen Sie hier: Unfall am St.-Quirin-Platz - Münchner retten Betrunkenen aus Gleisbett

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