München: Kein Bußgeld trotz Temposünde - wie geht das?
München - Grundsätzlich ist die Polizei München kein Freund von Rasern im Straßenverkehr, in diesem einen Fall machen die Beamten von der Verkehrspolizei aber mal eine Ausnahme und schicken sogar noch Glückwünsche hinterher. Wie geht denn sowas? Die ganze Geschichte:
Ein Mann wurde am Frankfurter Ring geblitzt, ganze 15 Stundenkilometer war er zu schnell. Entsprechend flatterte wenig später ein Bußgeldbescheid vom Bayerischen Polizeiverwaltungsamt ins Haus. Was die Polizei nicht wissen konnte: Für die Geschwindigkeitsübertretung gab es einen sehr guten Grund: Auf dem Rücksitz des Wagens nämlich saß seine Frau Sarah Emily - mitten in den Wehen. Ihrer Aussage nach brachte sie ihr Kind um 2.27 Uhr im Krankenhaus auf die Welt - geblitzt wurde das Auto um 2.14 Uhr. Laut Navi wäre das Paar erst um 2.28 Uhr im Krankenhaus gewesen, hätte ihr Mann nicht aufs Gas gedrückt, sagt Sarah Emily.
Das ließ die Polizei als guten Grund gelten das Bußgeld gegen den Familienvater fallen zu lassen. In einem offiziellen Schreiben, das die frischgebackene Mutter selbst bei Twitter veröffentlicht hat, gratulieren die Beamten außerdem zur Geburt der kleinen Tochter.
Einige User bei Twitter spekulierten indes, ob die Geburt eines Kindes ein zulässiger Grund sein kann, kein Bußgeld zahlen zu müssen. Wie ein Sprecher des Polizeiverwaltungsamts auf Nachfrage des "BR" mitteilt, handet es sich bei dem Fall um eine absolute Einzelfallentscheidung.
Ein Sprecher des ADAC warnt diesen absoluten Einzelfall zur Regel zu machen. Grundsätzlich müssten Erkrankte im Notfall den Rettungsdienst verständigen. Die haben Sonderrechte für den Straßenverkehr, dürfen also zum Beispiel mit Martinshorn und Blaulicht fahren. Wer das nicht macht, müsse anschließend gut belegen können, warum nicht, so der ADAC-Sprecher.
Verkehrs-Experte rät zu Einspruch
Michael Haberland der Präsident von "Mobil in Deutschland e.V." findet in diesem Fall ist es ganz richtig gewesen nicht vom Gas zu gehen. "Alles was in irgendeiner Form lebensbedrohlich ist oder mit Leib und Leben zusammenhängt, ist ein guter Grund schnell zu fahren", sagt Haberland.
Gründe für eine Einstellung eines Bußgeldverfahrens gebe es - neben Einzelfällen wie dem oben geschilderten - viele: Das Gerät kann im falschen Winkel zur Fahrbahn aufgestellt sein, die Eichung des Blitzers kann abgelaufen sein oder der Fahrzeughalter kann nicht eindeutig zugeordnet werden. Die Polizei sei hier in der Beweispflicht, erklärt der Präsident des Vereins. Ab der Zustellung des Briefs gibt es die Möglichkeiten zu widersprechen und sich zu dem Sachverhalt zu äußern. Im Zweifelsfall kann man den Strafzettel aber auch an den Anwalt weiterleiten, der Akteneinsicht beantragen darf.
Der Präsident von Mobil in Deutschland rät Autofahrern, die einen Strafzettel bekommen, immer Einspruch einzulegen. Denn: "In der Regel sind rund 50 Prozent aller Bescheide in Deutschland falsch", so Haberland.
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