München investiert Milliarden in Bildung und Erziehung
Die Stadt investiert in den nächsten Jahren 1,8 Milliarden Euro in die Schulen und 390 Millionen in Kindertagesstätten.
München - München wächst – und seit mehr als zehn Jahren steht die Landeshauptstadt an der Spitze der deutschen Großstädte und vermeldet stolz einen Geburtenrekord nach dem anderen. Glückliche Eltern, glückliches München.
Doch dann geht die Hektik auch schon los: erst ein Krippenplatz, dann der Kindergarten, dann ein Platz im Hort und die Suche nach der richtigen weiterführenden Schule.München muss dafür Milliarden ausgeben. Allein bis zum Jahr 2030 mindestens 1,8 Milliarden Euro in Sanierung und Neubau von Schulen oder bis 2017 rund 390 Millionen in Kindertagesstätten (für 3500 Krippen- und 5000 Kindergartenplätze, 1500 Hort- und 1900 Tagesheimplätze). So die Statistik des Referats für Bildung und Sport. Stadtschulrat Rainer Schweppe startet dafür viele Neuerungen in der Kinderbetreuung.
München hat in den letzten Jahren einen Wandel erfahren. „Wir müssen uns der gesellschaftlichen Realität anpassen“, sagt Bürgermeisterin und zweifache Mutter Christine Strobl (SPD): „Mutti ist nicht automatisch mittags zuhause.“ Waren vor ein paar Jahren Kindergärten das Hauptproblem, fragen die Eltern jetzt vor allem nach Horten und Ganztagsplätzen.
Dass für die Erziehung ein Elternteil zuhause bleibt, mag auf dem platten Land mit seinen Großfamilienstrukturen funktionieren. Im teuren München nicht.
In der Vergangenheit gab es aber auch viele Fehler: Planungsfehler, weil das Schulreferat den Bedarf oft falsch eingeschätzt hat. Es gab politische Entscheidungsfehler: Weil Rot-Grün in den Krisenjahren an der Instandhaltung der Schulen gespart hat. Es gibt gesellschaftliche Entwicklungen, die keiner vorhersehen konnte – weil viel mehr Eltern einen Betreuungsplatz suchen. Da ist die CSU in den letzten Jahren umgeschwenkt, weil sie vorher Mutter und Kind zuhause sah. Und es gibt den unerwartet hohen Zuzug.
Nach einer Umfrage der Stadt unter „Kindergarteneltern“ wünschten sich im Herbst: 40 Prozent nach der Kindergartenzeit einen Hort, 13 Prozent eine Ganztagsklasse, sieben Prozent einen Tagesheimplatz und 18 Prozent eine Mittagsbetreuung. Nur 13 Prozent wollten nichts.
Schule und Bildung sind ein großes politisches Glashaus. Probleme mit der Planung gibt es nicht nur bei der Stadt. Auch beim Land. In einem Interview mit dem für linke Polemik unverdächtigen „Münchner Merkur“ sagt Finanzminister Markus Söder (CSU) über den Schulminister und Münchner CSU-Chef Ludwig Spaenle: „Wir können vorhersagen, welcher Komet 2028 in welchem Abstand an der Erde vorbeifliegt, aber wir tun uns wahnsinnig schwer, im Januar zu ermitteln, welche Lehrer wir im September für welche Fächer brauchen.“
Stadtschulrat Rainer Schweppe hat vor drei Jahren ein Problem-Referat übernommen. Diese Woche holt er sich vom Stadtrat grünes Licht für eine Betreuungsoffensive. Die Bürgermeisterin hat er da auf seiner Seite. Dazu gehören:
Mehr Hilfe für Eltern: Im Krippenbereich gibt es bereits eine zentrale Ansprechstelle. Ab dem 11. März wird das für Kindergärten und Grundschul-Horte ausgeweitet. Dann müssen sich Eltern nicht massenhaft an vielen Stellen bewerben, sondern erfahren an einer Stelle, wo es bei der Stadt oder bei Privaten freie Plätze gibt. Da gibt es 1250 Einrichtungen in München.
Sofort-Plätze: Viele Eltern ziehen unterm Jahr nach München und brauchen sofort einen Betreuungsplatz. Für ihre Kinder (bis sechs Jahre) wird an der Müllerstraße 7 ab Mai eine 18-köpfige „Übergangsgruppe“ eingerichtet – mit der Option auf eine zweite.
Regionalhäuser: Sie sollen den ärgsten Mangel an Hortplätzen für Grundschüler auffangen. Weil es an vielen alten Schulen keinen Platz für einen Hortbereich gibt, wird die Stadt ab dem Herbst bis zu fünf „Regionalhäuser“ für mehrere Schulen einrichten – mit 500 Plätzen. Die Kinder werden nach der Schule mit dem Bus dorthin gefahren. Start ist in Laim. Problemviertel seien auch Berg am Laim, Trudering oder Solln. „Wir bauen künftig jede neue Grundschule mit Ganztagsangebot“, sagt Schweppe.
Vier neue Tagesheime eröffnen im Herbst: Josephsburgstaße und Grafinger Straße in Berg am Laim, Grandlstraße in Obermenzing und an der Weißenseestraße in Obergiesing.
Die Mittagsbetreuung (für heute rund 10.000 Schüler) wird stärker finanziell unterstützt. Sie wird fast ausschließlich von engagierten Eltern organisiert. Zu 95 Prozent gibt es Mittagstisch und Hausaufgabenbetreuung. Ab dem Herbst gibt es von der Stadt pro Kind und Stunde drei Euro mehr (11,50 Euro). Das kostet die Stadt rund fünf Millionen Euro. Die Eltern zahlen dafür zwischen 40 und 150 Euro im Monat, wobei die meisten Kosten Stadt und Land zahlen.
Was München noch braucht – und was nur mit Hilfe des Freistaats geht: mehr Betreuung nach 16 Uhr, freitags nach 14 Uhr und in den Ferien.
Die Situation in den Schulen
München braucht auch mehr Schulen und muss alte generalsanieren und ausbauen. 1,8 Milliarden Euro wird das bis zum Jahr 2013 mindestens kosten. Stadtschulrat Schweppe stockt das Betreuungspersonal für Schulgebäude auf und startet eine Bau-Offensive. Aktuell arbeitet das Referat an:
+ Zehn neuen Grundschulen: in Freiham, Bayernkaserne, Dachauer Straße, Karl-Marx-Ring, St.-Michael-Straße, Friedensstraße oder Weißenseestraße.
+ Acht Gymnasien: Eliteschule des Sports in der Knorrstraße, Bayernkaserne, Freiham, Messestadt Riem, Ratzingerplatz, Fürstenrieder Straße und im Münchner Nordosten.
+ Fünf Realschulen: Freiham, Heidemannstraße, Franz-Mader-Straße, Aschauer Straße, und im Nordosten.
+ Und vier neue Berufsschulen für neue Fachrichtungen.
Dazu kommen 34 neue Sporthallen bis 2020.
Das kostet: Ein Krippenplatz (in Massivbau) 38.000 Euro, ein Kindergartenplatz 20.000 Euro, ein Hortplatz 25.000 Euro. Ein Gymnasium 60 bis 70 Millionen und eine Realschule 50 bis 60 Millionen.
Die Situation in den Kindertagsstätten
So sieht es nach der aktuellen Statistik der Stadt aus:
In München gab es 2001 rund 5000 Krippenplätze, Ende 2013 waren es 16606 (davon 3150 städtische). In den Kindergärten (3-6 Jahre) gibt es 39509 Plätze (davon 17141 städtische) – gegen 27000 im Jahre 2001. Bei den Krippen (bis 3 Jahre) liegen die meisten Stadtteile unter dem städtischen Durchschnitt von 42 Prozent. Darüber liegen nur drei! Das sind: Maxvorstadt (62 Prozent), Altstadt-Lehel (51 Prozent), Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt (45). Die schlechtesten Werte haben: Obergiesing (15), Aubing-Lochhausen-Langwied (21), Bogenhausen und Schwabing-West (je 25 Prozent). Bei den Kindergärten liegt der Versorgungsgrad stadtweit bei 89 Prozent. Spitzenreiter: Maxvorstadt (134 Prozent), Schwabing-Freimann (106), Altstadt-Lehel (98). Am Ende: Schwabing-West (65), Obergiesing (71).