München: Initiative kämpft für Stolpersteine - Kommt das Bürgerbegehren?

München - Gut fünf Wochen ist es her. Da wurde in der Daiserstraße in Sendling feierlich die erste Gedenkstele eingeweiht. Vielen Stadträten hat man das Aufatmen dort richtiggehend angesehen: Puh, endlich ist sie vorbei, die aufreibende Debatte um die Stolpersteine.Allerdings: Vorbei ist noch lange nichts.
Ein Verein um den früheren FDP-Stadtrat und Bundestagsabgeordneten Hildebrecht Braun will nun per Bürgerbegehren durchsetzen, dass in München im öffentlichen Raum doch noch mit Stolpersteinen der Opfer der NS-Diktatur gedacht werden darf.
"Wir wollen die Passivität der Stadt nicht länger hinnehmen", sagte Braun am Montag bei der Vorstellung des Bürgerbegehrens. Europaweit seien mittlerweile in etwa 1.600 Städten Stolpersteine verlegt. Aber in München, der ehemaligen "Hauptstadt der Bewegung", wehre man sich dagegen.
Münchner Stadtrat gegen Stolpersteine
Tatsächlich hat der Stadtrat mit inzwischen zwei Beschlüssen das Verlegen von Stolpersteinen untersagt – erstmals 2005 und 2015 noch einmal. Auf privatem Grund sind Stolpersteine zwar erlaubt. Im Straßenraum hat sie der Stadtrat aber verboten.
Hintergrund dieser Entscheidung ist die ablehnende Haltung der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG). Deren Vorsitzende Charlotte Knobloch findet die Vorstellung entsetzlich, dass man auf Stolpersteinen theoretisch auch herumtrampeln kann. Für Knobloch werden die Opfer damit noch einmal mit Füßen getreten. Sie lehnt diese Form der Erinnerung deshalb kategorisch ab.
Bei den Initiatoren des Bürgerbegehrens versteht man das nicht. "Wir respektieren ihre Haltung, aber wie teilen sie nicht", sagte Braun. Stolpersteine seien den Stelen schließlich in allen Belangen überlegen. Denn wenn ein Hund an einer Stele sein Bein hebe – das sei auch nicht wirklich würdevoll. Und zum Anderen könne man von Stolpersteinen viel mehr in der Stadt unterbringen. "Mit Stelen wird die Massenhaftigkeit der NS-Verbrechen nicht sichtbar", so Braun.
Über 4.000 Münchner Juden kamen im Dritten Reich ums Leben
Etwa 4.500 Münchner Juden haben die Nazis im Dritten Reich umgebracht. Dazu kommt etwa die gleiche Zahl an Homosexuellen, Widerständlern und politisch Andersdenkenden. Mit den 150.000 Euro, die die Stadt zur Verfügung gestellt hat, könne man all diesen Betroffenen nur dann ein Denkmal setzen, so argumentieren die Unterstützer des Bürgerbegehrens, wenn man von den rund 1.000 Euro teuren Stelen auf die deutlich günstigeren Stolpersteine umschwenke.
Um die Sicht Israels auf die Stolperstein-Debatte zu hören, hatte Hildebrecht Braun extra Avi Primor nach München eingeladen, den früheren israelischen Botschafter in Deutschland. Der lobte die Stolperstein-Initiative als "Pionierarbeit", gab sich aber sonst gewohnt diplomatisch: "Die Deutschen sollen sich so erinnern, wie sie es gewohnt sind."
Rund 35.000 Unterschriften braucht das Bürgerbegehren, um einen Bürgerentscheid zu erzwingen. Mitte nächster Woche soll das Sammeln beginnen. Bis spätestens Mai 2019 Jahres wollen die Initiatoren genügend Unterschriften beisammen haben. Dann könnte die Abstimmung gemeinsam mit der Europawahl stattfinden.