München im Homeoffice - für immer? In Büros brennt kaum noch Licht

München - Volle Großraumbüros, überfüllte Busse und Bahnen zur Rushhour - in Zeiten der Pandemie ist das ein Problem. Anfang des Monats verschärften Bund und Länder daher die Homeoffice-Regeln. Wo immer möglich, müssen Arbeitgeber nun Homeoffice anbieten, solange keine zwingenden betrieblichen Gründe dagegensprechen. Umgekehrt können Arbeitnehmer jedoch nicht gezwungen werden, das Angebot anzunehmen. Bleiben nun wirklich noch mehr Menschen zum Arbeiten daheim?
Verdi-Geschäftsführer: Homeoffice-Appell hat gefruchtet
Hört man sich bei Münchner Unternehmen um, wird schnell deutlich: So leicht lässt sich diese Frage oft nicht beantworten.
Wo viele im Homeoffice sind, waren sie es meist schon vor der jüngsten Verordnung. Doch manche nutzten den Anlass auch, um noch einmal nachzusteuern. "Nach dem, was man aus den Betrieben hört, haben wir den Eindruck, dass die Appelle, noch mal mehr Homeoffice zu ermöglichen, gefruchtet haben", sagt Heinrich Birner, bei Verdi der Geschäftsführer München und Region.
Heinrich Birner ist gegen Homeoffice-Pflicht
Er warnt aber auch: Die Problemthemen bleiben. Hat jemand, gerade in München, eine ausreichend große Wohnung, um im Homeoffice zu arbeiten, oder sind Klein- oder Schulkinder zu betreuen? Muss noch ein zweiter Erwachsener im Homeoffice arbeiten?
"Ich erwarte, dass jeder Arbeitgeber darauf Rücksicht nimmt, gerade auf die mit Kindern", so Birner. Er sei aber, so betont er, "strikt gegen eine Homeoffice-Pflicht". Aus den genannten Gründen wollen viele auch lieber ins Büro gehen.
Homeoffice in Corona-Zeiten in München: Vieles wird bleiben
Für die Unternehmen ist es so oder so ein Kraftakt, flächendeckendes Homeoffice umzusetzen. Der wird wohl zumindest nicht umsonst gewesen sein, denn bei vielen zeigt sich: Von den Veränderungen wird etwas bleiben.
BMW: Homeoffice seit Jahren gelebte Praxis
Beispiel BMW: An den Münchner Standorten beschäftigt der Automobilkonzern nach eigenen Angaben über 40.000 Mitarbeiter. "Etwa zwei Drittel der indirekten Mitarbeiter haben im letzten Jahr anteilig oder ganztägig Mobilarbeit genutzt", erklärt Sprecherin Angela Konert auf AZ-Anfrage. Genaue Zahlen und deren Entwicklung - ohne Doppelung - zu nennen sei schwierig. Man habe Mitarbeiter seit Beginn der Pandemie ermutigt, "von den umfassenden Möglichkeiten zu Mobilarbeit Gebrauch zu machen", sagt Konert. Die sei bei BMW aber schon seit Jahren "gelebte Praxis", so die Sprecherin.
Stadt München: 61,7 Prozent sind teilweise im Homeoffice
Genauer weiß man es bei der Stadt München, denn die hat für ihre 41.000 Beschäftigten frische Zahlen zum Homeoffice erhoben. Sie zeigen eine recht hohe Quote. Über 80 Prozent der Beschäftigten, die theoretisch könnten, arbeiten derzeit von zu Hause aus, erklärt Tobias Stephan, Sprecher des Personalreferats der Stadt.
Genauer gesagt: 18,6 Prozent sind vollständig im Homeoffice, 61,7 Prozent teilweise. Bei den knapp 20 Prozent, die also noch nicht im Homeoffice sind, "werden wir jetzt genauer draufschauen, warum", sagt Stephan. Er weiß, die Gründe können ganz unterschiedlich sein. Etwa im Privaten: Stichwort Platz und Kinder.
Städtische Mitarbeiter dürfen nicht alle Akten mit nach Hause nehmen
Aber auch die Digitalisierung spielt eine Rolle. Die ist je nach Bereich unterschiedlich weit fortgeschritten. So sind nicht alle Akten, mit denen städtische Mitarbeiter zu tun haben, digitalisiert, manche sind nur in Papierform vorhanden. Nicht alle davon darf man mit nach Hause nehmen.
"Da hilft dann nur der Weg ins Büro", sagt Stephan. Aber: "Wir sind mit dem IT-Referat dran am Thema Digitalisierung und E-Akte, da ist viel in Bewegung."
Darüber hinaus gilt: Bei 22.000 Beschäftigten der Stadt ist Arbeit im Homeoffice gar nicht möglich. "Müllwerker, Erzieherinnen, aber auch überall, wo es um Kundenkontakt geht wie im KVR oder Bürgerbüro - diese Mitarbeiter können nicht zu Hause bleiben", sagt Stephan.
o2: "Nachhaltige Veränderung der Arbeitsweisen"
Auch beim Telekommunikationsunternehmen Telefonica/o2 gehört mobiles Arbeiten dazu. Trotzdem - dass man plötzlich fast alle Mitarbeiter gleichzeitig auf das mobile Arbeiten umstellen musste, sei eine Herausforderung gewesen.

"Die Pandemie war für uns der Anlass zu einer nachhaltigen Veränderung der Arbeitsweisen im Unternehmen - mit einer maximalen Flexibilisierung von Arbeitsort und Arbeitszeit für unsere Belegschaft", erklärt Nicole Gerhardt, Personalvorständin von Telefónica Deutschland/o2.
Im o2-Büroturm arbeiten nur noch 100 von 2.500 Kollegen
Auch hier wurden schon im März vergangenen Jahres alle Büroangestellten ins Homeoffice geschickt. Alle Arbeitsprozesse seien nun digital aufgesetzt, die Konzepte hätten sich seitdem bewährt. Auch hier kann und will nicht jeder Mitarbeiter ins Homeoffice.

In normalen Zeiten gibt es Arbeitsplätze für über 2.500 Beschäftigte im Firmensitz des Unternehmens, dem Hochhausturm am Georg-Brauchle-Ring - mit 37 Stockwerken Münchens höchstes Bürogebäude.
Das Hochhaus ist unter Pandemiebedingungen zugleich eine besondere Herausforderung, Nadelöhre seien etwa die Aufzüge. Man arbeite unter anderem mit Zugangskontrollen und Wegeführungen. So sind derzeit im o2-Tower kaum mehr als 100 Mitarbeiter im Laufe eines Tages im Haus.
"Mitarbeiter sollen dort arbeiten, wo es für sie am produktivsten ist"
Gibt es Konsequenzen für die Zukunft? Bei o2 ist das längst geklärt: "Künftig sollen unsere Mitarbeiter da arbeiten, wo es für sie am produktivsten ist", sagt Nicole Gerhardt. Das könne zu Hause, im Büro oder anderswo sein: "Die Präsenzpflicht schaffen wir für die meisten weitgehend ab."
Der o2-Tower steht deshalb trotzdem nicht zur Disposition, lässt das Unternehmen wissen. Reduzieren könne man aber Büroflächen in Nebengebäuden.
Ähnlich klingt es auch bei der Stadt. Tobias Stephan erklärt, man habe sich schon vor der Pandemie mit dem Thema "New Work" beschäftigt: "Da findet ein Kulturwandel statt, der jetzt durch Corona enorm befeuert wird." Eine Umfrage unter 8.500 Beschäftigten wurde gerade durchgeführt und ergab: Drei Viertel der Befragten finden künftig regelmäßiges Homeoffice denkbar. Fast die Hälfte wäre sogar bereit, generell auf einen Büroarbeitsplatz zu verzichten.