München im Auge des Drachen: Wie Chinas Spione arbeiten
MÜNCHEN - Chinesische Spitzel überwachen die hiesigen Uiguren - und nicht nur die. Auch bayerische Politiker wie Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause und Ex-SPD-Chef Franz Maget setzten die Agenten unter Druck.
Pekings Spione haben die uigurische Gemeinde in München genau im Visier – und das seit Jahren. Spitzel berichten über jeden Schritt der Exilchinesen. Die vier Agenten, denen Beamte des Bundeskriminalamtes jetzt auf die Pelle rückten (AZ berichtete), sind offenbar Teil eines weitverzweigten Spionagenetzwerks.
„Wir wissen, dass wir bespitzelt werden“, erzählt Asgar Can, stellvertretender Vorsitzender der uigurischen Gemeinde in München. Bei ihren Veranstaltungen tauchen immer wieder Gestalten auf, die sich Notizen machen und Namen notieren. Es kam sogar schon vor, dass Uiguren eine Demo in München vorbereiteten und Vertreter der chinesischen Regierung aktiv wurden, noch bevor die Plakate gedruckt waren.
Besonders schlimm war es letzten Sommer, so Can. „Wir bekamen Anrufe und Mails, in denen man uns mit Mord drohte.“ Den Uiguren werde es genauso ergehen wie ihren Landsleuten daheim in der Provinz Xingjiang. Dort kamen bei blutigen Unruhen 150 Menschen ums Leben.
Das Generalkonsulat weiß oft sehr schnell bescheid
„Peking versucht, auch auf deutsche Behörden Druck auszuüben“, berichtet Asgar Can. Als er 2004 zum Ausländerbeirats-Vize gewählt wurde, erkundigte sich bereits am nächsten Tag der chinesische Generalkonsul in der Staatskanzlei nach ihm.
Wenn Uiguren irgendwo in der Stadt eine Protestveranstaltung oder Mahnwache planen, versucht der lange Arm Pekings sofort, das zu verhindern. Dabei kann es auch passieren, dass chinesische Diplomaten im Polizeipräsidium anrufen und darum bitten, die entsprechende Veranstaltung zu verbieten – was nach deutschem Recht unmöglich ist. „Die arbeiten eben mit allen Tricks“, heißt es dazu im Präsidium.
Selbst bayerische Parlamentarier hat die chinesische Regierung bereits unter Druck gesetzt. Im November 2006 erhielten zwölf Grünen-Abgeordnete eine Einladung zum Weltkongress der Uiguren ins Eden Hotel Wolff in der Arnulfstraße. Postwendend meldete sich der damalige Generalkonsul Huiqun Yang. Dies sei eine ernste Belastung der deutsch-chinesischen Beziehungen, drohte der Diplomat unverholen. „Er hatte eine Liste mit den Namen aller Teilnehmer“, erinnert sich Fraktionschefin Margarete Bause. Auf die Frage, woher Yangs Informationen stammen, antwortete der nur ausweichend, man habe eben „eigene Kanäle“.
Franz Maget erhielt einen Anruf - und hatte ein mulmiges Gefühl
Margarete Bause und ihre Kollegen befürchteten, dass ihre Telefonate belauscht worden waren und erstatteten deshalb Anzeige beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe. „Das Auftreten des Diplomaten war dreist“, ärgert sich Margarete Bause noch heute. „So ein Verhalten darf man sich nicht gefallen lassen.“ Sechs Monate ermittelte die Polizei, dann stellte die Bundesanwaltschaft das Verfahren ergebnislos ein.
Ähnliche Erfahrungen wie die Grünen machte auch die SPD im Landtag. Als die Menschenrechtlerin Rebiya Kadeer zur Vorsitzenden des Uigurischen Weltkongress gewählt wurde, sollte es im November 2006 zu einem Treffen kommen mit Franz Maget, damals Chef der SPD-Landtagsfraktion.
Auch Maget bekam postwendend einen Anruf aus dem chinesischen Generalkonsulat in der Romanstraße. Dort war man offenkundig über das Treffen und den vereinbarten Termin bereits genauestens informiert. Franz Maget verzichtete damals auf eine Strafanzeige, doch ein mulmiges Gefühl blieb bei dem SPD-Politiker.
Dass nach Jahren jetzt endlich deutsche Ermittlungsbehörden den Spionen Pekings auf den Zahn fühlen, Wohnungen durchsuchen sowie Computer und Unterlagen beschlagnahmen, erfüllt die uigurische Gemeinde mit Genugtuung. Das war längst überfällig, heißt es. „Wir müssen davon ausgehen, dass es Spitzel auch unter unseren Leuten gibt“, sagt Asgar Can, „doch beweisen lässt sich das nur schwer“.
Ralph Hub