München: Früheres Postbankgebäude soll umgebaut werden

München - Im Zuge des Hauptbahnhof-Neubaus scheint im Herzen der Stadt ein selten gesehener Boom für Gewerbe-Immobilien losgetreten worden zu sein. Und auch die Credit Suisse möchte von dem Boom profitieren. Der Immobilien-Ableger der Bank, die Credit Suisse Real Estate, kaufte das ehemalige Postbank-Gebäude vor etwa zwei Jahren. Das Wertvollste dabei: der Baugrund. Der Plan: Zwei Stockwerke mehr bauen als jetzt. Hieße nämlich: ein Mehrwert von etwa 150 bis 200 Millionen Euro. "Vergessen Sie die Brienner Straße. Das große Geld ist hier", sagt dazu Rechtsanwalt Serdal Altuntas, der das Viertel gut kennt.
2019 bot eine britische Hotelkette dem Eigentümer des Verdi-Supermarktes in der Landwehrstraße etwa 30 Millionen Euro für 1.400 Quadratmeter, rund 21.500 Euro je Quadratmeter. Das als "Correo-Quartier" bekannte Postbank-Gebäude steht auf einer Grundfläche von etwa 15.000 Quadratmetern. "Vielleicht das letzte Filetstück im Viertel", sagt Altuntas.

Die Postbank ist längst ausgezogen. Auch die Mieter mussten raus. Steigender Leerstand – das ist ein Bild in vielen Metropolen, nach jahrelanger Nullzinspolitik internationaler Zentralbanken. Sie überhitzt den Immobilienmarkt. In Städten wie München denkt man sich da offensichtlich: Günstiger werden Immobilien nicht. Mieter "stören" da oft, während der Wert vor sich hinwächst – auch wenn der allgemeine Leerstand Münchens im Vergleich recht niedrig ist. Bei Wohnimmobilien etwa liegt der Leerstandsanteil bei 0,2 Prozent, bei Gewerbeimmobilien bei rund zwei Prozent.
Etwa 280 Millionen Euro für früheres Postbankgebäude
Die Credit Suisse macht ein Geheimnis um den Kaufpreis des Correo-Quartiers. "Die Parteien haben Stillschweigen vereinbart", schreibt auch eine Postbank-Sprecherin wortkarg der AZ. Dabei ist das kein Geheimnis mehr. In Fachkreisen, – etwa in der Schweizer Zeitschrift "Immobilien Business" – ist die Rede von 280 Millionen Euro – pro Quadratmeter etwa 18.600 Euro. Die bestehende Gewerbefläche wird mit rund 45.000 Quadratmetern beziffert. Hierfür existiert Baurecht, das mit dem aktuellen Bebauungsplan des Umgriffs vereinbar ist.
Den bestehenden Bebauungsplan prüft das Planungsreferat derzeit und wird ihn wahrscheinlich neu definieren, um zwei weitere Stockwerke zu ermöglichen. Grund für die Prüfung ist ein entsprechender Stadtratsbeschluss vom November 2019. Die Credit Suisse hat nach dem Kauf 2018 schnell einen Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Gewonnen hat das Büro Herzog & de Meuron. Vielen Münchnern ist es bestens bekannt. Es plante einst auch die Allianz Arena – und jetzt dieses Areal – inklusive Wäldchen im Hof.
Steuern sparen in Luxemburg – so wie die Weltkonzerne
Betrachtet man den Postbank-Deal, wirkt er nicht skandalös, aber etwas intransparent. Die Bank gründete nach dem Kauf eine "Société à responsabilité limitée" (S.á.r.l), eine luxemburgische GmbH. Diese GmbH ist im luxemburgischen Online-Handelsregister zu finden, unter dem Unternehmenscode B219652 (www.lbr.lu): Die offizielle Eigentümerin des früheren Postbank-Gebäudes ist die "Bayerstraße Munich Real Estate S.á.r.l", mit einem Briefkasten im Herzen des Steuerparadies-Stadtstaates, Adresse: 5, rue Jean Monnet L - 2180 Luxembourg. Geschäftsführer: die Notare Jean Joseph Wagner und Martine Schaeffer. Die unmittelbare Steuersparer-Nachbarschaft: Amazon und KPMG.

Ein Münchner Branchenkenner, der anonym bleiben möchte, sagt, solche Firmenkonstrukte seien nicht unüblich. Wäre irgendwann der Neubau fertig, würde die Steuer aus den Einnahmen für die vermieteten Büroräume in München anfallen.
"Aber falls der Gebäudekomplex einfach weiterverkauft wird, ohne Umbau, dann würde hier vor Ort die Spekulationssteuer auf die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis wahrscheinlich entfallen", sagt auch Anwalt Altuntas. Und geht man vom Kaufangebot im Fall Verdi aus, wäre der Verkaufspreis etwa 2.500 Euro je Quadratmeter höher als der Kaufpreis: Mindestens 315 Millionen Euro könnte die Immobilie nach dieser Rechnung bei einem Weiterverkauf kosten – Tendenz steigend.
Stadt fordert 30-prozentigen Wohnanteil
Aber auch der Umbau wird sich sicherlich lohnen. Das Planungsreferat erstellt schließlich einen passenden Bebauungsplan. Und fast wäre der Stadt entfallen, dass man auch in gewerbelastigen Kerngebieten wie im südlichen Bahnhofsviertel einen 30-prozentigen Wohnanteil anmahnen kann.
Der Stadtrat beschloss daher Mitte November 2019 nach einem Antrag der ÖDP-Fraktion rechtzeitig, den Wohnanteil prüfen zu lassen. Auch die Fraktionen der Grünen und der SPD reichten solch einen Antrag ein. "Fast wäre es so gelaufen wie in der Parkstadt Schwabing", sagt Tobias Ruff von der ÖDP, "dort hat man es versäumt, einen Wohnanteil einzufordern. Und jetzt baut der Investor dort eine reine Gewerbefläche." Das Münchner Planungsreferat stellte sich bei der Parkstadt dilletantisch an. Lange verhandelte der Investor Argenta mit der Behörde und fühlte sich hingehalten. Auch hier sollte ein passender Bebauungsplan entstehen. Es ging um 800 Wohnungen.

Nach neun Jahren verlor Argenta die Geduld. Der Investor entschloss sich Ende 2019, das Baurecht nach bestehendem Bebauungsplan zu nutzen und statt Wohnungen einfach mehr Gewerbefläche zu bauen. Diesen Fehler möchte das Planungsreferat beim Postbank-Areal offenbar vermeiden.
Durch die Aufstockung steigt der Wert um 150 Millionen
Egal, ob Wohnraum entsteht oder nicht: Das neue Gebäude wird nach dem Umbau zwei Stockwerke zusätzlich haben. Insgesamt erweitert sich dadurch die Nutzfläche um 15.000 auf etwa 60.000 Quadratmeter. Setzt man einen eher niedrigen Quadratmeterpreis von 10.000 Euro an, ergibt sich der genannte Wertzuwachs von etwa 150 Millionen Euro.
Die Credit Suisse hatte übrigens ursprünglich gar keinen Wohnanteil eingeplant. Der anonyme Branchenkenner sagt: "Das wirkt auf mich wie vorauseilender Gehorsam der Behörden. Und oft habe ich das Gefühl, dass die Stadträte mit den Empfehlungen des Planungsreferates überfordert sind und im Zweifel alles durchwinken."
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