München: Eine Großdemo gegen Wohn-Wahnsinn
München - Studenten, die von Couch zu Couch ziehen, 82-jährige Rentnerinnen, die Zeitungen austragen, um ihre Miete aufbringen zu können – die Situation auf dem Münchner Wohnungsmarkt wird immer grotesker.
Jetzt haben sich sechs Münchner Organisationen zusammen getan – vom Sozialverband VdK bis zum Verein „Mieter helfen Mietern“ , um gemeinsam gegen diese Auswüchse zu protestieren. Am Samstag rufen sie alle Münchner dazu auf, bei der Groß-Demo „Stoppt die Mietpreisspirale“ am Stachus (13 Uhr) die neue Kampagne zu unterstützen. Beatrix Zurek vom Mieterverein glaubt, dass jetzt eine gute Zeit dafür ist. „Wir sollten in Zeiten des Wahlkampfes an die Politik appellieren.“ Um eine Art „Rettungsschirm“ für Mieter einzufordern.
Vor allem zwei Dinge seien dafür notwendig: eine Mietpreisbremse und ein Umwandlungsverbot von Wohnraum. Eine Deckelung der Mieten bei Neuvermietungen würde „Dampf herausnehmen“, sagt Zurek. Vermieter haben ein sehr großes Interesse an Mieterwechseln, weil sie derzeit bei Neuvermietungen verlangen können, was der Markt hergibt. Umfangreiche Modernisierungen, vorgetäuschte Eigenbedarfskündigungen, Schikanen, Mieterhöhungen – vielen Vermietern scheint jedes Mittel recht, um den angestrebten Mieterwechsel zu erreichen.
Beatrix Zurek wird auch nicht müde, das Umwandlungsverbot für Wohnraum zu fordern. Nur das Gegenteil würde helfen, sprich leer stehende Gewerberäume müssten zumindest vorübergehend als Wohnraum genutzt werden können.
Ein besonders bedrohliches Phänomen ist die Entmietung. „Es ist immer dasselbe Schema F, das da abläuft“, erklärt Maximilian Heisler (Bündnis bezahlbares Wohnen). Ein vernachlässigtes Wohnhaus werde verkauft, „ein Architekt spukt umher“, Erhaltungssatzungen würden umgangen, dann flattere den erschrockenen Mietern eine Modernisierungsankündigung in den Briefkasten. Heisler: „Am Ende sind die Mieten dann 50 bis 130 Prozent höher als vorher.“
Tatjana Schmidt von der Studierendenvertretung der LMU berichtet, dass viele ihrer Kommilitonen, gar nicht die Konzentration zum Studium aufbringen könnten, weil sie ständig mit der Wohnungssuche beschäftigt sind. Die Warteliste für einen Platz in einem Studentenwohnheim ist in München inzwischen 5000 Namen lang. Nur in Karlsruhe sei das noch schlimmer. Schmidt schlägt vor, Kasernen zu Wohnheimen umzufunktionieren. Die Bayernkaserne könnte den Anfang machen.
Nicht nur Studenten finden kaum noch bezahlbaren Wohnraum. Eine Verkäuferin müsste augenblicklich zwei Drittel ihres Einkommens für eine Warmmiete anlegen. Ein Unding. Diese Rechnung macht Genossenschaftsvermieter Christian Stupka (GIMA) auf. Eine Lösung könnte sein, dass die Stadt Grundstücke billiger abgibt und sich die Investoren dafür verpflichten, eine Mietpreisbindung einzugehen.
„Wir wollen hier auch alt werden können“, sagt Ulrike Mascher vom VdK. Doch das werde immer schwieriger, so ihre Erfahrung.
Die Organisatoren erwarten bis zu 2000 Teilnehmer am Stachus. Wenn es mehr Protestler gegen Münchens Wohn-Wahnsinn werden – umso besser.