München: Der vergessene Brandanschlag am Gärtnerplatz

Der Brandanschlag auf ein jüdisches Gemeindehaus im Jahr 1970 ist nur noch wenig bekannt. Jetzt gibt es eine Kunst-Aktion am Gärtnerplatz.
von  Marie Heßlinger
© Heinz Gebhardt

München - Es ist der 13. Februar 1970. Über dem Gärtnerplatzviertel liegt eine dünne Schneedecke. Eine Person lässt sich zur Reichenbachstraße 27 fahren. Sie hat einen Kanister mit 20 Litern Benzin bei sich. Das verteilt der Unbekannte in dem sechsstöckigen Treppenhaus, den Aufzug versperrt er.

Leopold Gimpel bringt seinem Nachbarn Max Blum gerade ein Buch nach oben, als das Feuer ausbricht. Blum springt aus dem 14 Meter hohen Fenster. Gimpel flüchtet in die Toilette – eine Sackgasse. Vier weitere Nachbarn versuchen vergeblich, sich durch das Treppenhaus zu retten.

18 Menschen konnte die Feuerwehr retten, sieben Menschen kamen ums Leben.
18 Menschen konnte die Feuerwehr retten, sieben Menschen kamen ums Leben. © Heinz Gebhardt

Unbekannter Täter verteilt Benzin im Treppenhaus

Am Donnerstag vor 50 Jahren wurden sieben Jüdinnen und Juden in der Reichenbachstraße 27 ermordet. 18 weitere konnten gerettet werden. Der Kabarettist Christian Springer erinnert nun mit einer Installation am Gärtnerplatz an die Tat. Sie soll auch bei der Suche nach den Tätern helfen. "Ich wollte keine Bronzetafel", sagt Springer. "Die Täter sind unter uns." Seine Ansage: "Wir werden nachhaken, nachhaken, nachhaken."

Drei Jahre hat sich der Autor mit dem Attentat beschäftigt. "Ich hatte gehofft, dass ich meine Recherche so weit betreiben kann, dass ein Weiterkommen in den Ermittlungen möglich ist", sagt der 55-Jährige. "Das ist nicht passiert." Doch die Installation sei ein Anfang. In einem Container vor dem Gärtnerplatztheater sind auf Holztafeln Fotos abgedruckt, welche die Räume des Gemeindehauses nach dem Brand zeigen. Ausgeschnittene Silhouetten erinnern an die Verstorbenen.

Christian Springer hat einen Container installiert.
Christian Springer hat einen Container installiert. © Petra Schramek

Katharina Kuhlmann hat die Installation zusammen mit Alfred Küng entworfen. "Mir fällt es leichter mit den Silhouetten. Weil die Leute dadurch wieder ein bisschen da sind", sagt sie. "Es ist die Hölle."

Die 52-Jährige ist in München geboren. Doch von dem Attentat wusste sie bis vor Kurzem nichts. So wie ihr geht es vielen. Warum erinnern sich heute nur noch so wenige an den Anschlag in den 70er Jahren? "Viele Holocaust-Überlebende haben keine Angehörigen", sagt Springer. Und München sei vor den Olympischen Spielen in Aufruhr gewesen. In den 70ern gab es mehrere antisemitische Attentate.

Kaum einer erinnert sich noch an diese schreckliche Tat

Hinzu kommt: "Schon am 1. April wurden die Ermittlungen zu der Tat eingestellt", sagt Springer. Ein 19 Jahre alter Verdächtiger kam wegen fehlender Beweise wieder frei. Der am Tatort gefundene Benzinkanister sei heute nicht mehr bei der Polizei auffindbar. Damit die Tat 50 Jahre später nicht wieder untergeht, bietet Springer Führungen an: am 16. und 23. Februar um 10.30 Uhr, am 1. März um 16 Uhr. Treffpunkt ist das Jüdische Museum.

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