München: Dem Verbrechen auf der Spur - dank DNA

Hautschuppen, Blut, Haare oder Schweiß können sogar unsere Augenfarbe verraten. Was Ermittler dürfen – und was nicht. Und in welchen Fällen Täter anhand ihrer DNA überführt wurden.
von  Nina Job
Dem Verbrechen auf der Spur: Dank genetischem Fingerabdruck können viele Fälle gelöst werden.
Dem Verbrechen auf der Spur: Dank genetischem Fingerabdruck können viele Fälle gelöst werden. © imago/Science Photo Library

München - Bei der Fahndung nach Verbrechern ist das DNA-Muster, der sogenannten genetischen Fingerabdruck, heute nicht mehr wegzudenken. Winzige Hautschüppchen, Blutstropfen, Haare oder Sekrete können beweisen, dass wir an einem bestimmten Ort waren – auch wenn wir das Gegenteil behaupten.

Um ein DNA-Identifizierungsmuster erstellen lassen zu können, reicht es, mit einem Wattestäbchen in der Innenseite der Mundhöhle entlang zu streichen. Umgekehrt sagen DNA-Spuren an einem Tatort sehr viel aus über den Verursacher. Theoretisch könnten sogar die Augen- und Haarfarbe oder der Kontinent, von dem wir stammen, bestimmt werden. In vielen Ländern sowie präventiv im neuen Polizeiaufgabengesetz (PAG) ist dies bereits möglich. "Merkwürdigerweise im Strafrecht derzeit noch nicht", kritisiert Hans Kornprobst, Chef der Staatsanwaltschaft München I. "Obwohl das wünschenswert wäre."

Am Donnerstag berichteten Ermittler aus seiner Behörde von spektakulären Fällen, bei denen DNA- Spuren entscheidend dazu beitrugen, Verbrecher zu überführen – vom falschen Taxifahrer, der im Auto über Frauen herfällt bis zum Juwelenräuber.

Fall 1: Sex-Täter tarnt sich als Taxler

Dank Abgleich der DNA bei ähnlichen Fällen, kamen die Ermittler einem Mann auf die Spur, der sich offenbar als Taxifahrer ausgab, um Frauen in seinem Auto zu missbrauchen. Eine Vergewaltigung fand nach dem Oktoberfest statt.

Fall: Im April 2017 stieg eine junge Frau nachts an einem Taxistand in der Nähe des Ostbahnhofs in ein Auto, das sie für ein Taxi hielt. Anne-Sophie M. hatte lange gefeiert, ihr war übel. Sie nannte dem Fahrer ihre Adresse am Stadtrand von München, wollte nur noch nach Hause – vermeintlich sicher.

Doch der Fahrer nutzte die hilflose Lage der Frau aus. Schon während der Fahrt langte er ihr zwischen die Beine, drang mit dem Finger in sie ein. Kurz vor ihrem Zuhause hielt der Fahrer an einer abgelegenen Stelle, legte sich im Auto auf sie und vergewaltigte sie. "Die Geschädigte war zu dem Zeitpunkt in einem sehr schlechten körperlichen Zustand und konnte sich deshalb nicht wehren", so Staatsanwalt Max Weihrauch am Donnerstag.

Vergewaltiger gab freiwillig einen Probe ab

Als der Mann von ihr abließ und sie aus dem Auto gestiegen war, gelang es der Frau trotzdem, sich das Nummernschild zu merken. "Während sie zur Polizei ging, sagte sie es immer wieder vor sich hin", so der Staatsanwalt. Anhand des Kennzeichens ermittelt die Polizei Arif C. als Halter. Er behauptete, die Frau nicht zu kennen.

Und Auto gefahren sei er an dem Tag auch nicht. Doch der Verdächtige erklärte sich bereit, freiwillig eine DNA-Probe abzugeben. Damit lieferte er selbst den Beweis: Denn sein DNA-Muster stimmte mit der männlichen DNA überein, die nach der Vergewaltigung sichergestellt worden war.

Arif C. wurde am 19. November vergangenen Jahres wegen Vergewaltigung zu drei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Er ging in Berufung, die Staatsanwaltschaft ebenfalls.

Zweite Vergewaltigung mit Probenabgleich aufgeklärt

Im Zuge der Ermittlungen konnte die Polizei dem Mann noch einen zweiten Fall nachweisen. Er geschah nur vier Monate nach der ersten Tat. Zur Wiesnzeit, Anfang Oktober 2017 hatte Sabrina F. nach dem Besuch des Oktoberfests in der Innenstadt noch weitergefeiert.

Ein Freund von ihr wollte sie zu später Stunde in ein Taxi setzen, damit sie sicher nach Hause kommt. Laut Staatsanwalt wollte er ein Taxi rufen, als er von einem Mann angesprochen wurde, der seine Dienste als Fahrer anbot. Der vermeintliche Taxifahrer stand mit seinem Privatauto zwischen echten Taxen an einem Taxistand.

Zeuge beschrieb sein Auto

Der Freund ging davon aus, dass der Fahrer für einen privaten Fahrdienst unterwegs war. Er gab dem Mann die Adresse der Freundin und zahlte die Fahrt im Voraus. Während der Fahrt schlief Sabrina F. ein. Als sie aufwachte, hatte der Täter sein Fahrzeug unweit ihrer Wohnung geparkt. Wieder vergewaltigte der Fahrer seinen weiblichen Fahrgast mit dem Finger. Danach ließ er die Frau laufen.

Bei den Ermittlungen stieß die Polizei wieder auf Arif C. Der Freund konnte das Auto des falschen Taxlers beschreiben – die Beschreibung stimmte mit dem silbernen Auto von Arif C. überein. Daraufhin veranlasste die Staatsanwaltschaft einen Abgleich der bei der Wiesn-Besucherin gesicherten männlichen DNA mit der DNA des Beschuldigten aus dem ersten Fall – Treffer! Seit Dezember 2018 sitzt der Beschuldigte (wieder) in U-Haft. Bald soll Anklage erhoben werden.

Fall 2: Das Blut des Juwelenräubers

Bei einem Raubüberfall auf ein Juweliergeschäft in Harlaching lieferten Blutstropfen den Beweis, dass ein Verdächtiger am Tatort war. Am 5. April 2017 stürmten fünf Männer das Juweliergeschäft in der Peter-Auzinger-Straße. Die Täter hatten sich mit Schals die Gesichter vermummt. Sie sprühten den vier Angestellten und drei Kunden Pfefferspray ins Gesicht, bedrohten sie mit einer Waffe.

Die Männer zerschlugen mit Hämmern die Vitrinen, rafften in Windeseile 120 teure Uhren zusammen und ein paar Schmuckstücke und flüchteten anschließend so schnell, wie sie gekommen waren. Die Uhren hatten einen Wert von mehr als 300.000 Euro, der Schaden im Geschäft betrug etwa 40.000 Euro.

Räuber hinterließ Blutspur

Dumm für die Täter: Ein Räuber hatte sich an einer Vitrine verletzt, er hinterließ eine Blutspur. Auch ließen die Männer ein Pfefferspray zurück, das aus Litauen stammte. Und schließlich hatten Kameras alles aufgezeichnet – auch als einem der Täter der Schal im Gesicht verrutschte.

Die Polizei ermittelte, dass am selben Tag ein Volvo aus Litauen an der deutsch-österreichischen Grenze kontrolliert worden war. Über das Kennzeichen konnte der Halter ermittelt werden. Die Ermittler erwirkten über ein Rechtshilfeersuchen eine Hausdurchsuchung und fanden in der Wohnung in Vilnius den Rucksack, in den die Räuber ihre Beute gestopft hatten. Das Blut vom Tatort bestätigte, dass einer der Verdächtigen am Tatort in München gewesen war.

Zwei Räuber wurden wegen schweren Raubes und Körperverletzung angeklagt, einer im Juli 2018 bereits zu neun Jahren Haft verurteilt. Von der Beute fehlt allerdings noch immer jede Spur.

Hintergrund: DNA bleibt gespeichert

Damit Körperzellen gegen den Willen der Person entnommen werden dürfen, muss ein richterlicher Beschluss vorliegen. Voraussetzung ist, dass die Straftat von erheblicher Bedeutung oder gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist. In laufenden Verfahren wird das DNA-Material vom Tatort mit dem "genetischen Fingerabdruck" einer konkret verdächtigen Person abgeglichen.

Ist das DNA-Material nicht mehr erforderlich, ist es "unverzüglich zu vernichten". Im Gegensatz zu anderen Ländern dürfen bei uns Alter, Haut- oder Haarfarbe nicht ausgelesen werden. Besteht die Gefahr, dass der Beschuldigte auch künftig Straftaten begeht, kann das DNA-Identitätsmuster für die künftige Strafverfolgung gespeichert werden. Dies gilt auch für bereits Verurteilte und nicht Schuldfähige (zum Beispiel geistig Behinderte).

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