München: Das Krokodil im Putzeimer

Die Münchner Auffangstation für Reptilien platzt aus allen Nähten. Immer mehr Besitzer von exotischen Tieren stoßen ihre einstigen Lieblinge einfach wieder ab.
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Das Krokodilbaby "Paul" in der Auffangstation fuer Reptilien, aufgenommen am Mittwoch (01.06.11) in Muenchen. Paul bevorzugt feuchtwarme Luft und truebes Wasser. Baumrinde und Wasserlinsen geben dem 30 Zentimeter grossen Krokodil-Baby Deckung. Der Brillenkaiman ist erst kuerzlich in sein neues Zuhause eingezogen - ein Plastikbecken in einem Kellerraum der Muenchner Auffangstation fuer Reptilien.
dapd Das Krokodilbaby "Paul" in der Auffangstation fuer Reptilien, aufgenommen am Mittwoch (01.06.11) in Muenchen. Paul bevorzugt feuchtwarme Luft und truebes Wasser. Baumrinde und Wasserlinsen geben dem 30 Zentimeter grossen Krokodil-Baby Deckung. Der Brillenkaiman ist erst kuerzlich in sein neues Zuhause eingezogen - ein Plastikbecken in einem Kellerraum der Muenchner Auffangstation fuer Reptilien.

Die Münchner Auffangstation für Reptilien platzt aus allen Nähten. Immer mehr Besitzer von exotischen Tieren stoßen ihre einstigen Lieblinge einfach wieder ab.

München - Paul bevorzugt feuchtwarme Luft und trübes
Wasser. Baumrinde und Wasserlinsen geben dem 30 Zentimeter großen
Krokodil-Baby Deckung. Der Brillenkaiman ist erst kürzlich in sein
neues Zuhause eingezogen – ein Plastikbecken in einem Kellerraum der
Münchner Auffangstation für Reptilien. Neben ihm wohnen eine
Schlange und mehrere Schildkröten. Sie alle teilen ein Schicksal:
Sie wurden von ihren früheren Besitzern verstoßen. „Das ist ein
Trend“, sagt der Leiter der Station, Markus Baur. Seine Einrichtung
platzt aus allen Nähten.

„Es ist eine Skandal, wie manche Halter mit ihren Tieren
umgehen“, klagt Baur, der die Station seit 15 Jahren leitet. Die
Räume am Englischen Garten sind mit Terrarien, Aquarien und selbst
gebauten Becken provisorisch eingerichtet. Die Zahl der Tiere, die
in der Auffangstation landen, steige Jahr für Jahr, sagt er. Derzeit
versorge das Team 700 Tiere. Viele Reptilien werden vom Zoll
beschlagnahmt, aber immer mehr Tierhalter trennen sich von sich aus
von ihren einstigen Lieblingen, weiß Baur.

Reptilien die Toilette hinuntergespült


Den Leiter der Auffangstation ärgert vor allem, auf welche Weise
sich manche Menschen ihres Tieres entledigen. „Viele spülen sie die
Toilette hinunter oder setzen sie einfach aus.“ Vor kurzem erst sei
eine Schlange in München in einer Mülltonne gefunden worden. Kaiman
Paul stand in einem Putzeimer vor der Tür eines Tierheims in
Augsburg. „Das ist Quälerei, weil er damit auf dem Präsentierteller
lag und Todesangst hatte“, kritisiert Baur.

In Bayern ist das Halten von sogenannten gefährlichen Tieren
wildlebender Art grundsätzlich verboten. Dazu gehören auch Kaimane
wie Paul. Wer dennoch eine Giftschlange oder einen Alligatoren
halten will, muss sich die Erlaubnis von der jeweiligen Gemeinde
einholen, bestätigt das Kreisverwaltungsreferat München. Wie viele
dieser Tiere in Bayern leben, sei aber unklar. Denn viele Halter
würden sich von den strengen Bestimmungen nicht abhalten lassen.
„Die Dunkelziffer ist viel höher“, sagt die Sachbearbeiterin für den
Bereich allgemeine Gefahrenabwehr, Brigitte Beer.

Das Tier soll zur Couch passen

Nach Angaben der Münchner Tierschutzorganisation Pro Wildlife
sind immer mehr Besitzer mit ihren Tieren überfordert. „Viele machen
sich keinen Begriff davon, was es heißt, ein Haustier zu betreuen“,
sagt Reptilienexpertin Sandra Altherr. „Reptilien werden beim Kauf
oft als unkompliziert dargestellt: Sie brauchen kein Futter, man
muss nicht mit ihnen Gassi gehen und man bekommt keine Allergien,
weil sie nicht behaart sind.“ Für viele seien sie nichts als ein
Deko-Faktor für die Wohnung, weil sie exotisch sind. Altherr:
„Reptilien werden dann passend zur Farbe der Couch gekauft.“
Paul wird gerade von einem Pfleger aus dem Wasser gehoben. Er
will sehen, wie sich die kleine Wunde am Maul entwickelt. Der Kaiman
faucht, um seinen Gegner abzuwehren und sperrt das Maul weit auf.
Baur kennt die Vorbesitzer jener Reptilien, die in der
Auffangstation landen, oft nicht. Der Stationsleiter weiß aber, dass
viele der Tiere falsch gehalten wurden. Das sehe man an dem
schlechten Zustand. „Krokodile haben oftmals einen auffällig breiten
Kopf, oder Zähne wachsen seitlich aus dem Maul.“

Pauls Wunde verheilt langsam. Vom Schock seiner Verbannung hat
sich das Kaiman-Baby erholt. Jetzt tobt es vergnügt durch das trübe
Wasser in seinem neuen Revier. In der überfüllten Auffangstation
aber kann er nicht auf Dauer bleiben. Die Mitarbeiter der Station
hoffen, dass sie für Paul bald ein neues Zuhause finden.

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