München: Dank Virtual Reality - Stadtplanung mit dem Finger

Die Stadt will die Planung von großen Bauprojekten verbessern. Dabei helfen soll eine leistungsstarke Computerbrille.
von  Florian Zick
Setzen auf digitale Hilfsmittel: Kommunalreferentin Kristina Frank und Bürgermeister Josef Schmid.
Setzen auf digitale Hilfsmittel: Kommunalreferentin Kristina Frank und Bürgermeister Josef Schmid. © Petra Schramek

München - Es gibt wahrscheinlich bessere Termine als diesen, wo die Gefahr groß ist, irgendwie blöd dazustehen. Aber was soll’s, was macht man nicht alles im Wahlkampf? Bürgermeister Josef Schmid (CSU) setzt sich deshalb die schwere Computerbrille auf, die ihn ein bisschen aussehen lässt wie den Terminator. Und dann geht’s auch schon los.

"Wissen Sie wie der Air Tap funktioniert?", fragt die junge Dame, die in die Technik einweist. Und sogleich füllt sich der Raum mit Fragezeichen. Wie der was funktioniert? Der Air Tap? Ja genau, der Air Tap. Diesen Begriff sollte man sich merken. Denn was heute noch das Wischen auf dem Smartphone ist, das wird schon bald der Air Tap sein, der Fingertipper in der Luft. Die Software der Zukunft wird sich womöglich irgendwann nur noch mit solchen Gesten steuern lassen.

Das Gefuchtel mit den Händen hat einen ernsten Hintergrund

Auch die Computerbrille auf der Nase des Bürgermeisters funktioniert mit Air Taps. Schmid fuchtelte am Freitag bei der Vorstellung der Brille deshalb auch wie wild in der Luft herum. Das sah natürlich herrlich albern aus – hat aber auch einen ernsten Hintergrund.

Gemeinsam mit dem Ismaninger Start-up-Unternehmen Holo Light will die Stadt die leistungsstarke Brille für die Stadtplanung nutzbar machen. Denn natürlich verfügt die Stadt in ihren Katastern über eine Unmenge an Daten. Allerdings: Diese lassen sich mitunter nur schwer aufbereiten.

Setzen auf digitale Hilfsmittel: Kommunalreferentin Kristina Frank und Bürgermeister Josef Schmid.
Setzen auf digitale Hilfsmittel: Kommunalreferentin Kristina Frank und Bürgermeister Josef Schmid. © Petra Schramek

Die Stadt arbeitet an einem digitalen Zwilling von München

Seit 1999 arbeitet der beim Kommunalreferat angesiedelte Geodaten-Service der Stadt sogar an einem 3D-Modell von München. Durch Befliegungen und Befahrungen entsteht ein digitaler Zwilling der Stadt – ganz ähnlich dem, den man von Google Streetview auf dem Smartphone her kennt, nur eben sehr viel detaillierter.

Dieses 3D-Modell will Holo Light nun für die Computerbrille aufarbeiten. Stadtplanung könnte in Zukunft dann ganz anders funktionieren. Denn ob sich ein neues Haus in seine Umgebung einfügt oder nicht, könnte man mit der neuen Software schon vorab prüfen. Computerbrille auf, das geplante Haus im 3D-Modell an die gewünschte Stelle schieben, und einfach mit ein paar Fingerklicks größer oder kleiner ziehen. Et voilà: Schon hat man eine bessere Vorstellung.

München von oben: Atemberaubende Ansichten

"Gamification" nennen Experten dieses spielerische Herummodifizieren in der digitalen Welt. In weiten Teilen Asiens gehöre diese Art von Vorplanung schon zum Standardverfahren, sagt Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU). "In Deutschland hinken wir da leider noch ein bisschen hinterher." Aber zumindest München versuche, da jetzt gleichzuziehen.

Bald möglich: ein virtueller Spaziergang durch Freiham-Nord

Bis Ende des Jahres will das Start-up Holo Light anhand der bestehenden Planungen nun schon einmal eine Visualisierung von Freiham-Nord erstellen. Mit der Computerbrille auf der Nase soll man im Münchner Westen dann durch das zukünftige Stadtviertel spazieren können – dabei ist das dortige Baufeld in Realität bislang vollkommen leer.

Natürlich ist die Computerbrille vor allem fürs Bauwesen hilfreich. Aber auch bei der Planung von Verkehrswegen könnte sie sich noch als sehr nützlich erweisen, glaubt Bürgermeister Schmid. "Wir haben noch gar keine Vorstellung, was da alles möglich ist", sagt er. Stadtplanung mit dem Finger – das soll’s in Zukunft aber jedenfalls öfter geben.

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