Impf-Guides in München - Studenten im Einsatz gegen "lausige Impfquote"

Das Rathaus und die Uni wollen angehende Ärzte in die Münchner Stadtviertel schicken, um Impfmuffel zu überzeugen - darunter Ausländer, Esoteriker oder Yogis.
Helena Ott |
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In München wird schon viel geimpft, aber die Impfquote ist noch zu niedrig
In München wird schon viel geimpft, aber die Impfquote ist noch zu niedrig © Christoph Schmidt/dpa

München - Mehr als ein Viertel der Münchner ist noch nicht zweifach geimpft. Das bietet dem Virus weiter gute Verbreitungschancen. Nun soll - nach Bremer Vorbild - die Impfung zum Menschen kommen: In München werden Studierende ausschwärmen, um in den Vierteln Überzeugungsarbeit zu leisten. Um für etwaige Konflikte gewappnet zu sein, gibt's auch ein Deeskalationstraining.

München: Tausende Impfungen täglich, zu wenig zweifach Geimpfte

Im Impfzentrum in Riem und an den Zweigstellen am Marienplatz, in den Pasing Arcaden oder der Theresienwiese werden pro Tag Tausende Menschen geimpft. Dazu gibt es Sonderaktionen in Pfarrsälen, Einkaufszentren oder Fußballstadien. Aber bisher greift diese Strategie zu wenig. Erst bei einer Impfquote von über 80 Prozent sehen Virologen das Virus deutlich gehemmt. Die bundesweite Impfquote von knapp 74 Prozent zweifach Geimpfter ist also nicht ausreichend.

Impfmüde: München mit nur 69 Prozent Impfquote

Die Gesundheitsreferentin der Stadt Beatrix Zurek (SPD) attestierte den Münchnern schon vor einer Woche eine gewisse "Impfmüdigkeit”. Die Isarstadt ist mit einer Impfquote von 69 Prozent das Schlusslicht im Vergleich der fünf größten deutschen Städte. Hamburg lag zum Wochenende knapp vor der 80 Prozent-Marke und auch Berlin ist schon bei einer Impfquote von knapp über einem Dreiviertel der Bewohner angelangt.

Ganz vorn liegt die Impfvorzeigestadt Bremen: Dort sind mit 85,6 Prozent bundesweit die meisten Menschen doppelt geimpft. Die Hansestadt setzte früh auf Sonderaktionen und darauf, die Impfungen zu den Menschen in die Stadtviertel zu bringen. So konnten sich beispielsweise vor Weihnachten bei einer "Impf-Disco" die Zwölf- bis 17-Jährigen zu DJ-Sounds impfen lassen.

50 junge Leute sollen ausschwärmen und mit Falschinfos aufräumen

In München will das Gesundheitsreferat jetzt dringend aufholen. Im Januar wurden pro Tag durchschnittlich 7700 Personen geimpft, sagt eine Sprecherin des Gesundheitsreferats. Das sind etwa 500 weniger als im Juli 2021, als noch mehr Menschen eine Erst- und Zweitimpfung brauchten.

Zuletzt gab es Gerüchte, dass im Impfzentrum viele Impflinge nicht zu ihrem angemeldeten Termin erscheinen würden. Das dementiert eine Sprecherin des Gesundheitsreferats jedoch: Die "No-Show-Rate”, also der Teil der Impflinge, die nicht kommen, liege bei Biontech-Impfungen bei rund zwei Prozent und bei Moderna bei sieben Prozent. Wer einen Termin hat, der kommt also meistens auch. Zudem kann man in Riem auch ohne Termin zum impfen kommen.

Viele Impfzentren in der Stadt

Doch Riem ist fast zehn Kilometer vom Stadtkern entfernt. Und trotz der guten Anbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln für Menschen mit eingeschränkter Mobilität schwer zu erreichen. Auch aus diesem Grund hat die Stadt im Sommer zusätzlich mobile Impfstationen in Einkaufszentren, Moscheen, Vereinen oder bei Impfbus-Stationen der Aicher Ambulanz realisiert.

Doch wer sich nicht impfen will, der wird auch einen Bogen um die Impfteams machen. Und fast zehn Monate nach dem Start der Kampagne ist davon auszugehen, dass alle Willigen einen Weg zum Vakzin gefunden haben.

Impf-Guides: Studenten sollen Impfunwillige überzeugen

Daher heißt es jetzt ausschwärmen: Die Stadt möchte schon bald sogenannte Impf-Guides einsetzen. Sie sollen in Stadtviertel gehen und "niedrigschwellig”, wie es in der Ankündigung heißt, auf die Bewohner zugehen. "Die Corona-Schutzimpfung ist unsere einzige Möglichkeit, die Pandemie zu überwinden. Und jede einzelne Impfung zählt!”, sagt die dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) über die neue Initiative.

Angelehnt an das Projekt in Bremen sollen die Impf-Guides mit Bewohnern der Viertel ins Gespräch kommen, informieren und Falschinformationen, wie dass die Impfung unfruchtbar machen würde oder einen Computerchip enthalte, entkräften.

Dazu greift die Stadt auf das Hilfsangebot der Fachschaft der Medizin-Studenten der LMU zurück. Sie wollten sich schon länger stärker in die Impfkampagne einbringen. Martin Fischer, Leiter der Ausbildungsforschung der LMU-Medizin, sieht eine Chance darin, dass viele Medizinstudenten international sozialisiert seien und zusätzliche Sprachen sprechen. "Über 20 Prozent stammt aus dem Ausland”, sagt Fischer, der das Projekt leitet. Er hofft, dass es ihnen so gelingt, "einige Brücken zu bauen, um Menschen für die Impfung zu gewinnen”.

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Auch Haidhausen oder das Glockenbachviertel sind mögliche Ziele

"So ein Projekt ist überfällig, angesichts der lausigen Impfquote in der Stadt”, sagt Fischer. Aber besser spät als nie, findet der Hochschulprofessor. Im Februar will er Kurse anbieten, um die Studierenden auf ihre Einsätze vorzubereiten. In den Kursen sollen die neuesten virologischen Erkenntnisse vermittelt werden, aber auch Argumente gegen Verschwörungstheorien. Um Konflikte draußen zu entschärfen, soll bei dem halbtägigen Kurs auch ein Deeskalationstraining enthalten sein, sagt Fischer.

Zunächst wollen Stadt und LMU das Projekt mit 50 Studierenden starten. Die Impf-Guides könnten aber nicht nur in sozioökonomisch schwächeren Stadtvierteln eingesetzt werden, findet Fischer, sondern auch in Vierteln wie Haidhausen oder dem Glockenbach, wo eine höhere Dichte an Menschen lebt, die der Waldorfbewegung angehören sowie mutmaßlich Esoterikanhänger oder impfskeptische Yogis.

"Ich habe selbst noch keine Ahnung, wer sich wirklich überzeugen lassen wird”, sagt Projektleiter Martin Fischer. Er ist schon gespannt auf die ersten Berichte seiner Studierenden.

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16 Kommentare
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  • AlbertM am 01.02.2022 19:12 Uhr / Bewertung:

    Das finde ich sehr mutig, sich mit Impfverweigerern und CoronaLeugnern auf eine intelligente Basis auseinanderzusetzen. Obs hilft, ich hoffe das, zweifle aber sehr. Danke für euer Engagement!

  • Hel am 01.02.2022 13:56 Uhr / Bewertung:

    Die "Verbreitungschancen" haben mit der Impfung gar nichts zu tun!

  • Dr. Schönfärber am 01.02.2022 10:23 Uhr / Bewertung:

    Mit der Ansage: "Bitte, bitte, kommt zum Impfen. Dazu müsst ihr es aber einmal schaffen vor 11.00 Uhr aufzustehen". Sonst noch was? Impfzwang mit allen Konsequenzen, für alle. Fertig, aus!

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