München baut um

Leichter zum Flughafen, Entlastung für die S-Bahn-Stammstrecke. Im Stadtrat werben Verkehrsexperten für ihre Konzepte für eine boomende Stadt mit Olympia-Ambitionen
Die Metropole München boomt, und das macht Probleme: Rund 180000 neue Bürger werden bis zum Jahre 2020 in der Region erwartet, allein im Umland wird der Verkehr um 18 Prozent zunehmen. Doch die Verkehrssysteme auf Straße und Schiene sind heute schon ausgereizt, die S-Bahn steht in den Spitzenzeiten vor dem Kollaps. Der Flughafen braucht seit Jahren einen Schienenanschluss, und dann wünschen sich viele die olympischen Winterspiele 2018. Auch dafür braucht’s hochleistungsfähige Verkehrswege. Da werden viele Varianten auf den Reißbrettern geplant, um die Verkehrsprobleme in den Griff zu bekommen.
Gestern holte sich der Stadtrat versammelten Sachverstand ins Rathaus, und wägte bei einem Hearing konkurrierende Angebote ab. Im Fokus: die zweite S-Bahn-Stammstrecke und der Südring.
Die zweite Stammstrecke
Sie wird seit fünf Jahren entwickelt. Der aktuelle Plan: Nach Laim führt sie in den Tunnel, fährt parallel zur alten Stammstrecke zum Ostbahnhof und hält nur am Hauptbahnhof und am Marienplatz.
Die Kritiker monieren: Zwei Haltestellen seien zu wenig, und außerdem würden keine neuen Gebiete davon profitieren. Die Befürworter sagen: Damit werden der heute schon überquellende Hauptbahnhof und der Marienplatz entlastet. Das seien für die Fahrgäste die beiden zentralen Punkte. Geschätzte Kosten: 1,64 Milliarden Euro.
Neu ist: Die zweite Röhre fährt zum Ostbahnhof und nicht mehr über den Leuchtenbergring. Zusätzliche Eingänge sind am Orleansplatz und am Pariser Platz geplant. Am Ostbahnhof und am Hauptbahnhof geht es 42 Meter unter die Erde – so tief wie noch nie in München. Die tiefste Stelle erreicht die U-Bahn zwischen Stachus und Odeonsplatz: 34 Meter.
Eine Abzweigung nach Giesing ist mit vorbereitet (falls sie später gebaut werden sollte). Diese Umplanung wurde notwendig, weil nach dem Aus für den Transrapid eine zusätzliche Flughafenanbindung geschaffen wird.
Der S-Bahn-Südring
Den favorisieren vor allem die Grünen als Alternative. Nach den Plänen des Ingenieurbüros Vieregg-Rössler soll dafür die bisherige Bahnstrecke vierspurig ausgebaut werden. Der Südring führt von Laim, Heimeranplatz, Poccistraße und Kolumbusplatz zum Ostbahnhof. Damit bekommt der Südrand der Innenstadt S-Bahn-Anschluss. Für den Südring müssen alle Brücken neu gebaut, entlang der Strecke bis zu sechs Meter hohe Lärmschutzwände gebaut und mit vielen Anwohner gestritten werden. Geschätzte Kosten: 395 Millionen Euro. 2011 könnte der Bau begonnen, meint Vieregg, 2017 könnte er fertig sein.
Das bezweifeln allerdings die Planer der Bahn: Die Planungszeiten wären mit allen Genehmigungen und Einsprüchen viel länger. Und: Der Südring fahre nicht die zentralen Punkte Hauptbahnhof und Marienplatz an. Die zweite Stammstrecke bringe 38 Prozent mehr Passagiere, der Südring nur 15 Prozent.
Weniger Menschen würden wegen dem Südring aufs Auto verzichten als wegen der Stammstrecke, die deshalb ökologischer sei.
Der Nordtunnel
Den schlagen Vieregg und Rössler als Alternative für die Flughafenanbindung vor: Eine S-Bahnverbindung die an der Hackerbrücke in den Tunnel geht, über Hauptbahnhof, Pinakotheken, Münchner Freiheit und Parkstadt Schwabing bis zum Frankfurter Ring unterirdisch fährt. Diese Nordroute passiert Garching und fährt zum Flughafen. Geschätzte Kosten: 2,47 Milliarden Euro. Außer den Planern fanden sich dafür noch keine großen Befürworter. „Ein Nordtunnel bringt keine Lösung für die Probleme südlich der Stammstrecke“, meint MVG-Chef Herbert König.
Die U-Bahnlinie 9
So heißt dagegen Königs aktuelle Ideenplanung. Damit könnten vier Probleme der U-Bahn entschärft werden: Die Nord-Süd-Linien U3 und U6 und die West-Ost-Linien U1 und U2 haben in Spitzenzeiten kaum noch Kapazitäten. Zudem sind die zentralen U-Bahnhöfe Sendlinger Tor, Hauptbahnhof und Odeonsplatz schon überlastet. Entlastung könnte eine U9 bringen, die von der Implerstraße über den Hauptbahnhof zur Münchner Freiheit fährt, wo sie Anschluss an U3 und U6 hat. König: „Die Kosten können noch nicht seriös geschätzt werden.“
Die Express-S-Bahnen
Sie könnten in Varianten zum Flughafen fahren: Die Express-S-Bahn light auf der S1 (wogegen es massive Proteste gibt). Und Udes Express-S-Bahn über den Münchner Osten. Beide sind abhängig vom Ausbau der Stammstrecke. Die nächste wichtige Entscheidung zur Zukunft der S-Bahn fällt im Sommer. Dann will der Freistaat entscheiden, wie die Schienenverbindung zum Flughafen verläuft: Sieben Varianten gibt es dafür. Dann ist auch die Planung für die zweite Stammstrecke beim Ostbahnhof fertig.
„Wir reden seit fünf Jahren und stehen jetzt kurz vor dem Ziel“, mahnte MVV-Geschäftsführer Alexander Freitag im Stadtrats-Hearing. Dort zeichnete sich bei den zuhörenden Politikern mehr Sympathie für die zweite Stammstrecke ab. Die Entscheidung treffen Bahn (als Planer), Land (als Besteller) und Bund (als Zahler).
Die Stadt gibt nur eine Stellungnahme ab. Und das tat OB Christian Ude schon mal - wohl wissend, dass ihm die Grünen dabei kaum folgen. Seine sieben Gründe für die zweite Stammstrecke: Die Kunden wollen sie. Es steigen mehr Leute vom Auto auf die S-Bahn um. Der Südring wäre laut und verursache viele oberirdische Baustellen. Der technisch komplizierte und teure Nordtunnel sei eine „Kampfansage an Garching“, weil dieser Stadt dann zahlende U-Bahnkunden verloren gingen. Der Südring werde nicht rechtzeitig vor den erhofften Olympischen Winterspielen 2018 fertig; man kenne weder die Zahl der neuen Brücken, noch seien die Prozesse der Anwohner einschätzbar. Für den Südring gebe es „keine echte Planungstiefe“ und keine seriösen Kostenschätzung. Dann gebe es „anders als beim Transrapid keine zwingenden Gründe“, das Projekt zu verhindern.
Will Bock