München arbeitet kurz

Kurzarbeit bewahrt Deutschland vor der Massenarbeitslosigkeit. Mitten in der Finanzkrise ist die Arbeitslosigkeit mit 8,5 Prozent noch vergleichsweise gering. Doch das Wundermittel Kurzarbeit ist teuer - und das System klappt nur, wenn die Wirtschaft sich erholt.
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MÜNCHEN - Kurzarbeit bewahrt Deutschland vor der Massenarbeitslosigkeit. Mitten in der Finanzkrise ist die Arbeitslosigkeit mit 8,5 Prozent noch vergleichsweise gering. Doch das Wundermittel Kurzarbeit ist teuer - und das System klappt nur, wenn die Wirtschaft sich erholt.

Krise, Rezession, Umsatzeinbrüche – noch merkt man davon auf dem Arbeitsmarkt wenig. Im Februar stieg die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Januar nur um 0,2 Prozentpunkte auf 8,5 Prozent. Ein Grund: Firmen mit Auftragsproblemen schicken ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit, statt sie zu entlassen. Bis zu 670000 Kurzarbeiter gibt es in Deutschland. In Bayern arbeiten rund 245000 Menschen kurz, 18000 in München. Allein für die bayerische Landeshauptstadt erwartet die Arbeitsagentur im März 10000 weitere Kurzarbeiter. Die AZ erklärt die Idee der Kurzarbeit und die Folgen für die Arbeitnehmer.

Was bedeutet Kurzarbeit?

Die Idee ist einfach: Wenn ein Unternehmen auf Grund einer Wirtschaftskrise Auftragseinbrüche hinnehmen muss und so nicht mehr genug zu tun hat für alle Beschäftigten, arbeiten alle Mitarbeiter kürzer. Das soll die Entlassung von Mitarbeitern verhindern. Ein vereinfachtes Beispiel: Wenn ein Unternehmen ein Drittel seiner Aufträge verliert, könnte es ein Drittel der Mitarbeiter entlassen oder mit dem Kurzarbeitsgeld alle Mitarbeiter ein Drittel weniger arbeiten lassen. Für das ausgefallene Gehalt springt die Arbeitsagentur ein.

Was zahlt die Arbeitsagentur?

Einen Teil des entgangenen Lohns. Wenn ein Kurzarbeiter 80 Prozent seiner normalen Zeit arbeitet, bekommt er 80 Prozent seines ursprünglichen Gehalts. Den Lohnausfall federt die Arbeitsagentur ab: Sie erstattet 60 Prozent des Geldes, das dem Kurzarbeiter entgeht. Väter und Mütter bekommen 67 Prozent. Die Auszahlung des Kurzarbeitergeldes übernimmt der Arbeitgeber. Manche Firmen stocken das Geld auf: BMW-Kurzarbeiter bekommen 93 Prozent ihres letzten Nettolohns.

Was ist der Vorteil?

Die Arbeitnehmer müssen nicht entlassen werden, der Arbeitgeber behält Wissen und Erfahrung im Betrieb. Wenn die Konjunktur wieder anzieht, sind die Fachkräfte noch da und müssen nicht teuer angeworben werden.

Wo ist der Haken?

Das Konzept basiert auf der Hoffnung auf bessere Zeiten: Es ist nur eine Übergangslösung bis zum nächsten Aufschwung. Kommt der später oder schwächer als erwartet, müssen die Unternehmen doch entlassen. Das ist zu befürchten: Experten zufolge müssen sich viele Firmen ab Sommer von Mitarbeitern trennen. Darüber hinaus kostet das Kurzarbeitergeld die Arbeitsagentur Milliarden. Bislang wird das Geld von Überschüssen aus den vergangenen Jahren finanziert – doch die sind spätestens im nächsten Jahr aufgebraucht.

Wie lange darf ein Betrieb in Kurzarbeit gehen?

Ein Unternehmen kann seine Mitarbeiter bis zu 18 Monate in Kurzarbeit schicken, wenn sie das bis Ende des Jahres 2009 beantragt. Wenn eine Firma drei Monate wieder normal gearbeitet hat, kann sie wieder einen Antrag bei der Arbeitsagentur einreichen.

Welche Betriebe sind betroffen?

„Besonders betroffen ist die Metall-, Kunststoff und Autozuliefererindustrie“, sagt Henry Schröder von der Agentur für Arbeit München. Bosch, Schaeffler, MAN und BMW sind prominente Beispiele für Betriebe aus Bayern, in denen kurz gearbeitet wird.

Kann ich mich gegen Kurzarbeit wehren?

Nicht direkt. Der Betriebsrat wird beim Antrag auf Kurzarbeit meist mit eingebunden, hier können Angestellte ihre Einwände geltend machen.

Welche Chancen bietet Kurzarbeit?

Unternehmen können ihre Mitarbeiter in der Ausfallzeit weiterqualifizieren, dann übernimmt die Arbeitsagentur einen höheren Anteil an der Sozialversicherung.

Wie wird Missbrauch verhindert?

Die Unternehmen müssen der Agentur detaillierte Zahlen vorlegen – der Auftragsrückgang darf keine betriebsinternen Gründe haben. Unternehmen in Kurzarbeit dürfen aber weiter Gewinn machen.

Vertuscht die Kurzarbeit Arbeitslosigkeit?

„Vertuschen trifft es nicht“, sagt Eugen Spitznagel vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. Kurzarbeit sei eine Alternative zur Arbeitslosigkeit. Der Arbeitsmarkt-Experte muss jedoch zugeben: „Kurzarbeiter sind so etwas wie Teilzeit-Arbeitslose.“

Daniel Kummetz

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