München an der Spitze: Niemand trennt seinen Müll besser

Mit der Disziplin hat’s der Münchner: Brav sortiert er seinen Abfall – so gut wie niemand sonst in Deutschland.
Anja Perkuhn |
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Keine deutsche Stadt trennt ihren Müll besser als München. (Archivbild)
Bernd Weißbrod/dpa Keine deutsche Stadt trennt ihren Müll besser als München. (Archivbild)

München - Wenn’s beim FC Bayern gerade mal unerwartet mau läuft und er in der Bundesliga nur auf Tabellenplatz zwei steht, kann München sich glücklicherweise kurzzeitig anders orientieren: Keine Stadt in Deutschland trennt ihren Müll so gut wie die Landeshauptstadt – zumindest statistisch betrachtet.

Etwa 400 Kilogramm Müll produziert jeder hiesige Stadtbewohner im Jahr. Davon sind 200 Kilogramm Restmüll, der in der grauen Tonne landet und im Heizkraftwerk verbrannt wird und so zwar Wärme produziert, aber nicht wiederverwertet wird. In Berlin zum Beispiel liegt das Restmüll-Aufkommen um 22 Prozent höher. Helmut Schmidt, der Zweite Werkleiter des Abfallwirtschaftsbetriebs München (AWM) bedankte sich erst vor einigen Monaten bei "allen Bürgerinnen und Bürgern für die hohe Trennmoral". (Lesen Sie hier Teil 1 der Müll Serie: Nach der Tonne - Das wird am Ende aus unserem Müll)

Aber ach, der Restmüll: Eine Analyse des AWM von 2016 hat gezeigt, dass vor allem in der grauen Tonne noch viel Potenzial steckt. Ob aus Unwissen, Bequemlichkeit oder sogar einer Mischung aus beidem: Sogenannte Fehlwürfe gibt es immer noch, auch in München. Wie streng sie trennen, erzählen im Folgenden fünf Münchner.


AZ-Umfrage: Wie viel Wert legen Sie auf die richtige Mülltrennung?

Schauspielerin Eva Groß: "Natürlich habe ich zum Einkaufen auch meinen Korb am Radl. Das erspart mir Plastiktüten, die ohnehin nicht besonders schön aussehen. Ich achte schon beim Einkaufen darauf, Müll zu vermeiden. Was Verpackungen betrifft, dürfte der Viktualienmarkt vorbildlich sein. Da ist fast alles offen und ohne Verpackung. Zuhause kommt bei mir dann am Ende fast alles in den Restmüll."

Krankenpfleger Arno Scholten: "Umweltschutz ist wichtig. Mich stört aber, wenn man zu viel Aufhebens macht. Man sollte es nicht übertreiben. Ich trenne meinen Müll in Papier, Glas, Biomüll und Restmüll und muss dann nicht noch Joghurtbecher auswaschen und abtrocknen. Ich finde ich es gut, dass es Gassibeutel-Spender an vielen Plätzen in der Stadt gibt. Super ist, dass es inzwischen sogar biologisch abbaubare Beutel gibt."

Rechtsanwältin Stephanie Herion: "Ich habe schon erlebt, wie eine Frau in der Fleischabteilung eines Bio-Supermarktes die Wurst in ihr eigenes Behältnis bekommen wollte, das sie mitgebracht hatte. Aber der Verkäufer weigerte sich, das zu machen. Das gehe aus hygienischen Gründen nicht, sagte er. Mich hat das sehr verwundert, dass da keine Flexibilität möglich war. Überhaupt gerate ich beim Einkaufen oft in einen inneren Konflikt. Es wird noch so viel Plastik verwendet – selbst an Stellen, an denen es unnötig ist. Mir wäre es am liebsten, wenn gar keine Verpackungen mehr da wären. Zuhause mache ich konsequente Mülltrennung in Biomüll, Glas, Plastik, Papier und Restmüll. Mich würde interessieren, wie es in der Realität ist: Gerüchteweise hört man ja, dass aller Müll letztendlich zusammenkommt. Das wäre furchtbar, dann wäre die Trennung vorher umsonst gewesen."

Rentner Ulrich Dopheide: "Ich trenne Papier und Glas und Metall, außerdem Plastik und Korken – für Dämmzwecke – und Restmüll. Eigentlich sollte das selbstverständlich und Mindeststandard sein, wenn man auf Natur und Umwelt achtet. Viele Leute meinen leider, sie hätten damit schon ihre Pflichten erfüllt. Das ist leider gar nicht so. Die eigentlichen Probleme entstehen aus einem Übermaß an Energieverschwendung bei der Mobilität und der Ernährung. Außerdem ist Müllvermeidung noch wichtiger als Mülltrennung."

Rentnerin Anke Konoppa: "Ich trenne in Restmüll, Papier und Biomüll. Mir wäre allerdings vor allem wichtig, dass es weniger Verpackungen gibt. Außerdem ärgert es mich, wenn ich höre, dass alles sowieso zusammenkommt. Ich trenne trotzdem weiterhin meinen Müll, weil ich es so gewohnt bin. Pappbecher mag ich übrigens überhaupt nicht – da trinke ich keinen Kaffee draus. Am liebsten trinke ich meinen Kaffee zuhause. Im Urlaub habe ich dafür meine Thermoskanne dabei." (Fotos/Umfrage: Daniel von Loeper)



Ein Mitarbeiter der AWM leert eine Bio-Tonne aus. Foto: Andreas Gebert/dpa

Die Verwertungsquote ist in Starnberg viel höher – "auf dem Land trennen die Leute besser".

Starnberg und München direkt vergleichen, das sollte man eigentlich vermeiden. Der Landkreis hat das Fünf-Seen-Land – München dagegen den Englischen Garten, Remis. Wo man genau hinschauen kann, ist aber der Umgang mit dem Abfall: 2016 wurden insgesamt 74.166 Tonnen Abfall im Landkreis gesammelt. Davon waren 58 859 Tonnen Verwertungsabfälle – Hausmüll. 555 Kilogramm pro Person sind das. Zum Vergleich: In München sind es 408 Kilo. Eine Recyclingquote von 77 Prozent gibt der zuständige Abfallwirtschaftsverband Awista an – die Verwertungsmenge ist im Vergleich zum Vorjahr sogar noch um 2,5 Prozent gestiegen.

In München dagegen liegt die Verwertungsquote bei 44,7 Prozent (Stand 2015). Auf dem Land trennen die Menschen ihren Müll grundsätzlich besser, sagt AWM-Pressesprecherin Evi Thiermann – "es macht einen Unterschied, ob man neben dem Einfamilienhaus eine eigene Tonne stehen hat und durch besseres Trennen direkt die Müllgebühr beeinflussen kann", sagt sie. Je komplexer die Wohneinheiten, desto niedriger die Qualität der Mülltrennung, das zeigen Untersuchungen des AWM.

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Ganz so groß, wie es aussieht, ist das Gefälle aber dann doch nicht: Die Verwertungsquote berechnet sich nach einer Formel, in der Restmüll nicht als verwerteter Abfall zählt – in München wird der aber im Heizkraftwerk verbrannt und in Form von Fernwärme und Energie genutzt.

Da das Restmüll-Aufkommen pro Kopf in München (216,39 Kilogramm) aber deutlich höher ist als in Starnberg (115), hat er einen größeren Anteil am gesamten Abfall und verschiebt die Statistik. Dafür gibt es einen anderen wirklich markanten Unterschied: In Starnberg gibt es keine Wertstoffinseln, in denen Wertstoffe wie Kunststoff, Blech, Alu und Verbundmaterial gesammelt werden – sondern Wertstoffsäcke. Die gelben Säcke werden seit den 90ern alle zwei Wochen vom Straßenrand eingesammelt.

Einer Änderung müssten die Systembetreiber zustimmen, was sich hinzieht – aber die Starnberger hätten’s gern anders. Da haben es die Münchner etwas besser: Zu den Wertstoffinseln muss man schon ein paar hundert Meter laufen. Aber der Inhalt liegt nicht einfach auf der Straße herum.


Lesen Sie in Folge 3: Warum es in München keinen gelben Sack gibt

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