München alaaf - Exil-Kölner feiern Karneval in Bayern

Als echter Jeck unter bajuwarischen "Aloisius"-Kostümträgern fühlt sich mancher verloren. Abhilfe schafft ein Münchner Verein, auf dessen Festen die kölschen Traditionen rund um den Rosenmontag hochgehalten werden - mitunter inbrünstiger als am Rhein.
von  AZ/dpa
Karneval im Land des Faschings: Mitte Januar trafen sich Hunderte Kölner in München zu einer bayerischen Ausgabe von "Loss mer singe".
Karneval im Land des Faschings: Mitte Januar trafen sich Hunderte Kölner in München zu einer bayerischen Ausgabe von "Loss mer singe". © dpa

München - Das eine will Karl Oost schon mal klarstellen: "Wir werden niemals sagen, wir machen das einzig Richtige. Aber wir möchten unser Ding machen, und wir wissen, wie's geht." Oost ist Präsident des Köln-Münchner Karnevalsvereins Superjeilezick (KMKV) - eine Reminiszenz an den gleichnamigen Gassenhauer der Kölschrockband Brings. Der Verein ist eine Art zweite Heimat für Exil-Kölner, Freunde des Kölner Karnevals und Münchner mit Kölner Migrationshintergrund - wie Oost, dessen Vater aus der Domstadt stammt und der in den 1960er Jahren nach dem Münchner Faschingsumzug bekannt hat, "einfach nur geheult" zu haben.

Furchtbar habe der Vater das gefunden, was die Bayern da auf die Beine stellten. Die Zeiten sind wohl vorbei, und Oost kann auch durchaus Gefallen am bayerischen Fasching finden. "Die Sitzung in Veitshöchheim finde ich sensationell gut, die haben sehr, sehr hochklassige Redner." Doch der Kölner Jeck braucht eben doch seine eigenen Traditionen. Dazu gehört auch und vor allem die Musik.

Mitte Januar trafen sich Hunderte in München zu einer bayerischen Ausgabe von "Loss mer singe", einer Veranstaltungsreihe, die vor allem in Köln seit 15 Jahren zum Karnevalskulturgut zählt und bei der von Tausenden über den Hit der jeweiligen Saison abgestimmt wird. Nachdem die Bemühungen des KMKV, Kölner Bands nach München zu holen, anfangs noch belächelt worden seien, kämen inzwischen alle Eingeladenen "supergern" - vielleicht auch deshalb, weil ihre Auftritte in der Landeshauptstadt als Besonderheit empfunden werden, während in Köln das Publikum die Wahl unter vielen Veranstaltungen hat. Mancher Kölner komme inzwischen extra nach München, um die kölschen Bands dort zu erleben, wegen der ganz besonderen Stimmung, erzählt Oost.

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"Sehr familiär" seien die Veranstaltungen des KMKV, findet Hartmut Priess von der kölschen Kult-Band "Bläck Fööss", die schon mehrere Male bei den Münchnern zu Gast war und für sich reklamiert, den Verein für die Kölner Szene entdeckt zu haben. Nach einem Bericht in der "Süddeutschen Zeitung" seien die Musiker auf den KMKV aufmerksam geworden. "Wir haben gesagt: Die sind ja ganz einsam." Sie meldeten sich bei den Jecken, und so kam zusammen, was zusammengehört. So sei die Gruppe einmal mit einem Schülerchor in München aufgetreten - drei "Fööss"-Mitglieder arbeiten an deren Kölner Schule an einem Projekt.

"Ein ganz anderer Ausdruck" sei bei solchen Festen spürbar, sagt Priess. "Das mögen wir auch selbst." Die Band betreibe dabei auch "Seelenpflege für Heimatvertriebene". Schließlich fange für den Kölner die "Heimwehgrenze" bei Wesseling an, 15 Kilometer südlich der Stadt, sagt Priess, der selbst aus Berlin stammt, mit einem Schmunzeln. Der KMKV biete die Chance, "bikulturell" tätig zu werden. Überhaupt scheint der Kölner Karneval fern der Heimat eine besondere Anziehungskraft zu entwickeln: Die Exil-Kölner seien in ihrer Liebe zum närrischen Treiben schlimmer als die Kölner, findet Präsident Oost.

Vielleicht ein Grund für eine bestimmte Tradition. "Das ist eine uralte Geschichte", sagt der Präsident des Bundes Deutscher Karneval, Volker Wagner, zur Gründung von Vereinen ausgewanderter Rheinländer an ihrem neuen Wohnort. Beispiele fänden sich etwa in Schleswig-Holstein und Braunschweig, aber auch in Kanada. Wenn aber der Münchner oder der bayerische Karneval als nicht ebenbürtig angesehen würden, sei das "Überheblichkeit". "Fastnacht lebt in Bayern ohne Ende", ist Wagner überzeugt und erinnert etwa an die Tradition der tanzenden Marktfrauen auf dem Münchner Viktualienmarkt am Faschingsdienstag. Oost ist dennoch überzeugt, dass der Münchner Fasching die besten Zeiten seit den 1980ern hinter sich hat. "Was war der letzte Münchner Faschingshit? Skandal im Sperrbezirk?" Auch bei Kostümen gebe sich der Bayer oft schon mit dem Engel Aloisius zufrieden, während der Kölner ganze Kaufhäuser auf der Suche nach adäquaten Roben durchstreife, scherzt der Präsident.

250 Mitglieder hat der KMKV inzwischen und gilt damit laut Oost als einer der größten in München. Oost, seit 2013 Präsident, sieht das närrische Treiben derzeit auch in einer besonderen Pflicht. "Der Karneval hat eine Aufgabe, die er früher nicht hatte" - die Leute einfach mal aus dem "Irrsinn" der Zeit herauszunehmen und zum Feiern zu bringen. Ganz unberührt von der Weltlage ist aber auch der KMKV nicht: In die Sicherheit wurde dieses Jahr besonders investiert.

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