Müller-Höflinger: Mitarbeiter heimlich gefilmt

Durch Zufall entdeckt: In mehreren Filialen beobachten Kameras die Mitarbeiter – und das legal. Was Experten und Betroffene sagen.
Nina Job |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Evi Müller und Franz Höflinger haben das Unternehmen gemeinsam gegründet.
dpa Evi Müller und Franz Höflinger haben das Unternehmen gemeinsam gegründet.

Durch Zufall entdeckt: In mehreren Filialen beobachten Kameras die Mitarbeiter – und das legal. Was Experten und Betroffene sagen.

MÜNCHEN/NEUFAHRN Man sieht sie kaum, so klein sind sie – Mini-Kameras, die seit ein paar Wochen die Angestellten der Großbäckerei Müller-Höflinger in mindestens zehn Filialen überwachen. Die Mitarbeiter wussten nicht, dass sie heimlich gefilmt werden. Und dies offenbar zu Recht. Die neuen Eigentümer von Müller Brot wollen mit der drastischen Maßnahme chronische Langfinger überführen.

STAMMKUNDE INFORMIERT DIE MITARBEITER

Bäckereiverkäuferin Maria F. (Name geändert) dachte zuerst, ihr Stammkunde würde einen schlechten Witz machen. „Ihr werdet heimlich beobachtet“, sagte der Kunde beim Breznkauf. Vor rund drei Wochen war er zufällig sonntags an der geschlossenen Filiale vorbeispaziert. „Dabei hat er gesehen, dass Handwerker Löcher in die Deckenverkleidung bohrten und kleine Kameras anbrachten“, berichtet Maria F.

Die Verkäuferin machte sich mit Kollegen auf die Suche – und siehe da: Der Kunde hatte Recht gehabt. Mehrere Kameras, kaum halb so groß wie ein Cent-Stück, waren ohne ihr Wissen installiert worden. Die Mini-Kameras überwachten Teile des Verkaufsraums sowie den Kassenbereich.

„Ich habe es zuerst gar nicht glauben können, dass die uns einfach ausspionieren. Ich find’s bodenlos, dass wir einfach unter Generalverdacht gestellt werden“, empört sich eine andere Verkäuferin, die bereits jahrzehntelang für Müller-Brot gearbeitet hatte. „Wer weiß, was die in Neufahrn alles sehen. Da kann man sich ja nicht einmal mehr unbeobachtet bücken“, sagt die Frau verunsichert.

GEWERKSCHAFTER EMPÖRT: „WIE BEIM GEHEIMDIENST“

Auch Hans Sterr von Verdi empört die Maßnahme: „Das sind Methoden wie beim russischen Geheimdienst – ein eklatanter Vertrauensbruch gegenüber den Mitarbeitern!“ Zwar gibt es inzwischen auch auf höchster politischer Ebene Bestrebungen, die „verdeckte Videoüberwachung“ von Mitarbeitern generell zu verbieten. Doch laut Arbeitsrechts-Experte Jürgen Contzen ist die heimliche Bespitzelung unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt.

DIE RECHTSLAGE ERLAUBT DEN EINSATZ

Der Münchner Rechtsanwalt bezieht sich dabei auf Urteile des Bundesarbeitsgerichtes vom vergangenen Jahr. Demnach ist die heimliche Überwachung zeitlich begrenzt erlaubt, wenn es einen konkreten Verdacht gibt, dass Mitarbeiter sich nicht korrekt verhalten – also zum Beispiel klauen oder betrügen.

Die Maßnahme darf nicht unverhältnismäßig sein, auch muss der Arbeitgeber zuvor bereits mit weniger einschneidenden Mitteln versucht haben, die Unregelmäßigkeiten aufzudecken. Und schließlich hat auch der Betriebsrat noch ein Wörtchen mit zu reden.

DER BETRIEBSRAT GIBT ZU: WIR WUSSTEN BESCHEID

All dies scheint im Hause Müller-Höflinger der Fall zu sein. Betriebsrat Ender Onay bestätigte der AZ: „Ja, in mehreren Filialen wurden Kameras installiert. Davon wusste der Betriebsrat. In den Filialen gab es mehrere Fälle, wo Test-Einkäufe nicht verbucht wurden. Wir mussten das geheim halten, sonst hätten wir die Verdächtigen ja gewarnt.“

SPÄTE MITTEILUNGEN AN DIE MITARBEITER

Nach Auffassung von Verdi-Sprecher Hans Sterr hätten die Mitarbeiter der betreffenden Filialen trotzdem über die interne Maßnahme informiert werden müssen. „Und zwar schon vorher!“, sagt der Verdi-Mann. Das sieht man bei Müller-Höflinger anders. Es gäbe dazu bereits eine bestehende Betriebsvereinbarung, sagt Ender Onay.

In der vergangenen Woche wurden dann aber doch hektisch neue Mitteilungen verschickt. Auch wurden die Filialen telefonisch über die Videoüberwachung informiert.

BILDER DER KAMERA FÜHREN ZUR KÜNDIGUNG

Aus Sicht der Firmenchefs kann die Aktion wohl als Erfolg gewertet werden. Am Freitag bekam eine Mitarbeiterin an der Semmeltheke Überraschungsbesuch vom Bezirksleiter. Er nahm sie mit zu einer Besprechung in die Zentrale nach Neufahrn. Dort überreichte man ihr zusammen mit Bildern aus der Videokamera die Kündigung – die Bilder zeigten sie beim Griff in die Kasse.

DER ÄRGER IST NOCH NICHT AUSGESTANDEN

Der interne Kampf gegen schwarze Schafe ist bei Müller-Höflinger damit offenbar noch nicht zu Ende. Ebenfalls in der vergangenen Woche bekamen die Mitarbeiter eine neue Betriebsvereinbarung zugeschickt: „Wir sollen unterschreiben, dass wir persönlich dafür verantwortlich gemacht werden können, wenn bei der Inventur die Kasse nicht stimmt“, sagt eine Mitarbeiterin zur AZ. „Wenn wir das nicht unterschreiben, wird uns nahe gelegt zu kündigen.“

Eins ist klar: Dauerhaft und damit als generalpräventive Maßnahme dürfen die Kameras nicht installiert bleiben, um die Mitarbeiter zu überwachen. Sie müssen wieder abgebaut werden.

 

 

 

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.