Müller-Brot: Hier rechtfertigt sich der Freisinger Landrat

Erst hat er die Mängel geduldet, nun plötzlich nicht mehr: Der Freisinger Landrat Michael Schwaiger (Freie Wähler) spricht im AZ-Interview über seine Beschlüsse
von  Anne Kathrin Koophamel
Freisings Landrat Michael Schwaiger.
Freisings Landrat Michael Schwaiger. © dpa

AZ: Herr Schwaiger, Müller-Brot bleibt dicht. Was bedeutet das für die Region?
MICHAEL SCHWAIGER: Es ist bedauerlich, dass die Lebensmittelüberwachung einer Wiederaufnahme der Produktion nicht zugestimmt hat und dass es in den zurückliegenden acht Wochen nicht möglich war, die hygienischen Verhältnisse vorzubereiten. Letztendlich ist damit aus meiner Sicht nicht aller Tage Abend. Es verbleiben Alternativen.

Und welche?
Dass Müller-Brot wieder in Produktion gehen kann und mit einem neuen Investor am Standort aufrecht erhalten werden kann.

Der Name ist doch ruiniert.
Natürlich geht so was nicht ohne Schaden vorbei. Es wird schwierig sein, aber ob sich der Name durchsetzt, entscheidet der Markt.

Haben Sie sich das Werk angeschaut?
Nein, weil ich kein Fachmann bin. Meine Leute haben mich informiert, darauf habe ich meine Entscheidung gestützt. Ich habe ein umfassendes Bild.

Auch von der Stimmung?
Bei den Mitarbeitern ist die sehr desolat, speziell nach der Entscheidung vom Dienstag. Man muss aber auch die Situation erkennen: Wir haben als Lebensmittelbehörde den Verbraucherschutz zu gewährleisten, das ist unsere erste Aufgabe. Ich als Landrat habe eine Zwitterstellung inne: Auf der einen Seite bin ich der gewählte Kommunalpolitiker, dessen Herz für die Mitarbeiter schlägt. Auf der anderen Seite muss ich als Leiter der Lebensmittelüberwachungsbehörde den Verbraucherschutz wahrnehmen. Eine Verquickung zwischen Insolvenz und Lebensmittelkontrolle kann ich für meine Person nicht gelten lassen. Weil es zwei paar Stiefel sind.

Sie wussten seit 2009 von Hygienemängeln bei Müller. Als der Skandal hochkochte, sagten Sie, Sie hätten auch wegen der Verhältnismäßigkeit geschwiegen, um damit Arbeitsplätze zu sichern.
Das stimmt so nicht, und das lasse ich mir von Ihnen auch nicht in den Mund legen.

Was haben Sie dann gesagt?
Ich habe gesagt, dass wir im Rahmen der Kontrollen immer wieder Beanstandungen hatten und dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeit abzuklären ist, wann man mit so einer Information an die Öffentlichkeit geht. Wenn ich eine von mehreren Produktionslinien auf 55 000 Quadratmetern wegen Schädlingsbefall stilllegen muss, ist es aus meiner Sicht nicht verhältnismäßig, wenn ich den ganzen Betrieb stilllege. Dazu stehe ich nach wie vor.

Auf jeden Fall scheint Ihnen der Verbraucherschutz jetzt wichtiger zu sein als 2009.
Das stimmt so nicht. Der Verbraucherschutz muss dann im Vordergrund stehen, wenn klar ist, es gibt eine Gesundheitsgefährdung. Man muss unterscheiden: Die letzte Kontrolle war angekündigt. Wir kommen in eine Firma, die viele Wochen Zeit hatte, Verschmutzungen auszuräumen. Das ist eine andere Situation, als wenn ich in einen laufenden Betrieb gehe und dort natürlich in manchen Bereichen Verschmutzungen feststelle. Man muss sich fragen: Ist es verhältnismäßig, einen Betrieb komplett stillzulegen, oder kann ich durch geringere Maßnahmen eingreifen? Jetzt geht es um eine Neuaufnahme, da muss man mit anderem Maßstab rangehen als bei einer Nachkontrolle.

Also strenger.
Das will ich so nicht sagen. Es werden die Kriterien angewandt, um eine Grundhygiene herzustellen, die dem Verbraucher gewährleistet, dass er Lebensmittel erhält, die dem hygienischen Standard entsprechen. Nach acht Wochen Reinigung muss einfach eine bessere Basis vorgefunden werden als die vorhandene. Ich habe aber auch gesagt, dass die Situation sich deutlich verbessert hat. Man ist auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel. Wir konnten den Betrieb noch nicht komplett freigeben.

Warum nicht?
Man hat in den Bereichen mit Hochdruck gearbeitet, in denen die Produktion wieder starten sollte. Nur muss man die bauliche Situation beachten: Es ist schwierig, einzelne Produktionsteile voneinander abzuschotten, weil vieles ineinander greift. Die entsprechenden Abschirmungen zu den übrigen Bereichen funktionieren nicht. Man kann Teile nicht separat betrachten, sondern muss die ganze Firma sehen.

Fürchten Sie, dass neue Mängel auf Sie zurückfallen?
Überhaupt nicht. Ich glaube, dass eine derartige Situation immer eintreten kann, dass es zu Beanstandungen kommen kann. So einer Herausforderung werde ich mich immer wieder stellen.

 

Das sagt die SPD: "Söder hat geschlafen und zu lange gewartet"

Bayerns SPD-Chef Florian Pronold gibt dem damaligen Gesundheitsminister Markus Söder eine Mitschuld: „ Er hat die politische Verantwortung, weil er geschlafen und zu lange gewartet hat.“ Hätten er und die Staatsregierung früher reagiert, dann „hätte sich vielleicht manches früher abstellen lassen und hätte die jetzige Entwicklung nicht genommen“, sagt Pronold zur AZ. Die Hauptverantwortung aber hätten alleine die Manager. Und die wiege viel schwerer als die politische, sagt der SPD-Chef: „Die haben einfach nichts getan.“

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