Müller-Brot: Erster Pächter steht vor der Pleite
SOLLN - Die Sonne scheint auf den guten Plätzen nah am Fenster, der Holzboden glänzt frisch gewienert. Die Regale ächzen unter prallen Brotlaiben, vorn unterm Plexiglas häufen sich Semmeln, Stangerl und Brezn aus Roggen, Dinkel, Lauge, Weißmehl und Fünfkorn.
Alles ist da. Alles so duftig, so frisch.
Und alles für die Tonne.
Am Ende des Tages wird Oliver Deringer das meiste Brot ins Werk zurückschicken, dann wird es vernichtet. „Wir verkaufen ja nichts mehr“, sagt der 42-Jährige. Sein Laden in der Frans-Hals-Straße in Solln liegt in bester Lage, die Filiale mit angeschlossenem Café ist neu, Deringer und seine Frau Dulni arbeiten 13 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche – doch das alles bringt nichts, wenn das Brot von Müller kommt.
Seit letzter Woche ist bekannt, dass der Großbäcker seit mindestens zweieinhalb Jahren Probleme mit der Hygiene hat: Kontrolleure entdeckten dreckige Produktionsstraßen, Mäuse und Kakerlaken in der Zentralbäckerei in Neufahrn – sie bleibt weiterhin bis auf unbestimmte Zeit geschlossen. Deringers Problem ist, dass sein Brot bisher aus dieser Bäckerei stammte. Jetzt muss er dafür büßen.
„Der Umsatz ist um die Hälfte eingebrochen“, sagt der Pächter. An guten Tagen begrüßt er um die 200 Kunden im Laden – am Sonntag waren nur 72 da. Das ganze Wochenende sei überhaupt „ganz, ganz mies“ gelaufen. „Die letzte Woche kann man aus dem Kalender streichen.“
Die neue Woche wird wohl nicht besser: Als die AZ die Filiale besucht, ist sie menschenleer. Es trauen sich nur zwei Kunden rein – und wollen nicht erkannt werden. Müller-Brot ist grad nicht gesellschaftsfähig. Kein Foto, bitte.
Seit 14 Monaten pachtet der gebürtige Österreicher die Filiale in Solln von Müller-Brot. Eine schwere Zeit. Von 5 bis 20 Uhr stehe er im Laden – putzen, verkaufen, bedienen, Buchhaltung, Bestellungen. „Seitdem hatten meine Frau und ich zwei Tage frei“.
Doch so hart wie jetzt war es nie: „Alle sind abgeschreckt, unsere Ware bleibt liegen“, sagt Deringer. Er scheut sich nicht vor Arbeit, aber in dieser Situation hilft ihm seine Energie auch nichts. „Wir hängen in der Luft“, sagt er. „Es geht um unsere Existenz. Und wir wissen nicht, wie lange wir uns das noch leisten können.“
Manche Kunden machen Deringer für den Skandal persönlich verantwortlich: „Wir werden teilweise fürchterlich beschimpft“, sagt er. „Viele glauben, ich backe die Semmeln selber.“ Dabei schiebt der frühere Wirt und Marketing-Kaufmann nur die Teiglinge in den Ofen, die ihm Müller schickt – derzeit ist’s ersatzweise Ware von der Löwenbäckerei, Ihle und Bachmeier.
Dass Müller Mist gebaut hat, hilft Deringer übrigens nicht aus seinem Vertrag. „Ich habe ihn durchstudiert, der ist wasserdicht“, sagt er. „So was fällt unter ,Höhere Gewalt’.“
Wenigstens komme man ihm bei den Pachtzahlungen entgegen. „Ich muss nur die Hälfte zahlen“, sagt Deringer. Vielleicht hat er bald nicht mal dafür mehr Geld.
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