Müller-Brot: Ämter schwiegen wegen Arbeitsplätzen

Schleim, Schaben und eine tote Maus – Behörden verschwiegen die Ekelzustände bei Müller-Brot aus Sorge um die Arbeitsplätze. Müller will am Freitag wieder produzieren.
von  dapd

Schleim, Schaben und eine tote Maus – Behörden verschwiegen die Ekelzustände bei Müller-Brot aus Sorge um die Arbeitsplätze. Müller will am Freitag wieder produzieren.

München - Christa Stewens fühlt sich Müller-Brot noch sehr verbunden. Vor 15 Jahren absolvierte die frühere bayerische Sozialministerin nach eigenen Angaben ein Praktikum bei der Großbäckerei im oberbayerischen Neufahrn. „Damals war noch alles picobello“, sagte die CSU-Politikerin am Donnerstag im Gesundheitsausschuss des Landtags in München. In den vergangenen Monaten aber wimmelte in der Brotfabrik Ungeziefer umher, es war verdreckt und verschleimt, wie der Präsident des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Andreas Zapf, schilderte.

Zapf und Gesundheitsminister Marcel Huber (CSU) verteidigten in der Sitzung die Behörden gegen Kritik der Opposition: Schuld an der Eskalation der Hygieneprobleme sei allein das Management von Müller-Brot. Aus Sorge um die Arbeitsplätze seien die Vorgänge lange der Öffentlichkeit verschwiegen worden. „Es hängen doch auch Beschäftigte und Existenzen dran“, sagte Zapf. Huber erklärte, der Fortbestand des Betriebs sei über das Informationsinteresse der Bürger gestellt worden.

Diese Entscheidung sei bei einer Abwägung getroffen worden, weil zu keinem Zeitpunkt eine Gesundheitsgefahr für die Verbraucher bestanden habe. „Wenn Sie hinter einer Wandpaneele ein bisschen Mäusekot finden, kann das Brot trotzdem in Ordnung sein“, sagte Zapf zu den Abgeordneten. Dennoch sei nach solchen Funden die produzierte Ware umgehend zurückgerufen und vernichtet worden. „Wir sind da in Bayern sehr streng“, stellte der Behördenleiter klar. Er sprach von einem „konsequenten Vorgehen“.

„Schleimige Verschmutzungen“

Seit Mitte 2009 rückten 21-mal Kontrolleure an, in sieben Fällen auch eine Spezialeinheit des LGL. Zapf zufolge gab es „gravierende Probleme“ erst Ende 2010, darunter „schleimige Verschmutzungen“, „übelriechenden Dreck“ sowie „Schaben und eine tote Maus“. Zuerst seien Teilbereiche gesperrt worden. Nachdem wiederholt Mängel nicht beseitigt und Versprechungen nicht eingehalten worden waren, sei der Betrieb „nicht mehr vom Haken gelassen“ geworden. Nach einer 14-stündigen Kontrolle wurde die Brotfabrik Ende Januar 2012 stillgelegt.

Aus Sicht der Opposition hätten die Behörden viel früher die Notbremse ziehen und die Bürger über die ekelhaften Verhältnisse informieren müssen. „Wenn Schaben und Mäuse da reingehen, dann muss das abgestellt werden“, sagte der Grünen-Abgeordnete Christian Magerl. „Müller-Brot hat die Behörden über Jahre hinweg am Nasenring durch die Backstraßen geführt.“

Die SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar beklagte: „Nur einer wusste nicht Bescheid. Das war der Verbraucher, der die Brezen und Semmeln gegessen hat.“ Seit Ende 2010 sei der damalige Umwelt- und Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) im Bilde gewesen und habe trotzdem nicht gehandelt. „Es ist auch attraktiver, sich mit einem Greifvogel in der Natur ablichten zu lassen als mit Mäusekot in einer Bäckerei“, sagte Dittmar.

Müller will am Freitag wieder produzieren

Die CSU-Abgeordnete Stewens rief dazu auf, die Schuld nicht bei der Politik zu suchen. Damals, bei ihrem Praktikum, hätten noch 2.000 Menschen bei Müller-Brot gearbeitet, nun seien es weniger als 1.300. Die neuen Manager hätten die Firma „ein Stück weit ausgeschlachtet“, Qualität missachtet, Innovationen verpasst. Zugleich erklärte sie, dass sich solche Skandale nicht auszuschließen ließen. „Es wird immer 'Saubeutel' geben, die unter unhygienischen Bedingungen produzieren.“

Auch Gesundheitsminister Huber betonte: „Wo jemand mit Mehl und Getreide umgeht, kann so etwas wieder vorkommen.“ Erst am Donnerstag wurde bekannt, dass die Großbäckerei Biendl und Weber im Kreis Regensburg die Produktion stoppen musste. Nach einem Großputz will Müller-Brot am (morgigen) Freitag wieder den Betrieb aufnehmen. Der Minister stellte klar, dass dies nur erlaubt werde, wenn alles „picobello“ sei und ein nachhaltiges Hygienekonzept vorliege.

 

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