Moschee in Sendling: Das Ende eines Traums

Kein Geld für die Moschee: Der neue Ditim-Chef distanziert sich von „Protzbauten“ und erwägt den Umbau des bisherigen Gebetshauses. Trotzdem will er ein letztes Mal auf Spender-Suche gehen
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
So könnte die bisherige Moschee in der Schanzenbachstraße umgebaut werden.
Architekt Walter Höfler So könnte die bisherige Moschee in der Schanzenbachstraße umgebaut werden.

MÜNCHEN - Kein Geld für die Moschee: Der neue Ditim-Chef distanziert sich von „Protzbauten“ und erwägt den Umbau des bisherigen Gebetshauses. Trotzdem will er ein letztes Mal auf Spender-Suche gehen

Die neue Moschee am Gotzinger Platz wird immer mehr zur Fata Morgana. Denn jetzt gibt es selbst in der türkischen Gemeinde Ditim große Vorbehalte: Zu groß, zu teuer, zu protzig. 500000 Euro hat man schon ausgegeben. Aber das Geld versiegt. „Ich bin Realist. Man kann keine Luftschlösser bauen“, sagt der neue Ditim-Chef Recep Dereli. In der Schublade liegen schon genehmigte und kostengünstige Pläne, die alte Moschee umzubauen.

Vor wenigen Wochen hat die türkische Gemeinde Ditim einen neuen Vorstand gewählt. Mit dem Dolmetscher Recet Dereli wurde ein Moschee-Skeptiker Vorsitzender. „Wie konntet ihr so waghalsig sein?“ fragt er die Vorgänger. Die wollen raus aus dem alten Möbellager in der Schanzenbachstraße – und am Gotzinger Platz für zwölf Millionen Euro eine repräsentative Moschee bauen. Für Dereli ist das Projekt schlecht vorbereitet. Er hat auch OB Ude gefragt, warum er die Pläne unterstützt. Dereli: „Ude ist begeisterter dabei als viele Türken.“

Heute hat der Verein leere Kassen und kann nicht einmal die Grunderwerbssteuer von rund 90 000 Euro zahlen. Alle Spenden sind für Architekten, Anwälte und Gerichtskosten draufgegangen. Bislang 500000 Euro. „Ich könnte mir die Haare raufen“, sagt Dereli. „Wenn ich damals im Vorstand gewesen wäre, hätte ich mich gegen das Projekt gewehrt. Und wenn wir weiter träumen, kommen noch mehr Verluste dazu.“ Seit dem Streit um die Moschee sei die Spendenbereitschaft gleich Null.

"Wir legen Wert auf gute Nachbarschaft"

Dereli hätte im Streit um den Bebauungsplan nicht geklagt. Ditim solle sich darauf besinnen, was möglich ist. Und da gibt es bereits von der Stadt genehmigte Pläne, die alte Moschee umzubauen: für 1,2 Millionen Euro. Damit könnte auch das Platzproblem gelöst werden. In den jetzigen Gebetsraum passen 500 Gläubige, Platz für 1000 wird gebraucht. Dereli: „Das Problem haben wir aber nur beim Freitagsgebet.“ Der Plan: Das Gebäude wird um eine Etage aufgestockt und bekommt eine kleine Glaskuppel, so dass es mehr wie eine Moschee aussieht – aber kein Minarett. Der Keller wird als Freizeitheim für Jugendliche ausgebaut, der Hof bekommt ein Vordach – und es soll einen Lärmschutz für die Nachbarschaft geben.

Zu dem Neubau am Gotzinger Platz meint der Ditim-Vorsitzende: „Ich hätte kleiner angefangen, ich bin gegen Protzbauten.“ Vor allem dort, wo es Widerstand aus der Bevölkerung gibt. Denn Dereli legt großen Wert auf gute Nachbarschaft. „Man muss auch nicht schon von weitem sehen, dass dort eine Moschee steht.“ Die hohen Minarette brauche es nicht – und die Kaufhaus-Fassade mag er nicht.

OB Ude hatte immer für die Moschee gekämpft – ein Aus für das Projekt würde ihn treffen: „Ich wäre persönlich enttäuscht“, sagt er. „Ich habe immer unterstellt, dass der Bauherr sein Projekt realisieren kann.“ Der Verein habe das finanzielle Problem früher als lösbar dargestellt. Die Stadt habe gezeigt, dass das Projekt nicht an ihr scheitern werde. „Für die Finanzierung ist der Moscheeverein zuständig.“

Ditim-Chef Dereli will nicht sofort kapitulieren. „Es wäre leicht für mich zu sagen, es ist aus.“ Er setzt auf den neuen Religionsattaché im türkischen Konsulat in München und dessen Kontakte zum türkischen Religionsamt. „Ich werde überall hingehen und für das Projekt werben.“ Er hat noch zehn Monate, dann muss die Finanzierung stehen.

Man kann keine Luftschlösser bauen

„Wollen würde ich schon, nur muss man es realistisch einschätzen“, sagt Recep Dereli. „Vielleicht kommt ja einmal eine reifere und reichere Zeit, um eine Moschee zu bauen, die passt. Aber nicht am Gotzinger Platz. Irgendwann werden wir salonfähig sein, um nicht in einem Hinterhof eine Moschee zu bauen.“ Dereli spielt auf Zeit: „Wir sind keine obdachlose Gemeinde, wir haben auch jetzt eine Moschee."

Die Reaktionen kamen prompt. Nach dem AZ-Bericht will OB Christian Ude vom türkischen Verein Ditim jetzt Antwort: Neue Moschee am Gotzinger Platz – ja? Oder nein? Ditim-Vorsitzender Recep Dereli ist skeptisch. „Es wäre zu früh, das jetzt zu sagen.“ Seine Alternative: Ein Ausbau der bestehenden Moschee in der Schanzenbachstraße für 1,2 Millionen Euro. Rund zwölf Millionen Euro würde der Neubau am Gotzinger Platz kosten.

Falls Ditim aber doch am Neubau festhalten wolle, so Ude, „können Sie die großzügigen Fristen, die Ihnen die Stadt eingeräumt hat, ausschöpfen“. Andernfalls sollte der Antrag zurückgezogen werden, „damit keine weitere Zeit verloren geht und über das Baugrundstück anderweitig verfügt werden kann“. Gestern aber gab’s erst mal einen Dämpfer von der Stadt für den Verein Ditim: Eine Baugenehmigung gibt’s nicht schon im Juni oder Juli, wie Ude kürzlich zugesagt hatte, sondern frühestens Ende des Jahres.

Richtungswechsel in der türkischen Gemeinde

„Vorher können wir keine Spenden sammeln“, so Dereli. Schließlich könne immer noch gegen das Neubauprojekt geklagt werden. Dennoch ist ein Richtungswechsel innerhalb des Vereins erkennbar. Ditim sei 50:50 geteilt, so Dereli. Aber die Befürworter des Neubaus wissen auch nicht, woher das Geld kommen soll. „An der Stadt soll es nicht scheitern“, so OB Ude. Er hatte sich auf das Projekt verlassen, weil ihm der türkische Staatspräsident Erdogan zweimal versichert habe, dass diese Moschee bedeutsam sei. Deshalb der Plan B: Umbau der Moschee in der Schanzenbachstraße – ein zusätzliches Geschoss, Überdachung des Hofes, Lärmschutz und eine Glaskuppel. Die Pläne des Architekten Walter Höfler (entwarf auch den Neubau am Gotzinger Platz) sind seit 2005 genehmigt, die Bauerlaubnis gilt bis September 2011. Anfangs gab es Widerstände. Doch dann hat auch der Bezirksauschuss die Pläne abgesegnet. „Mit der Baugenehmigung ist das Thema für mich erledigt“, so der CSU-Landtagsabgeordnete Andreas Lorenz: „Das ist eher akzeptabel, weil keine Gefahr besteht, dass dort eine Zentralmoschee gebaut wird.“

Die Moschee ist heute für 130 Besucher angelegt, die Erweiterung böte Platz für 170. An hohen Feiertagen kommen bis zu 700 Gläubige – dann wird jeder Flecken als Gebetsraum genutzt.

Willi Bock, Julia Lenders

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.