Mordversuch mit Stromschlägen: Opfer berichten vor Gericht

Falscher Arzt bringt seine Opfer dazu, sich selbst Stromschläge zu versetzen. Zwei junge Frauen berichten, wie sie sich täuschen ließen.
von  John Schneider
Der Angeklagte beim Prozessauftakt.
Der Angeklagte beim Prozessauftakt. © Sven Hoppe/dpa

Falscher Arzt bringt seine Opfer dazu, sich selbst Stromschläge zu versetzen. Zwei junge Frauen berichten, wie sie sich täuschen ließen.

München - Hinterher ist man immer schlauer, heißt es so banal wie treffend. Aber dass mit Stromschlägen Menschen gefoltert und getötet werden können, das hätten die Opfer von David G. (30) auch vorher wissen können.

Trotzdem ließen sich in mindestens 88 Fällen junge Frauen und Mädchen (das jüngste Opfer war 13 Jahre alt) darauf ein, sich selbst für eine angebliche medizinische Studie zur Schmerztherapie Stromschläge zu versetzen. David G. hatte sich ihnen gegenüber als Doktor der Medizin ausgegeben und Geld für die Teilnahme an der Studie versprochen. Mehr brauchte es nicht, um die Frauen zu täuschen. Laut Anklage wollte er sich mit den Video-Chats sexuell erregen.

Opfer berichten von selbstzugefügten Stromschlägen

Eines der Opfer ist die Biologiestudentin und Nebenklägerin Petra K. (27, Opfernamen geändert). Sie erklärt am Mittwoch, dass ihr durchaus klar war, dass man zum Beispiel einen Fön nicht ins Badewasser fallenlassen sollte. Und sie gibt zu, dass das mit den selbst zugefügten Stromschlägen am Fuß "’ne doofe Idee" war. Das Motiv der Opfer: Sie brauchten das Geld. 3.000 Euro habe er ihr für die Teilnahme versprochen, sagt Petra K. im Zeugenstand. Dafür konstruierte sie nach den Anweisungen des falschen Arztes die Nagel-, Löffel- und Stromkabel-Kombination, mit der sie sich dann zwei Stromschläge am Fuß verpasste.

Inzwischen nimmt die junge Berlinerin die Sache aber offenbar mit Humor. Sie habe es halt nicht so mit Strom und sie sei zwar Biologin, beschäftige sich aber mit Bakterien, nicht mit Menschen. Das alles sei ihr "primär total peinlich".

David G., der derzeit in der Psychiatrie untergebracht ist, nutzt die Gelegenheit, um sich bei ihr zu entschuldigen. Was er getan habe, sei ein "moralischer Fehler" gewesen. Petra K. findet seine Entschuldigung "stark".

Eltern von falschem Arzt bitten um Verständnis

Im Gegensatz zur zweiten Zeugin: Johanna C. (24), eine Studentin aus Hessen, will nicht, dass sich David G. an sie wendet. Sie habe einen Brief seiner Eltern erhalten, der sie schockiert habe. Darin hätten diese ihren Sohn als Kranken mit Asperger-Syndrom beschrieben – und um Verständnis gebeten.

Johanna C. hatte die Apparatur sogar an den Schläfen, nicht an den Füßen angesetzt. Der Stromschlag war so stark, dass die Sicherung rausflog. Sie beschreibt den Schmerz: "Ein Gefühl, als ob mein Gehirn brennt." Zu einem zweiten Versuch kam es nicht mehr: "Ich hatte Angst."

Unklar ist derzeit noch, inwieweit die Öffentlichkeit an den kommenden Prozesstagen zugelassen wird. Staatsanwalt Matthias Braumandl beantragte gestern, dass der teilweise Ausschluss wieder aufgehoben wird. Begründung: Die Verteidiger hätten selbst gegenüber der Presse Details aus dem Gutachten zur Psyche des Angeklagten öffentlich gemacht.

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