Mordprozess vor Landgericht München: Video zeigt Messerattacke in Echtzeit

Ein eifersüchtiger Ehemann sticht seine Frau nieder. Der Angeklagte streitet vor dem Münchner Landgericht jede Mordabsicht ab.
von  John Schneider
Enver K. wird zur Anklagebank geführt. Der 38-Jährige hat seine Frau in einer Schwabinger Pizzeria niedergestochen. (Archivbild)
Enver K. wird zur Anklagebank geführt. Der 38-Jährige hat seine Frau in einer Schwabinger Pizzeria niedergestochen. (Archivbild) © Daniel von Loeper

München – Die Bilder, die da auf die Wand des Gerichtssaales im Strafjustizzentrum projiziert werden, sind schockierend. Das Video der Überwachungskamera zeigt in Echtzeit, wie Enver K. (38) am 10. August 2016 gegen 11 Uhr in die Schwabinger Pizzeria kommt, seine Frau (37) am Ende des Raumes sieht und auf sie zugeht. Kurz bevor er sie erreicht, zückt er ein Schweizer Taschenmesser und stößt ihr die Klinge in den Rücken.

Die 37-Jährige dreht sich um, ihr Ehemann stößt erneut zu. Immer wieder, zielt dabei auch in ihr Gesicht. Sie geht zu Boden, der Mann beugt sich über sie und sticht erneut zu. Ein Kollege der Frau geht auf den Messerstecher zu, kann diesen aber auch nicht von seinem Opfer abbringen. Nach einem erneuten Stich flieht der Täter aus dem Restaurant.

Für Staatsanwalt Laurent Lafleur ein Fall von versuchtem Mord. Motiv: Eifersucht. Der Angeklagte hatte seine Frau an diesem Morgen zu ihrer Arbeitsstelle in der Elisabethstraße begleitet. Er hofft, dass sie wieder ein Paar werden. Aber sie will nicht. Eine zweite Chance werde es nicht geben, sagte sie.

Der Täter wollte seine Frau "unattraktiv" machen

Enver K. vermutete laut Anklage, dass seine Frau eine neue Beziehung aufgenommen habe. Um sich zu vergewissern, sei er direkt nach dem Gespräch in ihre Wohnung eingedrungen. Außer seinen Kindern war aber niemand da. Beruhigt hat ihn das aber offenbar nicht. Enver K. fuhr zur Pizzeria, in der seine Frau arbeitete und ging auf sie mit dem Messer los. Doch der Angeklagte bestreitet im Prozess, dass er seine getrennt von ihm lebende Frau töten wollte. „Verletzen ja, töten nein.“ Er habe sie lediglich durch die Messerstiche „unattraktiv“ machen wollen.

Sehr irritierend sind auch die Bilder, die nach der Tat aufgezeichnet werden. Die Kollegen des Opfers alarmieren zwar per Telefon den Rettungsdienst, wirken danach aber völlig hilflos, schockiert. Keiner schaut sich die Verletzungen der am Boden liegenden Frau näher an, keiner versucht, die Wunden zu versorgen.

Die Staatsanwaltschaft hat sogar geprüft, ob in diesem Fall unterlassene Hilfeleistung im Raum steht. Doch Lafleur erklärt, dass die Männer nach dem Anruf bei der Rettung damit rechnen durften, dass das Opfer schnell versorgt wird. Unsachgemäße Hilfe könne manchmal sogar eher schaden als nützen. Die Tatenlosigkeit der Männer ist juristisch also nicht zu beanstanden, wirkt auf die Zuschauer im Saal dennoch sehr verstörend.

Nicht nur die Tat, auch der Weg von Enver K. zum Tatort und seine Festnahme danach sind durch Bilder aus der U-Bahn und einer Tankstelle in der Leonrodstraße leicht zu rekonstruieren gewesen.

Ein Video zeigt unter anderem, wie der Täter dem Tankstellenangestellten sagt, er möge doch bitte die Polizei rufen. Er habe gerade seine Frau niedergestochen. Dann kauft er sich etwas zu trinken und tigert nervös durch den Verkaufsraum vor der Kasse. Die Polizei ist nach wenigen Minuten vor Ort. Enver K. lässt sich widerstandslos festnehmen.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

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