Morddrohung per SMS: Polizei fasst irren Stalker

Der 43 Jahre alte Münchner Christoph L. hatte sein Opfer in der Firma kennengelernt. Jetzt sitzt er in Untersuchungshaft. Verschmähte Liebe soll nicht das Motiv sein, glaubt die Polizei
Vor jeder SMS auf ihrem Handy, vor jeder neuen Nachricht in ihrem E-Mail-Postfach muss Steffi K. sich gefürchtet haben. Monatelang hat ein Stalker der 17-Jährigen das Leben zur Hölle gemacht. Das Ganze gipfelte darin, dass er eine Todesanzeige für das Mädchen aufgab (AZ berichtete). Und ihr am vergangenen Sonntag eine Morddrohung aufs Handy schickte.
Jetzt ist das Martyrium der jungen Ismaningerin vorbei. Die Polizei hat den Täter gefasst. Bei dem Mann handelt es sich um den 43 Jahre alten, unverheirateten Münchner Christoph L. Er und das Opfer hatten sich in einer Firma kennengelernt, bei der Stefanie K. ihre Ausbildung macht. Der Stalker hatte aber in der Zwischenzeit den Job gewechselt. Die Polizei nahm ihn am Mittwoch gegen 14.30 Uhr an seinem Arbeitsplatz fest.
Warum hat er das getan? Was war sein Motiv dafür, dass er die junge Frau über Monate hinweg belästigt und bedroht hat? „Nach unserem Eindruck ist es nicht so, dass es verschmähte Liebe ist“, sagt Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch. Christoph L. hat zwar gestanden, er wollte sich aber bis gestern Nachmittag nicht erklären. Jetzt sitzt er in Untersuchungshaft.
Bereits im Mai hatte er damit begonnen, Stefanie K. Nachrichten zu senden. Bei Facebook, per Mail und Handy schrieb er ihr verächtliche, verleumderische Texte. Er zog die Jugendliche ins Lächerliche. Im Juni entschloss sich ihre Familie zur Anzeige. Die Polizei in Ismaning fing an zu ermitteln, durchleuchtete das Umfeld der jungen Frau. Auf Christoph L. als Täter kam sie nicht.
Aus Belästigungen wurden Bedrohungen. Ob sie den Fall Natascha Kampusch kenne, wollte der 43-Jährige von der jungen Frau wissen. So könne es ihr auch einmal ergehen. Dann gab der Stalker die makabre Anzeige in der „Süddeutschen Zeitung“ auf, in der er Stefanie K. für tot erklärte. „Ein Mensch hat uns genommen, was uns der Herr gegeben hat“, stand da.
Die Familie der leidgeprüften Jugendlichen wandte sich erneut hilfesuchend an die Polizei. Jetzt schaltete sich das Münchner Kommissariat 22 ein – zuständig für „Nachstellungen“. Bis zu sechs Beamten arbeiteten an dem Fall. „Nachruf“ hieß die Ermittler-Gruppe intern.
Am vergangenen Sonntag drohte Christoph L. seinem Opfer direkt mit dem Tod. Das Mädchen werde den nächsten Tag nicht erleben, ließ er sie und ihre Familie wissen. Stephanie K. stand in den vergangenen Tagen unter Polizeischutz.
Der Täter sei „trickreich vorgegangen“, berichtet Kriminaloberkommissar Marco Müller. „Er hat uns immer wieder in eine Sackgasse geführt.“ Er benutzte wohl auch mehrere Handys. Doch dann unterlief dem Mann ein dicker Fehler. Am Dienstag hätten die Ermittler die erste heiße Spur gehabt: „Er hat einmal seine echten Personalien angegeben.“ Am Mittwoch durchsuchte die Polizei den Arbeitsplatz und die Wohnung von Christoph L. Dabei konnte „umfangreiches Beweismaterial“ sichergestellt werden, hieß es. Sim-Karten und andere Speichermedien, Verträge, Aufzeichnungen.
Für die Justiz ist Christoph L. kein Unbekannter. „Wir kennen den Herren schon“, berichtete Oberstaatsanwalt Steinkraus-Koch gestern. Zwei Mal sei er schon in Erscheinung getreten. Im Jahr 2010, weil er eine Exfreundin mit Mails bombardierte. Was damals aber rechtlich nur als „Beleidigung“ eingestuft werden konnte. Und im Jahr 2006, weil er Streit mit einem Kollegen hatte.
Was droht dem Mann jetzt für eine Strafe? Diesmal greift der Stalking-Paragraph. Obwohl er laut Justizministerin Beate Merk eine Lücke hat. „Der Straftatbestand ist nur dann erfüllt, wenn das strafbare Nachstellen zu einer Beeinträchtigung der Lebensführung des Opfers führt“, erklärt Merk. Die Konsequenz sei, dass Menschen, die nach außen hin stark bleiben, „durch unser Strafrecht häufig nicht geschützt sind“. Die Ministerin fordert, dass diese Lücke geschlossen wird. Im Fall von Stefanie K. wird das Gesetz aber wohl auch so zur Anwendung kommen. „Das Opfer ist in medizinischer Behandlung“, berichtet Steinkraus-Koch. Und auch von Seiten der Polizei wird berichtet, sie sei „momentan noch in schlechter Verfassung“. Die Familie sei jetzt aber sehr erleichtert nach der Festnahme. Der Strafrahmen für einen Stalker liegt derzeit bei drei Monaten bis fünf Jahren.
Auch in Ismaning ist man erleichtert darüber, dass Stefanie K. ihr Martyrium jetzt überstanden hat. Der zweite Bürgermeister Walter Stenner sagte zur AZ: „Alle Bürger sind heilfroh, dass das Ganze vorbei ist.“ Für die 17-Jährige seien die vergangenen Monate „schwierig zu verkraften“.